Leitsatz
Die Parteien des Rechtsstreits waren im Jahre 1997 rechtskräftig geschieden worden. Eine Regelung zum nachehelichen Unterhalt war nicht erfolgt. Die Ehefrau war seit April 1999 arbeitsunfähig erkrankt und nahm den Ehemann auf Zahlung nachehelichen Unterhalts ab Mai 2004 in Anspruch. Ihre Klage wurde in I. Instanz abgewiesen. Das hiergegen von ihr eingelegte Rechtsmittel hatte weitgehend Erfolg.
Sachverhalt
Zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung ihrer Ehe im Juli 1997 waren beide Parteien vollschichtig erwerbstätig. Eine Regelung zum nachehelichen Unterhalt erfolgte in einem Scheidungsfolgenvergleich nicht. Dort wurde vielmehr vereinbart, dass Ehegattenunterhalt "zur Zeit nicht geltend gemacht" werde.
Die Ehefrau ist seit April 1999 wegen eines Bandscheibenleidens arbeitsunfähig erkrankt und bezieht seit August 1999 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Ehefrau machte geltend, diese Erkrankung sei zum Zeitpunkt der Ehescheidung bereits latent vorhanden gewesen. Den von ihr im Jahre 1999 eingereichten Klageentwurf zur Erhebung einer Stufenklage verfolgte sie nicht weiter, nachdem ihr Prozesskostenhilfe hierfür nicht bewilligt worden war.
Sie nahm den geschiedenen Ehemann erneut auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt ab Mai 2004 in Anspruch. Das Familiengericht wies ihre Klage mit der Begründung ab, der für die Gewährung von Krankenunterhalt erforderliche Einsatzzeitpunkt sei nicht gewahrt, ihr Unterhalt sei bei Scheidung durch eigene Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert gewesen. Ein verbleibender geringfügiger Einkommensunterschied sei nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung nicht auszugleichen.
Gegen dieses Urteil legte die Ehefrau Berufung ein, die das OLG als weitgehend begründet ansah.
Entscheidung
Das OLG folgt der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts insoweit, als auch nach dortiger Auffassung der erforderliche zeitliche Zusammenhang der Erkrankung mit der Ehescheidung nicht gewahrt ist. Zwar werde es für die Entstehung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1572 BGB als ausreichend erachtet, wenn eine Krankheit zu einem der Einsatzpunkte nur latent vorhanden war, in nahem zeitlichen Zusammenhang damit ausgebrochen ist und zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat. Ein solcher naher zeitlicher Zusammenhang sei jedoch nicht gegeben. Zwischen Rechtskraft der Ehescheidung im Juli 1997 und dem Ausbruch der Erkrankung im April 1999 lag ein Zeitraum von 21 Monaten. Der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit könne damit nicht mehr dem Zeitpunkt der Scheidung zugerechnet werden. Eine andere Betrachtungsweise würde der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen, schicksalsbedingte Ereignisse, die sich nach der Scheidung im Leben eines der geschiedenen Ehegatten einstellen, grundsätzlich nicht zu Lasten des anderen Ehegatten gehen zu lassen (vgl. BGH in FamRZ 2001, 1291 ff.; Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4 Rz. 100).
Im vorliegenden Fall schließt sich allerdings der Krankenunterhalt unmittelbar an den Wegfall der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB an. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts stand der Ehefrau seit der Ehescheidung durchgängig ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gegen den Beklagten zu, den sie nicht geltend gemacht hat. Ihr Einkommen war durchgehend geringer als das Einkommen des Ehemannes. Die bestehende Differenz zwischen dem Gehalt beider war nicht derart geringfügig, dass ein Ausgleich nicht zu gewähren gewesen wäre.
Das OLG weist deutlich darauf hin, dass nach § 1585b Abs. 2 BGB nachehelicher Unterhalt erst von der Zeit an gefordert werden kann, in der der Unterhaltsverpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. § 1613 Abs. 1 S. 2 BGB ist auf den nachehelichen Unterhalt nicht entsprechend anwendbar; § 1585b Abs. 1 BGB verweist lediglich auf § 1613 Abs. 2.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Urteil vom 29.09.2005, 7 UF 284/05