Leitsatz

Ergibt der Sinnzusammenhang des gesamten Testaments, dass die Regelung über den seltenen Fall des gleichzeitigen Versterbens hinaus Bestand haben sollte, so ist dieser Auslegung der Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge zu geben.

 

Sachverhalt

Die verstorbenen Eheleute haben sich gegenseitig als Erben eingesetzt. Weiter haben sie für den Fall, "dass beide gleichzeitig Ableben", bestimmt, dass der Sohn das Hausgrundstück erhält, an die beiden Schwestern je 40.000 DM auszahlt und der weitere Sohn lediglich den Pflichtteil erhalten soll, da er sich von den Eltern abgewandt habe. Wörtlich haben sie geäußert: "Denn wer von uns zu Lebzeiten nichts wissen will, braucht auch nach unserem Ableben nichts."

Nach dem Tode der Mutter, wobei der Vater bereits vorverstorben war, beansprucht der bedachte Sohn einen Alleinerbschein, wogegen der enterbte Sohn der Auffassung ist, es trete die gesetzliche Erbfolge ein.

 

Entscheidung

Das gemeinschaftliche Testament ist auslegungsbedürftig, da die Formulierung des gleichzeitigen Ablebens einen sehr engen Anwendungsbereich besitzt. Der gewählte Wortlaut ist scheinbar eindeutig auf diesen seltenen Fall begrenzt. Das Gericht ist indes an diesen Wortlaut nicht gebunden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als dies dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Die Auslegung ergibt in diesem Fall, dass die Eheleute ihre testamentarischen Anordnungen nicht auf den Fall des gleichzeitigen Versterbens beschränkt wissen wollten. So ist die Anordnung der Enterbung des einen Sohnes um die Anordnung des Motivs ergänzt, was die Schlussfolgerung nahe legt, dass die Enterbung eine bewusste Entscheidung für alle Versterbensfälle sein sollte.

Die Lebenserfahrung spricht unter Berücksichtigung des Gesamtdokuments dafür, dass die Eheleute eine Schlusserbenregelung für alle Versterbensfälle treffen wollten.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 16.07.2007, 31 Wx 035/07

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