Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkungen der Verbraucherinsolvenz im Unterhaltsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Die Verbraucherinsolvenz und die Regularien der Restschuldbefreiung (vgl. § 287 Abs. 2, 294 Abs. 1 InsO) sind unterhaltsrechtlich bedarfsprägend (Fortführung von BGH FamRZ 2005, 608).
Normenkette
BGB § 1578; InsO § 294 Abs. 1, § 287 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Sinsheim (Urteil vom 15.02.2005; Aktenzeichen 20 F 254/02) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers/Widerbeklagten wird das Urteil des AG - FamG - Sinsheim vom 15.2.2005 (20 F 254/02) im Kostenpunkt aufgehoben und in Ziff. 1 wie folgt abgeändert:
Der Kläger/Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte/Widerklägerin monatlich Unterhalt wie folgt zu bezahlen:
I. ab 1.8.2003 571 EUR,
II. ab 1.11.2003 552 EUR
III. ab 1.7.2005 603 EUR,
jeweils abzgl. vom Insolvenzverwalter gezahlter monatlicher 514,89 EUR.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 58 % und die Beklagte 42 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Beklagte nimmt den Kläger auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch.
Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil des FamG Sinsheim vom 24.4.2001 (inzwischen rechtskräftig) geschieden. Aus der Ehe ist der Sohn T., geboren am 1.11.1997, hervorgegangen. Seit Januar 2001 erzielte die Beklagte nach den Feststellungen des AG aus Teilzeitarbeit ein monatliches Nettoeinkommen von 890 EUR. Der Kläger, der über eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann verfügt und seit 1994 im pharmazeutischen Bereich tätig war, erzielte bei der R. Deutschland GmbH ausweislich einer Gehaltsabrechnung vom Februar 2002 während der Ehe und noch bis 30.6.2002 zuletzt monatliche Nettoeinkünfte i.H.v. 2.988 EUR. Im Mai 2002 meldete die damalige Lebensgefährtin des Klägers - die er zwischenzeitlich geheiratet hat - einen Internet-Textilhandel an. Hintergrund dieser Anmeldung war nach dem Vortrag des Klägers auch, dass er sich bereit erklärt hatte, in dieser neuen Firma tätig zu sein. Die angemeldete Tätigkeit sollte am 1.7.2002 - mit dem Ausscheiden des Klägers bei der R. GmbH - aufgenommen werden. Ohne einen anderweitigen Arbeitsvertrag geschlossen zu haben, kündigte der Kläger seine Stellung bei der R. GmbH zum 30.6.2002. Für vergleichbare andere Stellen hat sich der Kläger nicht beworben. Vielmehr ließ er sich ab 1.7.2002 bei seiner Lebensgefährtin zu einem Bruttogehalt von 3.000 EUR anstellen, was einem Nettoeinkommen von 1.734 EUR entspricht. Die vom Kläger vorliegend zuletzt geltend gemachten Belastungen belaufen sich demgegenüber auf 1.714 EUR. Auf Antrag des Klägers wurde mit Beschluss des AG - Insolvenzgericht - M. vom 14.7.2003 über sein Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Restschuldbefreiung ist beantragt. Der Insolvenzverwalter gewährt der Beklagten ab 1.8.2003 Ehegattenunterhalt i.H.v. monatlich 514,89 EUR.
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens wurde der Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung durch Beschl. v. 23.2.2001 verpflichtet, an die Beklagte ab 1.8.2000 Unterhalt i.H.v. 1.926 DM monatlich zu zahlen. Nachdem der Kläger im vorliegenden Verfahren zunächst beantragt hatte festzustellen, dass er ab dem 1.7.2002 der Beklagten keinen Unterhalt mehr schulde, machte die Beklagte im Wege der Widerklage - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ab 1.8.2003 - einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 985 EUR geltend.
Der Kläger hat sich durch Jugendamtsurkunde verpflichtet, an den gemeinsamen Sohn Kindesunterhalt i.H.v. 185 % des Regelbetrages zu zahlen. Dieser Verpflichtung kommt der Kläger nach.
Das AG, das davon ausgegangen ist, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz bei der R. GmbH unterhaltsrechtlich leichtfertig aufgegeben hat, hat dem Kläger fiktive Einkünfte i.H.v. monatlich 2.925 EUR zugerechnet. Es hat festgestellt, dass sich der Klageantrag erledigt habe und hat den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte ab 15.7.2003 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 985 EUR zu zahlen, abzgl. der seit 1.8.2003 vom Insolvenzverwalter gezahlten monatlich 514,89 EUR.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er macht geltend, als er seine Stelle bei der R. GmbH gekündigt habe, habe er eine mündliche Zusage einer anderen Firma gehabt, dort zu einem Jahresgehalt von 195.000 DM (brutto) angestellt zu werden. Diese Zusage habe sich leider später nicht realisiert. Bei seiner Ausbildung habe er keine Chance, eine ebenso dotierte Stelle wie bei der R. GmbH zu erhalten. Das AG habe ihn auch nicht darauf hingewiesen, dass er verpflichtet sei, sich um eine höher dotierte Stellung zu bemühen. Da er aber unbedingt arbeiten wolle, habe er die Chance ergriffen, im Internet-Handel seiner Lebensgefährtin einzusteigen. Zwar habe er - um die Lohnnebenkosten des Internet-Handels zu senken - zwischenzeitlich einer Herabsetzung seines Gehalts zugestimmt, er wolle sich aber unterhaltsrechtlich an einem Nettoeinkommen von 1.734 EUR monatlich festhal...