Leitsatz
Das Grundbuchamt hat bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung auch solche Tatsachen zu berücksichtigen, die allgemeinbekannt oder offenkundig sind.
Sachverhalt
Durch gemeinschaftlichen Erbvertrag vom 28.10.2008 setzten sich die Beteiligte zu 2) und ihr vorverstorbener Ehemann "unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nicht bis zum Ablauf des 31.12.2008 durch ein bis dahin in Kraft getretenes Gesetz reformiert wird", gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein. Im Falle des Bedingungseintritts sollte die Beteiligte zu 1) ihrer beider Erbin werden. Gleichzeitig vermachte der Erblasser der Beteiligten zu 2) ein Nießbrauchsrecht an seinem Nachlass, zu dem mehrere Immobilien gehörten. Der Erbvertrag wurde durch das Nachlassgericht eröffnet.
Die Beteiligten begehrten vom Grundbuchamt die Berichtigung dahingehend, dass die Beteiligte zu 1) als Eigentümerin und die Beteiligte zu 2) als Nießbraucherin eingetragen werden. Das Grundbuchamt verlangte die Vorlage eines Erbscheins, da es mit seinen Erkenntnismöglichkeiten nicht feststellen könne, ob die aufschiebende Bedingung in dem Erbvertrag eingetreten sei, da das Reformgesetz erst zum 01.01.2009 in Kraft getreten sei. Die für die Auslegung erforderlichen Feststellungen könne nur das Nachlassgericht treffen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Entscheidung
Das durch den Tod des dinglich Berechtigten unrichtig gewordene Grundbuch ist gem. § 22 GBO zu berichtigen. Beruht die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, reicht grundsätzlich die Vorlage dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift zum Nachweis aus. Erachtet das Grundbuchamt dies nicht als ausreichend, kann es die Vorlage eines Erbscheins verlangen, § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GBO, wenn sich bei der Prüfung der letztwilligen Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts tatsächlich Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen betreffend den Willen des Erblassers geklärt werden können. Eine Auslegung durch das Grundbuchamt selber scheidet nur dann aus, wenn die Verfügung also solche und außerhalb der Verfügung liegende Umstände, die durch dem Grundbuchamt vorliegende Urkunden nachgewiesen sind, kein eindeutiges Ergebnis zulassen. Mithin hat das Grundbuchamt auch allgemeinbekannte und offenkundige Tatsachen zu berücksichtigen.
Die Formulierung in dem Erbvertrag ergibt sich aus dem Urteil des BVerfG vom 07.11.2006, mit dem dem Gesetzgeber aufgegeben wurde, "bis zum 31.12.2008" eine Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes zu treffen. Jedoch war zu keiner Zeit ein Gesetzesentwurf Gegenstand parlamentarischer Beratung, der ein Inkrafttreten vor dem 01.01.2009 vorgesehen hat, so dass die nicht lange vor dem 31.12.2008 vereinbarte Bedingung der Eheleute ersichtlich nicht eintreten konnte und sinnlos gewesen wäre, würde man am Wortlaut haften. Dass der tatsächliche Gesetzgebungsverlauf ebenfalls zum Eintritt der auflösenden Bedingung führen sollte, kann auch ohne Ermittlung weiterer Taschen durch das Nachlassgericht nicht zweifelhaft sein.
Link zur Entscheidung
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.02.2010, 3 W 4/10