Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Auslegung eines notariellen Ehegattentestaments.
Sachverhalt
In einem notariellen Ehegattentestament hatten sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und ihren Sohn als Nacherben bestimmt. Ferner bestimmte das Testament u.a., dass der Sohn bei Vorversterben seines Vaters im Einzelnen aufgeführte landwirtschaftliche Flächen im Voraus erhalten sollte.
Am 10.3.2010 verstarb der Ehemann. Die Beteiligte (die Witwe) beantragte, ihre Alleinerbschaft im Grundbuch einzutragen und den Nacherbenvermerk zugunsten des Sohnes einzutragen.
Mit Zwischenverfügung vom 6.3.2012 führte das Grundbuchamt aus, dem Antrag könne noch nicht entsprochen werden. Das notarielle Testament lasse nicht erkennen, was gewollt sei. Es beständen Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Vor- und Nacherbschaft. Es könne sich auch um ein "Berliner Testament" handeln. Daher bedürfe es zur Vermeidung der kostenpflichtigen Zurückweisung des Antrags der Vorlage eines Erbscheins.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Beteiligten, mit der sie sich gegen die Qualifikation des Testaments als "Berliner Testament" wehrte.
Sie machte im Übrigen geltend, das Grundbuchamt dürfe die beantragte Berichtigung nicht mit dem Verweis auf die Möglichkeit verschiedener Auslegungen des Testaments ablehnen, sondern müsse die letztwillige Verfügung selbst auslegen.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, das Grundbuchamt habe zu Recht die Vorlage eines Erbscheins verlangt, weil die Auslegung des Testaments nicht zu einem eindeutigen Ergebnis im Sinne der Antragstellung geführt habe.
Das Grundbuchamt müsse das Testament prüfen. Dabei habe es selbständig die Frage der Nacherbenfolge zu klären. Führe die Auslegung zu einem mehrdeutigen Ergebnis und gelange das Grundbuchamt nicht zu einer abschließenden Beurteilung oder weiche sein Auslegungsergebnis von dem gestellten Berichtigungsantrag ab, müsse es zur Grundbuchumschreibung die Vorlage eines Erbscheins verlangen.
Auch der Umstand, dass der Begriff "Nacherbschaft" mehrfach in dem Testament vorkomme, spreche nicht für eine klare Anordnung von Vor- und Nacherbschaft. Auch die Tatsache, dass der zur Umschreibung beantragte Grundbesitz fast den gesamten Nachlass des Erblassers darstellte, den er selbst als bäuerlichen Familienbesitz geerbt hatte, hielt das OLG für nicht ausreichend für die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft. § 2269 sehe die sog. Einheitslösung des Berliner Testaments als Regelfall an. Die Trennungslösung, wonach der überlebende Ehegatte zum Vor-, ein Dritter zum Nacherben bestimmt werde, bilde dagegen die Ausnahme.
Auch notarielle Testamente seien auslegbar, wobei grundsätzlich davon auszugehen sei, dass dort verwendete juristische Fachbegriffe entsprechend der Bedeutung verwendet worden seien.
Die Beteiligte und ihr verstorbener Ehemann hätten jedoch nicht nach den Vermögensmassen im notariellen Testament unterschieden, um die Einheitslösung als Regelfall abzubedingen.
Aus dem Testament sei nicht erkennbar, weswegen der überlebende Ehegatte nur Vor- und nicht Vollerbe habe sein sollen.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2012, I-3 Wx 113/12