Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Aufteilungsplan grundsätzlich maßgeblich auch bei abweichender Bauausführung (hier: Versetzung einer Wohnungstrennwand zwischen zwei Nachbarwohnungen und Flächenveränderung von ca. 11 qm)
Eigentümerbeschluss auf "Teilungserklärungs-Änderung" und "Genehmigung der Sondereigentums-Änderung" nichtig
Anspruchsmöglichkeit auf Übertragung eines Sondereigentum-Teils u.U. jedoch aus dem Gemeinschaftsverhältnis und sich daraus ergebenden Treuepflichten
Normenkette
§ 4 Abs. 2 und 3 WEG, § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 45 Abs. 2 WEG, § 242 BGB, § 313 S. 1 BGB, § 322 Abs. 1 ZPO
Kommentar
1. Weicht die tatsächliche Bauausführung einer Wohnanlage von dem im Grundbuch eingetragenen Aufteilungsplan dergestalt ab, dass durch Versetzung einer Wohnungstrennwand zwischen zwei benachbart gelegenen Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 eine Fläche von ca. 11 qm, die nach Aufteilungsplan zur Wohnung Nr. 2 gehört, nunmehr in Folge der Versetzung der Trennwand tatsächlich in die Wohnung Nr. 1 einbezogen ist, bleiben aber der Grundriss des Gebäudes und die Lage der Wohnungstrennwände im Übrigen unverändert, so gehört die Fläche von 11 qm trotz der tatsächlichen Abtrennung nach wie vor zum Sondereigentum der Wohnung Nr. 2. Abgrenzungen von Sondereigentum zu Gemeinschaftseigentum und auch zwischen Sondereigentumsbereichen untereinander richten sich nach den durch doppelte Bezugnahme gem. § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG zum Inhalt des Grundbuchs gewordenen Aufteilungsplan; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die tatsächliche Bauausführung in nicht unwesentlichem Umfang vom rechtsverbindlich gewordenen Aufteilungsplan abweicht (h.M.). Anders wäre dies nur, wenn die planerische Darstellung an Ort und Stelle nicht mehr mit der nötigen Sicherheit festzustellen ist; nur dann entsteht insoweit wegen fehlender Bestimmbarkeit der Abgrenzung kein Sondereigentum, sondern gemeinschaftliches Eigentum (ebenfalls h.M.); davon konnte in vorliegendem Fall bei Verschiebung der Wohnungstrennwand um einige Meter nicht ausgegangen werden.
2. Im vorliegenden Fall wurde ein Eigentümerbeschluss gefasst, aus dem sich die Verpflichtung der einen Eigentümerseite ergeben sollte, von ihrem Miteigentumsanteil einen Teil auf den Nachbareigentümer zur Verbindung mit seinem Miteigentumsanteil zu übertragen sowie der Einräumung von Sondereigentum an der streitigen Fläche zuzustimmen. Dieser Beschluss ist jedoch aus formal-rechtlichen und sachinhaltlichen Gründen nichtig. Durch Beschluss kann nicht die "Änderung der Teilungserklärung nach den tatsächlichen Gegebenheiten", also die Übertragung des Sondereigentums an einer Fläche, die rechtlich Teil eines anderen Sondereigentums ist, sowie die Übertragung eines Teils des Miteigentumsanteils von einem Wohnungseigentümer auf den anderen "genehmigt" werden. Der Beschluss entspricht hier zum einen nicht der für die Eingehung solcher Verpflichtungen vorgeschriebenen Form und ist deshalb schon gem. § 125 Satz 1 BGB nichtig. Die Verpflichtung, einen Miteigentumsanteil oder einen Teil davon zu übertragen, bedarf ebenso wie die Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks selbst gem. § 313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung; dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn mit dem Miteigentumsanteil Sondereigentum verbunden ist. Der notariellen Beurkundung bedarf gem. § 4 Abs. 3 WEG i.V.m. § 313 Satz 1 BGB auch die Verpflichtung, Sondereigentum einzuräumen oder zu erwerben oder Sondereigentum an einzelnen Räumen oder Flächen auf einen anderen Wohnungseigentümer zu übertragen (h.M.).
Aber auch aus materiell-rechtlichen Gründen ist der Beschluss nichtig, da er in den Miteigentumsanteil und das Sondereigentum eines Eigentümers eingreift, somit in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums. Zur Beschlussfassung fehlt hier der Gemeinschaft jegliche Zuständigkeit (h.M.). Eine absolute Unzuständigkeit der Eigentümerversammlung führt deshalb ebenfalls zur Nichtigkeit eines Beschlusses.
3. Die rechskräftige Abweisung des auf einen nichtigen Eigentümerbeschluss gestützten Antrags, einen Wohnungseigentümer zur Übertragung eines Teils eines Sondereigentums auf den Antragsteller zu verpflichten, schafft kein Verfahrenshindernis für den auf das gleiche Ziel gerichteten Antrag, der auf das Gemeinschaftsverhältnis und die sich daraus ergebenden Treuepflichten gestützt wird. Die materielle Rechtskraft der Beschlussungültigkeitsentscheidung ist damit noch keine abschließende Entscheidung, lässt also die Frage offen, ob dem Eigentümer nicht doch ein Anspruch auf Übertragung des Sondereigentums an der streitigen Fläche oder auf Vergrößerung seines Miteigentumsanteils zu Lasten des anderen Eigentümers aus anderem Rechtsgrund, etwa aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses und der diesem innewohnenden Treuepflichten zusteht. Aus dieser Treuepflicht kann sich auch die Verpflichtung ergeben, die Vereinbarungen der veränderten Lage anzupassen und eine Lösung zu suchen. Ein solcher Anspruch entspricht einem anderen Lebensvorgang.
4. Auch außergerichtl...