Leitsatz
1. Erfolgt eine Zuwendung "im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich", ist für die Pflichtteilsberechnung durch Auslegung zu ermitteln, ob damit eine Ausgleichung gem. §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB, eine Anrechnung gem. § 2315 Abs. 1 BGB oder kumulativ Ausgleichung und Anrechnung gem. § 2316 Abs. 4 BGB angeordnet werden sollte.
2. Ausschlaggebend für den Willen des Erblassers ist, ob mit der Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des Empfängers mit bloßer Pflichtteilsberechtigung festgelegt (Anrechnung) oder aber nur klargestellt werden sollte, dass der Empfänger lediglich zeitlich vorgezogen bedacht wird, es im Übrigen aber bei den rechtlichen Wirkungen einer Zuwendung im Erbfall verbleiben soll (Ausgleichung).
3. Genügen die Erben i.R. ihrer Darlegungs- und Beweislast (soweit ihnen möglich) konkret zum Wert der Zuwendung vorzutragen, obliegt es dem Pflichtteilsberechtigten i.R. der ihn treffenden Auskunftspflichten diesem Vorbringen seinerseits substantiiert zu entgegnen.
Sachverhalt
Der Kläger macht nunmehr mit der Revision gegen seine Schwester (Beklagte zu 1) und deren Kinder (Beklagte zu 2) und 3) Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach der 2005 verstorbenen (Groß-)Mutter der Parteien (Erblasserin) geltend. 1981 hatte die Erblasserin ihren Großhandel gem. Vertrag "im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich" auf den Kläger übertragen. Bis 1996 führte der Kläger den Betrieb fort. 1995 setzte die Erblasserin die Beklagten durch notarielles Testament zu ihren Erben ein. Alle Vorinstanzen haben die Klage unter Berücksichtigung der Betriebsübertragung abgewiesen.
Entscheidung
Auf die erfolgreiche Revision ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, da dieses davon ausging, dass der Kläger bei unentgeltlichen Zuwendungen im Wege der "vorweggenommenen Erbfolge" nur gem. §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB ausgleichspflichtig sei. Es berücksichtigt damit die weiteren gesetzlich vorgesehen Möglichkeiten der § 2315 Abs. 1 BGB oder § 2316 Abs. 4 BGB grundlos nicht. Ferner hat es die Berechnung der Ausgleichspflicht nach § 2316 Abs. 4 BGB unvollkommen angegeben.
Erfolgt eine Zuwendung "im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich", ist für die Pflichtteilsberechnung durch Auslegung zu ermitteln, ob damit eine Ausgleichung gem. §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB, eine Anrechnung gem. § 2315 Abs. 1 BGB oder kumulativ Ausgleichung und Anrechnung gem. § 2316 Abs. 4 BGB angeordnet werden sollte. Die unterschiedlichen Berechnungssysteme können zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Während bei einer Ausgleichung der Wert der Zuwendung von dem Erbteil abgezogen und erst von diesem ermittelten Betrag der Pflichtteil berechnet wird, wird bei der Anrechnung zunächst der Pflichtteil selbst berechnet und dann hiervon der Wert der Zuwendung abgezogen. Bei einer gleichzeitigen Ausgleichungs- und Anrechnungsanordnung ist schließlich der Pflichtteil im Wege der Ausgleichung zu bestimmen und dieser Wert danach um die Hälfte des Zuwendungswertes zu kürzen.
Mit der Formulierung "vorweggenommene Erbfolge" im Vertrag wird allein die Übertragung von Vermögen durch den Erblasser auf einen als Erben in Aussicht genommenen Empfänger beschrieben und stellt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden mit vielfachen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Der tatrichterlich gebotenen Auslegung hat das Berufungsgericht nicht genügt, indem es ohne weiteres meinte allein wegen dieses Begriffes von einer Ausgleichung ausgehen zu müssen. Im Hinblick auf den hier auch unzureichenden Parteivortrag hätte es eines richterlichen Hinweises gem. § 139 ZPO bedurft.
Begriff und Motivation legen es bei einer "vorweggenommenen Erbfolge" zunächst eher nahe, dass damit die Eigentumsübertragung als mit Rücksicht auf das künftige Erbrecht umschrieben werden soll, was wiederum für eine Ausgleichsanordnung spricht, weil so die Berücksichtigung der Zuwendung auf den Erbteil, nicht aber auf den Pflichtteil bezogen wird. Die "Bestimmung der Anrechnung auf den Erbteil … (schließt) … die Auslegung nicht aus, dass damit auch die Anrechnung auf den Pflichtteil bestimmt" ist (so ausdrückl. RG, JW 1925, 2124 f.). Dies kann mithin sogar konkludent erfolgen.
Der wahre Erblasserwille ist daher zu ermitteln. Für die Annahme einer Anrechnungsbestimmung gem. § 2315 Abs. 1 BGB muss der erkennbare Wille auf eine Kürzung der dem Empfänger am Restnachlass zustehenden Pflichtteilsrechte gerichtet sein, wobei aber die Enterbungsabsicht bei Formulierung der Anrechnungsbestimmung noch nicht bestanden haben muss. Es reicht, dass der Erblasser die Möglichkeit in Betracht gezogen hat. Die Ermittlung des Erblasserwillens erfordert eine Gesamtbewertung aller relevanten Umstände. Die Beweislast für eine pflichtteilsmindernde Anrechnungsbestimmung i.S.v. § 2315 Abs. 1 BGB trägt hierbei letztlich der Erbe.
Nach den vom Berufungsgericht sein...