Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Nachträglicher Dachraumausbau zu Wohnzwecken bei anfänglicher Vereinbarung in der Teilungserklärung als erstmalige ordnungsgemäße Herstellungsmaßnahme
Normenkette
§ 5 Abs. 1 WEG, § 7 Abs. 3, 4 S. 1 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Für die Abgrenzung von gemeinschaftlichem Eigentum und Sondereigentum kommt es allein auf die durch Bezugnahme zum Grundbuchinhalt gewordene Teilungserklärung mit Aufteilungsplan an. Diese Eintragungsbezugsunterlagen sind allein nach Wortlaut und Sinn auszulegen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des eingetragenen oder in Bezug genommenen ergeben (objektive Auslegung), also nicht nach dem Willen des Verfassers einer Teilungserklärung (h. M.); die Auslegung ist vom Rechtsbeschwerdegericht selbstständig vorzunehmen. Im vorliegenden Fall war im formellen Teil der Teilungserklärung (Teilungserklärung im engeren Sinne) ein Miteigentumsanteil als Wohnungseigentum Nr. 36 beschrieben, verbunden mit dem Sondereigentum am gesamten Dachraum, der ausgebaut und zu Wohnzwecken benutzt werden könne. Später hieß es dann in der Teilungserklärung zum Umfang des gemeinschaftlichen Eigentums:
"Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums sind, soweit vorhanden, insbesondere folgende Gebäudeteile, Anlagen und Einrichtungen, welche zum gemeinschaftlichen Gebrauch aller Wohnungseigentümer bestimmt sind und nicht Gegenstand des Sondereigentums sind: . . . c) das Dach und der vollständige Dachboden."
Es kam dann aufgrund dieser gewissen Widersprüchlichkeit der Vereinbarungen zu entsprechenden klarstellenden Nachträgen der Teilungserklärung sowie zur späteren Beschlussfassung der Eigentümer, dass die erforderliche Zustimmung zum Ausbau des Dachgeschosses mit 4 Wohneinheiten verweigert werde sowie zu dem hier zu entscheidenden Feststellungsantrag, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt sei, das Dachgeschoss auszubauen.
2. Entschieden wurde jedoch, dass es sich beim Ausbau der Dachräume im vorliegenden Fall um eine erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands handle (nicht um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG), wenn die Teilungserklärung den Ausbau eines Dachraumes zu Wohnzwecken zulasse. Im vorliegenden Fall stimmten Aufteilungsplan (aus dem sich im Regelfall die genaue Abgrenzung zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum ergebe) und der erste Abschnitt der Teilungserklärung überein. In der folgenden Teilungserklärungspassage sei ausdrücklich auch darauf hingewiesen, dass Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums nur solche Räume seien, die nicht Gegenstand des Sondereigentums seien; da der gesamte Dachraum bereits zum Sondereigentum erklärt sei, könne er von nachfolgender Regelung nicht erfasst werden; sei dort gleichwohl der Dachboden angesprochen, gehe diese Bestimmung ins Leere, sodass der vorausgehenden Vereinbarung Vorrang einzuräumen sei. Hier sei also nicht vom Grundsatz auszugehen, dass im Zweifel Gemeinschaftseigentum bei dem Dachraum anzunehmen sei.
3. Offene Fragen zur Entstehung der faktischen Gemeinschaft und insoweit noch bestehender Teilungserklärungsänderungsmöglichkeit durch den ursprünglichen Eigentümer sowie zu den Voraussetzungen einer faktischen Gemeinschaft (insbesondere ob hier Wohnungsgrundbücher bereits angelegt sein müssen) könnten offen bleiben, ebenso die Frage, ob die ursprüngliche Teilungserklärung nach eingetragenen Auflassungsvormerkungen für Erwerber noch geändert werden konnte. Im vorliegenden Fall durfte die Antragsgegnerin aufgrund ursprünglich getroffener Vereinbarungen im Rahmen des öffentlich-rechtlich Zulässigen (soweit von keinem Rechtsmissbrauch auszugehen sei) nach Belieben bauliche Maßnahmen vornehmen (BayObLG, ZMR 89, 347).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 15.10.1991, BReg 2 Z 122/91= ZMR 2/92, 65)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Zu ähnlichen Entscheidungen mit widersprüchlichen und auslegungsbedürftigen Vereinbarungen in Teilungserklärung und Aufteilungsplan darf auch auf die angesprochenen Entscheidungen BayObLG, Entscheidung v. 15. 12. 1989, Az.: BReg 2 Z 130/89; KG Berlin, Entscheidung v. 10. 2. 1997, Az.: 24 W 6582/96; OLG Hamburg, Entscheidung v. 17. 4. 1990, Az.: 2 Wx 32/90; BayObLG, Entscheidung v. 12. 6. 1991, Az.: BReg 2 Z 36/91hingewiesen werden. Wenn im vorliegenden Fall das BayObLG im Rahmen der getroffenen ursprünglichen Vereinbarung den Dachraumausbau zu Wohnzwecken als erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes (nicht als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums) ansah, bleiben doch Zweifelsfragen offen, ob hier wirklich jegliche bauliche Maßnahmen"nach Belieben - soweit öffentlich-rechtlich zulässig und nicht rechtsmissbräuchlich -" vom betreffenden Eigentümer solcher Räumlichkeiten vorgenommen werden können, also z. B. auch der Einbau vergrößerter Dachflächenfenster, die Schaffung von Gaubenfenstern mit Wohnflächenmehrung, Dacheinschnitte und Negativbalkone, Erkeranbauten usw. Hier hätte ich nach wie...