Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines notariellen Testaments durch das Grundbuchamt
Leitsatz (amtlich)
Beantragt der überlebende Ehegatte unter Einreichung eines gemeinschaftlichen notariellen Testaments seine Eintragung als Alleinerbe nach dem Erblasser sowie einen Nacherbenvermerk zugunsten des gemeinsamen Kindes und weicht die Auslegung des Grundbuchamts in Bezug auf die letztwillige Verfügung vom Eintragungsantrag ab (hier: Einheitslösung des "Berliner Testaments"), so hat das Grundbuchamt zum Nachweis der Erbfolge die Vorlegung eines Erbscheins zu verlangen.
Normenkette
GBO § 35 Abs. 1; BGB § 2269
Verfahrensgang
AG Dinslaken (Aktenzeichen GÖ-6-3) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der am 10.3.2010 verstorbene Ehemann der Beteiligten ist als Eigentümer des eingangs bezeichneten Grundbesitzes eingetragen.
Sie hatte mit ihrem Ehemann am 4.12.1998 zu UR-Nr. 389/1998 des Notars N. in Duisburg - Meiderich ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet, in dem sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben einsetzten und als Nacherben ihren Sohn Nils, geboren am 22.4.1978, beriefen.
Ferner bestimmte das Testament u.a., dass der Sohn Nils bei Vorversterben des Erblassers im Einzelnen aufgeführte (überwiegend im Grundbuch des AG Dinslaken von Görsicker Blatt 33) verzeichnete landwirtschaftliche Flächen sowie das Grundstück Flur 1, Flurstück 73, eingetragen im Grundbuch des AG Dinslaken von Görsicker Blatt 0006 im Wege des Vermächtnisses " voraus" "in Anrechnung auf seinen Pflichtteilsanspruch" zu Eigentum erhalten sollte.
Am 28.2.2012 hat die Beteiligte beantragt, zu berichtigen das Grundbuch von Görsicker Blatt 33, wonach sie aufgrund des notariellen Testaments Alleinerbin nach dem Erblasser geworden ist; das Grundbuch von Görsicker Blatt 6, in dem der Erblasser noch als Eigentümer eingetragen ist, einzutragen einen Nacherbenvermerk zugunsten des Sohnes Nils gemäß notariellem Testament vom 4.12.1998 in den Grundbüchern.
Durch Zwischenverfügung vom 6.3.2012 hat das Grundbuchamt ausgeführt, dem Antrag könne noch nicht entsprochen werden; das Testament vom 4.12.1998 lasse nicht erkennen, was gewollt ist; es bestünden Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Vor- und Nacherbschaft; es könne sich auch um ein "Berliner Testament" handeln. Daher bedürfe es zur Vermeidung der kostenpflichtigen Zurückweisung des Antrags eines bis zum 30.4.2012 vorzulegenden Erbscheins.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 6.3.2012.
Sie macht geltend, bei einem "Berliner Testament" setzten sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben ein und bestimmten als Schlusserben den oder die Abkömmlinge. Die Schlusserbeneinsetzung sei im vorliegenden Fall bereits deshalb entbehrlich, weil es sich bei dem Sohn Nils um den einzigen Abkömmling der Eheleute O. handele, dieser somit ohnehin Alleinerbe nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils werde. Dass zugunsten des Sohnes Nils bereits ein Vermächtnis verfügt sei, spreche auch nicht für ein Berliner Testament, da auch bei einer Vor- und Nacherbschaft die Verfügung von Vermächtnissen sinnvoll sein könne. Maßgeblich sei, dass im konkreten Testament der Begriff Nacherbschaft nicht nur einmal, sondern vier Mal gewählt worden sei, weshalb die Bestimmung des Sohnes Nils zum Nacherben eindeutig sei und nicht auf einer sprachlichen Ungenauigkeit beruhen könne.
Das AG hat seine Zwischenverfügung durch förmlichen Beschluss vom 20.3.2012 präzisiert und ausgeführt, es sei ein Erbschein vorzulegen. Allein die Verwendung der Begriffe Vorerbschaft und Nacherbschaft machten ein Testament nicht eindeutig. Selbst in einem notariellen Testament könne damit der Wille des Erblassers unpräzise und unrichtig erfasst sein. Hätten die Ehegatten bei der Einsetzung eines "Nacherben" sinnwidrig nicht zwischen den beiden Nachlässen unterschieden, habe aber jeder für seinen Überlebensfall auch zugunsten dieses "Nacherben" testieren wollen, so bilde der Wortlaut eine hinreichende Stütze für die Ermittlung, ob dieses Einsetzen als Vollerbe gewollt ist.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Beteiligte geltend, das Grundbuchamt dürfe die beantragte Berichtigung nicht mit dem Verweis auf die Möglichkeit verschiedener Auslegungen des Testaments ablehnen, sondern müsse die letztwillige Verfügung selbst auslegen.
Der Grundbesitz, der Gegenstand des Grundbuchberichtigungsantrages sei, stelle nahezu den gesamten Nachlass des Erblassers dar. Die Grundbesitzungen habe der Erblasser selbst als bäuerlichen Familienbesitz geerbt, und noch in der Generation vor dem Erblasser sei der Grundbesitz als bäuerlicher Hof betrieben worden. Dem Erblasser sei es somit entscheidend darauf angekommen, sicherzustellen, dass dieser Familienbesitz in seiner Linie verbleibt und somit letztlich auf seinen einzigen Abkömmling, seinen Sohn Nils, übergeht. Aus diesem Grunde sei zur entsprechenden erbrechtlichen Absicherung das Institut der Nacherbschaft gewählt worden. Bei einer Schlusserbenregelung ...