Leitsatz
Die Parteien hatten im Jahre 1985 geheiratet und waren durch Urteil des AG im September 2000 geschieden worden. Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wurde die Folgesache Versorgungsausgleich nicht betrieben, weil die Parteien mit notariellem Vertrag vom 17.8.1996 den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten. Eine gegen die im Verbundurteil enthaltene "Entscheidung zum Versorgungsausgleich" eingelegte Beschwerde wurde vom OLG als unzulässig verworfen. Im März 2004 hat die Ehefrau erneut beantragt, den Versorgungsausgleich durchzuführen und behauptet, Geschäftsgrundlage des Ehevertrages sei gewesen, dass der Ehemann die Darlehens- und Tilgungslasten für zwei ihr gehörende Eigentumswohnungen trage. Da er zahlungsunfähig geworden sei, sei die Geschäftsgrundlage für den Vertrag entfallen, weswegen der Ehemann sich nicht mehr auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs berufen könne.
Das AG hat festgestellt, dass der Versorgungsausgleich dem Grunde nach durchzuführen sei und ihn wegen der - vermeintlich - gegenläufigen Ausgleichsrichtung ausgesetzt.
Hiergegen legte der Ehemann Beschwerde ein und begehrte die Aufhebung des Beschlusses und Feststellung, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde.
Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde für zulässig, jedoch im Ergebnis für unbegründet.
Der Versorgungsausgleich könne zwar durch Ehevertrag ausgeschlossen werden. Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen dürfe aber nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werde.
Der Versorgungsausgleich sei - wie vom BGH bereits mehrfach aufgeführt - als gleichberechtigte Teilnahme beider Ehegatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen einerseits dem Zugewinnausgleich verwandt und wie dieser grundsätzlich ehevertraglichen Regelungen zugängig. Er sei jedoch andererseits als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen und daher nicht schrankenlos regelbar (vgl. BGH FamRZ 2005, 26).
Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssten deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Der Unterhalt wegen Alters gehöre zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts. Das Gesetz messe ihm als Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu. Ein vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei deshalb einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 BGB (Wirksamkeitskontrolle) sowie des § 242 BGB (Ausübungskontrolle) zu unterziehen.
Maßgebendes Kriterium sei jeweils ob und inwieweit der Ausschluss des Versorgungsausgleichs mit dem Gebot ehelicher Solidarität vereinbar erscheine.
Nach Auffassung des OLG hatte das FamG mit Recht der notariellen Vereinbarung schon auf der ersten Stufe die Wirksamkeit versagt. Während der gesamten Ehe hätten erhebliche Einkommensdifferenzen bestanden. Der Ehemann verfüge über ein recht hohes Einkommen, während die Ehefrau in den letzten Jahren vor Abschluss des Vertrages nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und keine hinreichende Altersvorsorge getroffen habe. All dies habe auf einer gemeinsamen Entscheidung der Parteien beruht. Da die Ehe der Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages bereits 11 Jahre bestanden habe und demzufolge ein großer Teil der Versorgungsanwartschaften schon erworben worden sei, könne ein entschädigungsloser Verzicht nicht mehr vereinbart werden, zumal schon damals abzusehen gewesen sei, dass die Ehefrau auf den Versorgungsausgleich angewiesen sein würde, um eine angemessene Altersvorsorge zu erlangen.
Hinzukomme, dass die Ehefrau auf jeglichen nachehelichen Unterhalt verzichtet habe, obgleich nach Angaben des Ehemannes Zweck des Ehevertrages gewesen sei, sie für den Fall der Scheidung abzusichern.
Gleichwohl sei auf ihre Belange und Interessen in dem Vertrag keine Rücksicht genommen worden.
Der Versorgungsausgleich sei daher grundsätzlich durchzuführen.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 12.05.2006, 10 UF 243/05