Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 21 Abs. 4 WEG, § 28 Abs. 5 WEG, § 43 Abs. 2 WEG, § 45 Abs. 2 WEG
Kommentar
1. Im Rahmen seines Rechts auf ordnungsgemäße Verwaltung ( § 21 Abs. 4 WEG) hat jeder einzelne Wohnungseigentümer Anspruch auf die (positive) Beschlussfassung über eine Jahresabrechnung durch die Wohnungseigentümerversammlung ( § 28 Abs. 5 WEG; Weitnauer, 7. Auflage § 21 Rdn. 10), den er notfalls auch alleine gerichtlich geltend machen kann (ohne Ermächtigungsbeschluss der Gemeinschaft).
2. Der Antrag eines Eigentümers, einen anderen Wohnungseigentümer zur Zustimmung zu einer auf einer Eigentümerversammlung abgelehnten Jahresabrechnung zu verpflichten, ist als Antrag auf gerichtliche Festlegung der Jahresabrechnung auszulegen und aufzufassen.
Ein solcher Antrag auf gerichtliche Gestaltung kann von jedem einzelnen Eigentümer allerdings nur dann gestellt werden (und ist nur dann zulässig), wenn der Antragsteller zuvor im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren versucht hat, eine Entscheidung der Eigentümergemeinschaft zu erreichen. Es müssen also besondere Voraussetzungen erfüllt sein, um ein Rechtsschutzbedürfnis für einen außerordentlichen, die Funktionsabgrenzung des geschriebenen Rechts überschreitenden staatlichen (gerichtlichen) Eingriff annehmen zu können. Hierbei ist das Scheitern eines Beschlussantrags in einer vorangegangenen Eigentümerversammlung nicht generell ausreichend, jedenfalls, wenn wie bei der Jahresabrechnung aus einer gewissen zeitlichen Verzögerung keine ernstlichen Nachteile zu befürchten sind. Anders mag es etwa im Fall der gerichtlichen Ersetzung eines Wirtschaftsplanes sein, weil dieser innerhalb der Wirtschaftsperiode beschlossen werden muss und die Gemeinschaft regelmäßig dringend auf den Eingang der Wohngeldvorschüsse angewiesen ist. Vorliegend sei es für alle Beteiligten möglich und zumutbar, in einer weiteren Eigentümerversammlung eine neue Beschlussvorlage zur Abstimmung zu stellen, welche die schon festgestellten Fehler der früheren Jahresabrechnung des Verwalters vermeidet. Damit muss hier der Vorrang der Eigentümerversammlung vor einer gerichtlichen Tätigkeit gewahrt bleiben.
Also nur im Ausnahmefall gibt das flexible Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit für das Gericht die Möglichkeit, auch gestaltend auf die Rechtsverhältnisse der Eigentümer einzuwirken (Ersetzung einer Jahresabrechnung anstelle der Gemeinschaft mit Rechtskraftwirkung des § 45 Abs. 2 WEG). Dass eine Gemeinschaft dann immer noch während eines gerichtlichen Verfahrens nicht gehindert sei, ihrerseits erneut mehrheitlich über eine strittige Jahresabrechnung zu beschließen, auch mit Folge der Erledigung des gerichtlichen Verfahrens, bedarf keiner Hervorhebung. Im Ausnahmefall handelt es sich hier bei richterlicher Gestaltung nicht nur um reine Rechtsanwendung, sondern auch um eine fürsorglich gestalterische Tätigkeit des Gerichts ( § 43 Abs. 2 WEG). Eine solche Ersetzungsbefugnis durch das Gericht erscheint rechtlich möglich und dürfte sinnvoller sein als der ebenfalls in Betracht kommende Anspruch eines Eigentümers auf Zustimmung des Miteigentümers, der sich weigert, einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung zuzustimmen.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 22.05.1991, 24 W 7393/90)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer