Leitsatz

Kann von einer vollständigen Abfindung des verzichtenden Erben ausgegangen werden, wird als allgemeiner Erfahrungssatz angenommen, dass sich ein hierfür erklärter Zuwendungsverzicht nach dem Willen des oder der Testoren auch auf den gesamten Stamm erstreckt, die Ersatzerbenanordnung also für diesen Fall nicht gelten soll. Hierbei kommt es darauf an, ob die Abfindung so werthaltig ist, dass sich das vom Willen des Erblassers getragene Verteilungskonzept realisiert.

 

Sachverhalt

Die Beteiligte zu 1) ist Tochter, der Beteiligte zu 2) ein Enkel der Erblasserin. Diese hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet, in welchem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre 2 Kinder zu Schlusserben zu gleichen Teilen einsetzten. Deren eheliche Abkömmlinge sollten Ersatzerben sein.

Nach dem Tod ihres Mannes wurde die Erblasserin Alleineigentümerin zweier Grundstücke. Eines hiervon übertrug sie mit Zustimmung der Beteiligten zu 1) durch notariellen Vertrag auf den Vater des Beteiligten zu 2), ihren Sohn. Dieser übernahm im Gegenzug eine seinerzeit auf ca. 82.000 DM valutierende Grundschuld und verpflichtete sich der Erblasserin eine monatliche Rente von 1.500 DM zu zahlen. Zudem verzichtete er auf sämtliche Erb- und Pflichtteilsansprüche nach seinem Vater und erklärte sich auch hinsichtlich dieser künftigen Ansprüche nach der Erlasserin als vollständig abgefunden.

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Alleinerbscheins. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Beteiligten zu 2) wies das LG zurück. Auch seine weitere Beschwerde - die sich gegen die Annahme einer vollstänigen Abfindung richtet - bleibt ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Der von Vater des Beteiligten zu 2) erklärte Zuwendungsverzicht nach § 2352 BGB führte zu einem Wegfall seiner Ersatzerbenstellung.

Zwar erstreckt sich ein Zuwendungsverzicht eines Abkömmlings grundsätzlich nicht auf dessen Abkömmlinge, da § 2349 BGB mangels einer entsprechenden Verweisung in § 2352 BGB keine Anwendung findet, doch ist hiervon in diesem Fall nach ergänzender Testamentsauslegung auszugehen. Kann von einer vollständigen Abfindung des verzichtenden Erben ausgegangen werden, wird ein allgemeiner Erfahrungssatz angenommen, dass sich ein hierfür erklärter Zuwendungsverzicht nach dem Willen des oder der Testoren auch auf den gesamten Stamm erstreckt, die Ersatzerbenanordnung also für diesen Fall nicht gelten soll.

Soweit der Beteiligte zu 2) anführt, es habe sich nicht um eine vollständige Abfindung seines Vaters gehandelt, so kann dem nicht gefolgt werden. Hierbei kommt es darauf an, ob die Abfindung so werthaltig ist, dass sich das vom Willen des Erblassers getragene Verteilungskonzept realisiert.

Vorliegend waren die Mieterträge aus dem überlassenen Grundstück doppelt so hoch wie die übernommene Rentenverpflichtung, so dass der Begünstigte zu deren Erfüllung nicht auf sein eigenes Vermögen zurückgreifen muss. Zudem kam den Erblassern gerade darauf an, dass ihre Kinder erst nach dem Tod des Letztversterbenden an ihrem Nachlass partizipieren, wie sie durch eine Pflichtteilsklausel zum Ausdruck brachten. In dieser Konstellation ist die übernommene Rentenverpflichtung wertmäßig nicht von dem Grundstückswert abzuziehen.

Und auch im Übrigen ist das übertragene Grundstück auch nach Abzug der Belastungen noch immer ca. 15.000 € mehr wert als das bei der Erblasserin verbliebene Grundstück.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2009, I-15 Wx 312/08

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?