Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 273 BGB

 

Kommentar

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden:

1. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips berechtigt, einen Wohnungseigentümer bei erheblichen Hausgeldrückständen von der Versorgung mit Wasser, Allgemeinstrom und Heizenergie auszuschließen (Zulässigkeit der Absperrung von Versorgungsleitungen).

2. Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen Eigentümer mehrerer Wohnungen, der in zahlreichen gerichtlichen Verfahren über rechtskräftige Vollstreckungstitel zu Wohngeldzahlungen verurteilt wurde (titulierte und nicht titulierte Schulden zur Zeit bei sieben Wohnungen ca. DM 250.000,-). Seit einigen Jahren leistet der Schuldner allerdings auf laufende Bewirtschaftungskosten von ihm vermieteter Wohnungen Teilzahlungen und zwar etwa 70 % der beschlossenen Hausgeldzahlungen; für eine leerstehende Wohnung zahlt er allerdings keine Wohngelder. Im Grundbuch sind seine Wohnungen in Abt. II mit Nießbrauchsrechten belastet, in Abt. III mit Grundschulden, Hypotheken und Sicherungshypotheken für verschiedene Gläubiger, die den Wert der jeweiligen Wohnung bei weitem übersteigen.

Die Gemeinschaft beschloß daraufhin im Mai 1992 mehrheitlich, zur Vermeidung weiterer steigender Wohngeldrückstände des betreffenden Miteigentümers, Wohnungen des Schuldners zukünftig nicht mehr auf Kosten der Gemeinschaft mit a) Wasser, b) Allgemeinstrom und c) Beheizung zu versorgen. In Vollzug dieses Beschlusses wurden dann die Wasser- und Allgemeinstromversorgung (Haustürklingel) einiger Wohnungen ab 1. 7. 1992 unterbrochen, ab 1. 9. 1992 ebenso die Heizungsleitungen, wobei die Absperrungsarbeiten aus vorhandenem Gemeinschaftsguthaben bezahlt wurden.

3. Die Beschlussanfechtung (bzw. die sofortige Rechtsbeschwerde des betreffenden Eigentümers) wurde in III. Instanz zurückgewiesen. Der Gemeinschaft wurde ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zugebilligt, die erforderliche Gegenseitigkeit der Ansprüche als gegeben angesehen; die beidseitigen Leistungen entstünden auch hier aus einem innerlich zusammengehörenden, einheitlichen Lebensverhältnis (Belieferung des Eigentümers mit Wasser, Allgemeinstrom und Beheizung durch die Gemeinschaft und demgegenüber Kostentragungspflicht des Einzelnen gem. § 16 Abs. 2 WEG).

Sei der vorübergehende Einbau von Absperrventilen zur Realisierung des Zurückbehaltungsrechts möglich, stelle diese Maßnahme auch keine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar.

Auch die §§ 18 und 19 WEG (Entziehung des Eigentums) könnten nicht als abschließende Spezialregelung auch für solche Hausgeldschuld-Fälle angesehen werden. Überdies finde sich bei überbelasteten Wohnungen in der Versteigerung kaum ein Erwerber, der ein Gebot abgebe, da aus dem Grundbuch ersichtliche Belastungen durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung nach § 57 WEG nicht erlöschen würden. Der Schuldner könnte auch selbst Eigentümergrundschulden bestellen und diese dann an Verwandte abtreten oder auch Dritten Wohnrechte oder einen Nießbrauch einräumen. In diesen Fällen wäre eine Gemeinschaft so gut wie rechtlos. Wenn ein säumiger Wohnungseigentümer in der Lage wäre, seine Wohnung unbegrenzt zeitlich zu nutzen, sofern es ihm nur gelänge, sein Eigentum hinreichend zu belasten, müßten die übrigen Wohnungseigentümer zeitunbegrenzt einen Teil seiner Lebenshaltungskosten übernehmen, obwohl ihnen als Gemeinschaft insow. keine Fürsorgepflichten oblägen.

Auch andere Versorgungsunternehmen seien gegenüber ihren Schuldnern grundsätzlich berechtigt, über § 273 BGB z. B. Strom- oder Fernwärmeversorgung unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips einzustellen (vgl. BGH, DB 1989, 2328; BGH Z 115, 99, 102).

Im vorliegenden Fall sei auch das Zurückbehaltungsrecht dem Grunde nach weder unverhältnismäßig noch sittenwidrig. Im Eigentümerbeschluss seien hier auch die Wohnungsversorgungen nur von der Erfüllung der laufenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft ab Beschlussfassung abhängig gemacht worden, was das beschlossene Zurückbehaltungsrecht auch seinem Umfang nach als verhältnismäßig rechtfertige. Die Beitragsschuld eines Eigentümers aus § 16 Abs. 2 WEG sei auch eine rechtlich einheitliche Verbindlichkeit; bei Hausgeldansprüchen einer Gemeinschaft handele es sich um einen einheitlichen Anspruch aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis, der im Blick auf § 273 BGB nicht in verschiedene Teilansprüche zerlegt werden müsse.

4. Schließlich hindere auch die Vermietung von Wohnungen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht (ebenso BayObLG vom 16. 1. 1992, 2 Z 162/91). Mieter stünden nur mit dem von der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts betroffenen Wohnungseigentümern in einer vertraglichen Beziehung, leiteten ihr Besitzrecht von diesem ab und müßten sich wegen Schlecht- oder Nichterfüllung des Mietvertrages an diesen halten.

5. Gerichtliche Kostentragung des Antragstellers / Rechtsbeschwerdeführers III. Instanz ohne außergerichtliche Kostenerstattung bei Ges...

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