Leitsatz
Die Großeltern eines minderjährigen Kindes erstrebten die Übertragung der vorläufigen Vormundschaft für ihren Enkel auf sich. Den Eltern war aufgrund ihrer Erziehungsunfähigkeit die elterliche Sorge entzogen und vorläufig auf das Jugendamt als "Pfleger" übertragen worden. Das Jugendamt hatte entschieden, dass der Junge in einer Pflegefamilie leben sollte, wo er sich seit dem 14.9.2004 aufhielt.
Die Großeltern wehrten sich gegen den Beschluss des Familiengerichts und begehrten die Übertragung der vorläufigen Vormundschaft auf sich.
Ihr Rechtsmittel hatte überwiegend Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG änderte den erstinstanzlichen Beschluss ab und übertrug die elterliche Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Großeltern als vorläufige Vormünder mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht weiterhin dem Jugendamt übertragen blieb.
In seiner Entscheidung wies es darauf hin, dass bei der Vormundauswahl bei Vorhandensein mehrerer geeigneter Personen u.a. der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels und die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel gemäß § 1797 BGB zu beachten sei. Nach § 1779 Abs. 2 BGB solle das Vormundschaftsgericht eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet sei. Seien Verwandte zur Führung der Vormundschaft vorhanden, dürften andere Personen grundsätzlich nur dann zum Vormund bestellt werden, wenn die Verwandten hierfür nicht geeignet seien (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 18.12.2008 (1 BVR 2604/06), betreffend dieses Verfahren).
Die genannten Kriterien führten dazu, dass die vorläufige Vormundschaft mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts den Großeltern zu übertragen sei, die die aufgezeigten Voraussetzungen erfüllten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass die Antragsteller zur Übernahme der Vormundschaft geeignet seien. Dies ergebe sich aus dem mündlich erläuterten Gutachten der Sachverständigen, die auf der Grundlage der von ihr angestellten umfassenden Explorationen den Schluss gezogen habe, dass die Großeltern erziehungsfähig seien. Aus ihrer Sicht sei davon auszugehen, dass es ihnen allein um das Kindeswohl gehe. Neurotische Motive für den "Kampf" um die Vormundschaft seien ebenso auszuschließen wie querulatorische Charakterzüge.
Dies decke sich auch mit den Erkenntnissen, die der Senat im Termin gewonnen habe. Auch dort hätten sich die Großeltern, die inzwischen ein gutes Verhältnis zu den Pflegeeltern des Kindes entwickelt hätten, kooperativ gezeigt und glaubhaft bekräftigt, dass es ihnen im Interesse des Kindes um eine engagierte Wahrnehmung der Vormundschaft gehe. Es sei ihr Wunsch, ihren Enkel gemeinsam mit seinen Pflegeeltern zu fördern und zu betreuen und die Dinge für das Kind zu tun, für die einem Amtsvormund nicht ausreichend Zeit bleibe.
Nach Auffassung des OLG erforderte es das Kindeswohl, den Aufenthalt des Kindes in seiner Pflegefamilie durch Beibehaltung des vorläufigen Aufenthaltsbestimmungsrechts des Kreisjugendamtes abzusichern. Wegen der drohenden psychischen Folgen eines Aufenthaltswechsels sei es geboten, dass das Kind weiterhin in seiner gewohnten Umgebung bleibe. Der Wechsel in eine andere Familie bedeute für das Kind, das schon zu Beginn seines Lebens durch die Trennung von seinen leiblichen Eltern eine traumatische Erfahrung habe machen müssen, eine äußerst schwere Belastung, die vermieden werden müsse.
Wegen der drohenden psychischen Folgen eines Aufenthaltswechsels müsse daher das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch weiterhin beim Jugendamt verbleiben.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.11.2009, II-4 UF 110/06