Leitsatz
Die Parteien stritten sich nach rechtskräftiger Scheidung um den nachehelichen Unterhalt. Die Beklagte erzielte aus Teilzeitarbeit ein monatliches Nettoeinkommen von 890,00 EUR. Der Kläger erzielte noch bis 30.6.2002 zuletzt monatliche Nettoeinkünfte i.H.v. 2.988,00 EUR. Er kündigte seine Stellung bei der R. GmbH zum 30.6.2002, ohne einen anderweitigen Arbeitsvertrag geschlossen oder sich für vergleichbare andere Stellen beworben zu haben. Er ließ sich vielmehr ab 1.7.2002 bei seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau zu einem Bruttogehalt von 3.000,00 EUR anstellen, was einem Nettoeinkommen von 1.734,00 EUR entsprach. Seine Belastungen beliefen sich zuletzt demgegenüber auf 1.714,00 EUR. Auf Antrag des Klägers wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 14.7.2003 über sein Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Restschuldbefreiung ist beantragt. Der Insolvenzverwalter gewährte der Beklagten ab 1.8.2003 Ehegattenunterhalt i.H.v. monatlich 514,89 EUR.
Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens war der Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, an die Beklagte ab 1.8.2000 Unterhalt von 1.926,00 DM monatlich zu zahlen. Im vorliegenden Verfahren hatte er zunächst beantragt festzustellen, dass er ab dem 1.7.2002 der Beklagten Unterhalt nicht mehr schulde. Die Beklagte erhob Widerklage und machte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab 1.8.2003 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 985,00 EUR geltend. Der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem gemeinsamen Sohn der Parteien i.H.v. 185 % des Regelbetrages kam der Kläger weiterhin nach.
Das erstinstanzliche Gericht ging davon aus, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz bei der R. GmbH unterhaltsrechtlich leichtfertig aufgegeben hat und hat ihm fiktive Einkünfte i.H.v. monatlich 2.925,00 EUR zugerechnet. Es hat festgestellt, dass sich der Klageantrag erledigt habe und hat den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte ab 15.7.2003 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 985,00 EUR zu zahlen, abzüglich der seit 1.8.2003 vom Insolvenzverwalter gezahlten monatlich 514,89 EUR.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, die das OLG für überwiegend begründet hielt.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Streitgegenständlich war in der Berufungsinstanz nur noch der widerklagend geltend gemachte laufende Unterhalt ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da das AG nach Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 InsO im Übrigen nur hierüber entschieden hat.
Soweit das AG Unterhalt auch für Juli 2003 zugesprochen hat, verstößt das angegriffene Urteil gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO, so dass die Berufung des Klägers insoweit bereits aus diesem Grunde begründet ist.
Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung ist der Unterhalt auf der Grundlage eines fiktiven Nettoeinkommens des Klägers i.H.v. 2.988,00 EUR zu bemessen. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 ff. = MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536 m. Anm. Kühner = FamRZ 2003, 590 ff.; FamRZ 2003, 848 ff.) bestimmt sich der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten gem. § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen, was jedoch die Berücksichtigung nachehelicher Entwicklungen nicht ausschließt.
Nach der Scheidung eintretende Einkommensverminderungen können nicht grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Etwas anderes gilt aber dann, wenn sie auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten beruhen.
Die Aufgabe seines Arbeitsplatzes bei der R. GmbH ist als Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Klägers zu werten. Unstreitig hat er diese Stelle aufgegeben, ohne dass er einen Arbeitsvertrag über eine gleichwertige Stelle abgeschlossen hatte. Der Kläger hat sich ebenfalls unstreitig um eine vergleichbare Arbeitsstelle nicht bemüht, sondern sich nach seinem eigenen Vortrag bereits im Mai 2002 bereit erklärt, im Internet-Handel seiner Lebensgefährtin tätig zu werden.
Durch die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens hat sich die unterhaltsrechtliche Situation allerdings geändert. Nachdem der Gesetzgeber mit den §§ 304 ff., 286 ff. InsO die Möglichkeit einer Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung geschaffen hat, ist es dem Unterhaltsschuldner möglich, den ohne Berücksichtigung von Drittschulden bemessenen laufenden Unterhalt zu zahlen und nach Ablauf von sechs Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befreiung von seinen Schulden zu erlangen. Die Verbraucherinsolvenz und die Regularien der Restschuldbefreiung sind nach Auffassung des Senats bedarfsprägend. Insoweit hat der BGH entschieden, dass den Unterhaltsschuldner grundsätzlich eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz trifft, wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt seiner minderjährigen Kinder dadurch sicherzustellen, dass ihm der Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten eingeräumt wird. Die Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz macht nur dann Sinn, wenn die Folgen der Insolvenze...