Leitsatz
Kommt ein Rechtsanwalt einem Auskunftsverlangen des Vorstands oder eines beauftragten Vorstandsmitglieds der Anwaltskammer nicht nach, liegt eine sanktionsbewehrte Berufspflichtverletzung nicht vor, wenn ihm ein Hinweis über sein Recht, die Auskunft nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BRAO zu verweigern und seine Pflicht, sich gegebenenfalls darauf zu berufen, nicht vom Vorstand oder von einem beauftragten Mitglied erteilt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt sein Auskunftsverweigerungsrecht kannte.
Sachverhalt
Das Anwaltsgericht hat eine Rechtsanwältin wegen Berufspflichtverletzungen zu einem Verweis und einer Geldbuße von 500 EUR verurteilt, weil sie Anschreiben der Anwaltskammer nicht beantwortet hatte. Auf ihre Berufung hat der Anwaltsgerichtshof sie freigesprochen und die Revision zugelassen. Das Rechtsmittel der Generalstaatsanwaltschaft blieb erfolglos.
Entscheidung
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 BRAO ist der Rechtsanwalt zur Auskunft verpflichtet, wenn er vom Vorstand oder einem beauftragten Vorstandsmitglied der Kammer in einer Aufsichts- oder Beschwerdesache dazu aufgefordert wird. Die Pflicht zur Auskunftserteilung entfällt unter anderem dann, wenn der Rechtsanwalt sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat, Ordnungswidrigkeit oder Berufspflichtverletzung aussetzen würde und sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Auf dieses Recht ist er nach § 56 Abs. 1 Satz 3 BRAO explizit hinzuweisen. Die schuldhafte Nichterfüllung dieser Pflicht stellt eine Berufspflichtverletzung dar, die geahndet werden kann.
Berufspflichtverletzungen können aber dann nicht sanktioniert werden, wenn der Berufsangehörige nicht ordnungsgemäß zur Auskunftserteilung aufgefordert wird. Hierzu gehört auch die Belehrung über die ihm zustehenden Rechte. Im konkreten Fall hatte ein Aufforderungsschreiben des Kammerpräsidenten keine Belehrung enthalten. Ein solcher Hinweis ist aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zwingend. Er muss entweder durch den Vorstand der Kammer oder ein beauftragtes Vorstandsmitglied ausgesprochen werden. Die Belehrung – wie in der zu entscheidenden Sache unstreitig erfolgt – durch den Geschäftsführer der Kammer genügt angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung nicht. Sie muss aus Gründen der Rechtssicherheit auch dann erteilt werden, wenn der Betroffene seine Rechte kennt.
Praxishinweis
Der Steuerberater ist nach § 80 StBerG verpflichtet, vor der Steuerberaterkammer zu erscheinen, Handakten auf Verlangen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Er hat in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Schweigerecht, wenn die Gefahr der Selbstbezichtigung besteht. Eine ausdrückliche Belehrungspflicht sieht das Gesetz zwar nicht vor. Indes ist die Belehrung nach allgemeiner Auffassung dennoch zwingend. Auch gegenüber Angehörigen der steuerberatenden Berufe ist sie allein durch den Kammervorstand zu erteilen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 26.09.2005, AnwSt (R) 9/04BGH-Urteil vom 26.9.2005, AnwSt (R) 9/04