LfSt Bayern v. 17.1.2011, S 0256.1.1 - 1/10 St 42
1. Geltungsbereich
Werden im Besteuerungsverfahren Auskünfte von Dritten und Sachverständigen eingeholt, bestimmt sich ihre Entschädigung nach § 107 AO in Verbindung mit dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). § 107 AO gilt in allen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens einschließlich des Außenprüfungs-, Erhebungs-, Vollstreckungs- und Einspruchsverfahrens. Personen, die ausschließlich als Vorlageverpflichtete nach § 97 AO vom FA herangezogen werden, steht keine Entschädigung zu (vgl. Tz. 2 und 3).
In Steuerstraf- oder in Bußgeldverfahren, in denen das FA die Ermittlungen selbständig durchführt, sind die zu Beweiszwecken herangezogenen Zeugen und Sachverständigen entsprechend § 405 AO zu vergüten.
Eine besondere gesetzliche Regelung besteht für Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1 StPO) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden, Auskunft erteilen oder die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ermöglichen (§ 100b Abs. 3 StPO). Diese Dritten haben nach § 23 Abs. 1 JVEG einen Anspruch darauf, wie Zeugen entschädigt zu werden.
2. Abgrenzung zwischen Vorlageverlangen und Auskunftsersuchen
Ein Vorlageverlangen gegenüber Dritten ist im Regelfall nur zulässig, wenn der Dritte eine von ihm zuvor geforderte Auskunft nicht erteilt hat, die Auskunft des Dritten unzureichend ist, Bedenken gegen die Richtigkeit der Auskunft bestehen oder das Vorliegen steuerrelevanter Tatsachen nur durch die Vorlage eines Schriftstücks beweisbar bzw. eine Auskunft zur Wahrheitsfindung untauglich ist (AEAO zu § 107, Nr. 3 Abs. 3 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 24.2.2010, II R 57/08).
Ein reines Vorlageverlangen i.S. des § 97 AO, das keinen Entschädigungsanspruch auslöst, liegt nur dann vor, wenn keinerlei eigenes Wissen des in Anspruch Genommenen abgefragt bzw. darauf zurückgegriffen werden muss (vgl. BFH vom 8.8.2006, VII R 29/05, BStBl 2007 II S. 80). Dies ist dann der Fall, wenn das FA die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig benennt, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränkt.
3. Anspruchsberechtigte
Die von einem FA zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspflichtigen (§ 93 AO) und Sachverständigen (§ 96 AO) erhalten auf Antrag eine Entschädigung bzw. Vergütung in entsprechender Anwendung des JVEG, soweit sie weder Beteiligte (§§ 78, 359 AO) sind noch die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben (wie z.B. die gesetzlichen Vertreter und die Verfügungsberechtigten i.S. der §§ 34, 35 AO sowie die Bevollmächtigten und die von Amts wegen bestellten Vertreter der Beteiligten i.S. der §§ 80, 81 AO).
Auskunftspflichtige können natürliche Personen, juristische Personen und Personengesellschaften sein.
Nimmt ein Auskunftspflichtiger oder ein Sachverständiger eine Hilfsperson (z.B. Steuerberater) in Anspruch, so hat diese keinen eigenen Entschädigungsanspruch (Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.10.1988, XII 649/87, n.v.).
Die dem Drittschuldner durch die Erfüllung seiner Erklärungspflicht gem. § 316 AO entstehenden Kosten sind nicht nach § 107 AO zu erstatten. Dies gilt auch, wenn das FA die Angaben in der Drittschuldnererklärung für unzureichend hält und deshalb um Ergänzung oder Vervollständigung nachsucht. Eine Entschädigung kommt aber in Betracht, wenn das FA den Drittschuldner um Auskünfte ersucht, die über dessen Erklärungspflicht gem. § 316 AO hinausgehen.
4. Anspruch auf Entschädigung
Die Entscheidung darüber, ob ein Auskunftspflichtiger oder Sachverständiger eine Entschädigung oder Vergütung erhält, liegt nicht im Ermessen des Finanzamts. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht auf die Entschädigung ein Rechtsanspruch (BFH-Urteil vom 23.12.1980, VII R 91/79, BStBl 1981 II S. 392).
5. Fürsorgepflicht des Finanzamts
Handelt es sich bei dem Auskunftspflichtigen um eine Person, bei der Kenntnisse über den Entschädigungsanspruch nicht vorausgesetzt werden können und ist ersichtlich, dass dem Verpflichteten durch die Auskunftserteilung nicht nur ganz unbedeutende Kosten erwachsen werden, ist er auf die Entschädigungsmöglichkeit gem. § 107 AO und das Erfordernis der Antragstellung hinzuweisen (vgl. § 89 AO).
6. Umfang der Entschädigung
6.1. Auskunftspflichtige
Erledigt der Auskunftspflichtige das Auskunftsersuchen selbst oder beauftragt er Personen, die in seinem Betrieb beschäftigt sind, so werden der Verdienstausfall bzw. die Personalkosten mit dem Betrag erstattet, den ein Zeuge nach § 22 JVEG beanspruchen könnte. Der Zeitaufwand darf jedoch höchstens mit 17 Euro je Stunde angesetzt werden. Dabei ist unbeachtlich, ob dem Antragsteller durch Zahlung von Überstundenvergütungen oder Neueinstellungen ein Mehraufwand entstanden ist. Soweit die Entschädig...