Leitsatz

Zum Zeitpunkt der Eheschließung im Jahre 1984 besaßen beide Parteien die türkische Staatsbürgerschaft. Im Jahre 1996 erlangten beide die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihre Ehe wurde durch Urteil des FamG vom 21.9.2004 rechtskräftig geschieden.

Die Parteien waren jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses, außerdem hatten sie zum Stichtag weitere Vermögenswerte. Die Klägerin machte im Wege der Stufenklage einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend mit der Behauptung, der Beklagte habe seine in der Türkei angelegten Vermögenswerte nicht angegeben. In einem zuvor durchgeführten Verfahren zum Kindesunterhalt seien diese Werte berücksichtigt worden, ohne dass der Beklagte sich hiergegen gewehrt hätte.

Widerklagend hat der Beklagte zunächst ebenfalls einen Auskunftsanspruch geltend gemacht, diese Widerklage wurde jedoch noch vor dem Termin von ihm zurückgenommen.

Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, auf das Güterrecht der Ehe der Parteien sei das türkische Recht in der Fassung zum 1.1.2002 anzuwenden, das einen Zugewinnausgleich nicht vorgesehen habe.

Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein und verwies auf die Neufassung des türkischen ZGB zum 1.1.2002.

Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG bejahte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach allgemeinen Grundsätzen (§ 621 Abs. 2 S. 2 ZPO). Beide Ehegatten lebten in Deutschland und besaßen (zumindest auch) die deutsche Staatsbürgerschaft.

Der geltend gemachte Zugewinnausgleichsanspruch sei gem. Art. 14, 15 EGBGB nach dem türkischen Recht zu beurteilen, da bei der Eheschließung beide Parteien nur die türkische Staatsbürgerschaft besaßen, so dass die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe ungeachtet des zwischenzeitlichen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit dem türkischen Recht unterlagen. Von der Möglichkeit einer besonderen güterrechtlichen Rechtswahl hätten beide Ehegatten keinen Gebrauch gemacht.

Der mit der ersten Stufe der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch sei zu bejahen. Insbesondere scheitere dieser Anspruch nicht schon daran, dass im türkischen Scheidungsfolgenrecht ein Zugewinnausgleichsanspruch nicht vorgesehen sei. Mit der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Neufassung des türkischen ZGB sei als gesetzlicher Güterstand die sog. Errungenschaftsbeteiligung eingeführt worden, die deutliche Parallelen zur Zugewinngemeinschaft zeige und nach Beendigung der Ehe ebenfalls einen Wertausgleich vorsehe.

Errungenschaften seien Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Dauer des Güterstandes entgeltlich erwerbe; erfasst würden insbesondere die Einkünfte aus Arbeit und die Erträge des Eigengutes. Zum Eigengut gehörten neben Gegenständen des persönlichen Gebrauchs eines Ehegatten vor allem die Vermögenswerte, die einem Ehegatten schon zu Beginn des Güterstandes gehörten oder ihm durch Erbgang oder auf andere Art und Weise unentgeltlich zufielen.

Die Neufassung des türkischen ZGB finde gemäß Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 des Einführungsgesetzes auch auf die bereits 1984 geschlossene Ehe der Parteien Anwendung, wobei allerdings zu beachten sei, dass das am 1.1.2002 bereits vorhandene Vermögen der Ehegatten nicht als Errungenschaft, sondern als Eigengut anzusehen sei. Eheleute, die am 1.1.2002 verheiratet waren, seien zu diesem Zeitpunkt mit ihrem jeweiligen persönlichen Vermögen so in gesetzlichen Güterstand übergegangen, als hätten sie am 1.1.2002 geheiratet.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil vom 16.02.2006, 4 UF 224/05

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