Leitsatz
Gemäß § 132 Abs. 1 AktG entscheidet auf Antrag des Aktionärs ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, ob der Vorstand einem Aktionär eine Auskunft zu geben hat. Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach der Hauptversammlung zu stellen, in der die Auskunft abgelehnt worden ist.
In einer Hauptversammlung gab der Vorstand einem Aktionär eine Auskunft zu einer Vereinbarung der AG, die der Aktionär für unzureichend hielt. Der Aktionär beantragte die gerichtliche Entscheidung über sein Auskunftsrecht beim LG Bielefeld, obwohl das LG Dortmund zuständig war. Auf Hinweis des LG Bielefeld stellte der Aktionär den Antrag, an das zuständige LG Dortmund zu verweisen, was allerdings nicht mehr innerhalb von zwei Wochen nach der Hauptversammlung geschah. Danach legte der Aktionär gegen die Entscheidung des LG Dortmund Beschwerde ein, hielt dabei jedoch erneut die Frist - dieses Mal die 2-wöchige Beschwerdefrist - nicht ein und versäumte damit ein zweites Mal eine 2-Wochen-Frist.
Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des LG Dortmund, dass eine fristgemäße Antragsstellung beim örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht die Antragsfrist des § 132 Abs. 2 Satz 2 AktG wahrt. Es besteht der allgemeine Grundsatz, dass die fristgerechte Anrufung eines sachlich oder örtlich unzuständigen Gerichts regelmäßig fristwahrend wirkt. Dies gilt z.B. grundsätzlich auch für die Klageerhebung zur Hemmung von Verjährungsfristen.
Etwas anderes gilt demgegenüber für vom Gesetz als "Notfrist" bezeichnete Fristen (z.B. Verteidigungsanzeige) oder für Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln (Berufung, Revision, Beschwerde). Ein Versäumen dieser Fristen ist nur dann unbeachtlich, wenn der Partei auf Antrag gem. § 233 ZPO oder gem. § 17 f. FamFG (Gesetz über die Angelegenheiten in Familiensachen und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen insbesondere auch der Antrag gem. § 132 AktG gehört) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Dafür prüft das Gericht insbesondere, ob die Frist ohne Verschulden versäumt wurde. Ein Verschulden wird in der Praxis von den Gerichten bei anwaltlicher Vertretung meistens angenommen, sodass der Antrag dann wegen Fristablauf unzulässig ist. Aus diesem Grund hielt das OLG Düsseldorf die verspätete Beschwerde des Antragsstellers gegen die Entscheidung des LG Dortmund (das zweite Versäumen einer Frist) - anders als seinen Antrag beim unzuständigen Landgericht (das erste Versäumen einer Frist) - für verfristet und damit für unzulässig.
Hinweis
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf bestätigt die in der Rechtsprechung bestehende Unterscheidung zwischen "normalen" Fristen einerseits sowie Notfristen und Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln andererseits. Da bei letzteren Fristen regelmäßig die Pflicht besteht, einen Anwalt zu beauftragen, sind die erhöhten Anforderungen angemessen.
Das Problem der Anrufung des unzuständigen Gerichts wird bei Auskunftsklagen zukünftig wohl (noch) häufiger auftreten. Denn die Regelung in § 132 Abs. 1 AktG (auf die auch § 51b GmbHG verweist), wonach das Landgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, ist nur die halbe Wahrheit. Die Landesregierungen sind nämlich berechtigt, eine Zuständigkeitskonzentration zu verfügen - die gesetzliche Kompetenzgrundlage hierfür wurde im Rahmen der FGG-Reform 2009 jedoch aus § 132 Abs. 1 AktG gestrichen und in allgemeiner Form in § 71 Abs. 4 GVG aufgenommen. Dies mag systematisch richtig sein, dürfte in der Rechtspraxis jedoch häufig übersehen werden. Von der Möglichkeit der Zuständigkeitskonzentration wurde in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen Gebrauch gemacht; in Berlin, Bremen, Hamburg und dem Saarland erübrigt sich die Zuständigkeitskonzentration, da nur ein Landgericht vorhanden ist. Damit ist in den wenigsten Fällen das Gericht am Sitz der Gesellschaft zuständig!
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.10.2009, I-26 W 5/09 (AktE)