Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 1016
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Beschlagnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 880, und den übrigen Stichworten, sowie bei → Durchsuchung, Allgemeines, Teil D Rdn 1770.
Rdn 1017
1. Die Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten beschränkt sich bei der Beschlagnahme – ebenso wie bei der Durchsuchung – im Wesentlichen auf die nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Maßnahme (→ Durchsuchung, Allgemeines, Teil D Rdn 1769). Diese Kontrolle setzt die Kenntnis der wesentlichen Rechtsfragen/-probleme voraus. Dazu will die nachfolgende Rechtmäßigkeits-Checkliste Hilfestellung leisten; wegen der Einzelh. wird auf die Komm. bei Meyer-Goßner/Schmitt, §§ 94 ff., KK/Greven, §§ 94 ff. und LR-Menges, §§ 94 ff. verwiesen. Da die Probleme bei der Durchsuchung und der Beschlagnahme weitgehend deckungsgleich sind, gilt ergänzend → Durchsuchung, Rechtmäßigkeits-Checkliste, Teil D Rdn 2009.
Rdn 1018
2. Die Rechtmäßigkeitskontrolle erfordert zunächst, dass der Verteidiger klärt, wer die Beschlagnahme angeordnet hat, da sich danach etwa gegebene Rechtsmittel/Rechtsbehelfe und auch z.T. die Voraussetzungen für die Anordnung der Beschlagnahme richten. Für diese Frage gelten die Ausführungen bei → Durchsuchung, Rechtmäßigkeits-Checkliste, Teil D Rdn 2012, entsprechend.
Rdn 1019
3. Ist geklärt, wer die Maßnahme angeordnet hat, muss der Verteidiger Einzelfragen der Rechtmäßigkeit prüfen. Dazu muss er sich die in dem nachfolgenden Fragenkatalog aufgeführten Fragen stellen und beantworten (→ Beschlagnahme, Beweisverwertungsverbote, Teil B Rdn 983 ff.).
Rdn 1020
1. War der anordnende Richter für die Entscheidung zuständig?
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Zuständig ist gem. den §§ 98 Abs. 1, 162, 169 grds. der (Ermittlungs-)Richter, und zwar der, in dessen Bezirk die beantragende StA oder ihre Zweigstelle ihren Sitz hat. Ist die Sache (schon) beim Gericht anhängig, ist dieses zuständig. |
Rdn 1021
2. Ist die Beschlagnahmeanordnung ggf. wegen Ablaufs ihrer auf höchstens sechs Monate begrenzten zeitlichen Geltungsdauer schon außer Kraft getreten?
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Das muss der Verteidiger anhand der Rspr. des BVerfG zur begrenzten zeitlichen Geltungsdauer von Durchsuchungsanordnungen prüfen (BVerfG NJW 1997, 2165; LG Köln StraFo 2004, 239; LG Neuruppin NStZ 1997, 563; s. aber BVerfG NJW 2002, 1410; Meyer-Goßner, § 98 Rn 30a; → Beschlagnahme, Beweisverwertungsverbote, Teil B Rdn 993; → Durchsuchung, Beweisverwertungsverbote, Teil D Rdn 1933 ff.). |
Rdn 1022
3. Hat "Gefahr im Verzug" vorgelegen?
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Zur Beantwortung der Frage muss die Rspr. des BVerfG zur "Gefahr im Verzug" herangezogen werden (grundlegend NJW 2001, 1121). Diese zur Durchsuchung ergangene Entscheidung hat auch für die Beschlagnahme Bedeutung. Das BVerfG hat den sog. Richtervorbehalt gestärkt. Der Begriff "Gefahr im Verzug" unterliegt als "unbestimmter Rechtsbegriff" einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle (s.a. → Durchsuchung, Anordnung, Verfahren/Gefahr im Verzug, Teil D Rdn 1829 ff., m.w.N. aus der Rspr. des BVerfG). Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass das BVerfG (BVerfGK 1, 65; HRRS 2008 Nr. 393) die strengen Voraussetzungen, die für die Anordnung einer Durchsuchung gelten, nicht ohne Weiteres auf die Beschlagnahme überträgt, da es sich hier "nur" um einen Eingriff in Art. 14 GG handelt. |
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Falls "Gefahr im Verzug" vorgelegen hat, durften auch die StA oder → Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, Teil E Rdn 2376) die Beschlagnahme anordnen. Das gilt aber nicht, wenn es sich um eine der in § 98 Abs. 1 S. 2 genannten Beschlagnahmen, z.B. bei einem Verlag, einer Druckerei oder in den Räumen einer Redaktion, handelt. |
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Ist eine Ermittlungsperson tätig geworden, bedurfte deren Beschlagnahmeanordnung – im Gegensatz zum richterlichen Beschluss – keiner Begründung. |
Rdn 1023
4. Bezeichnung des Beschlagnahmegegenstandes als Beweismittel?
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In der Beschlagnahmeanordnung muss die Feststellung enthalten sein, dass der zu beschlagnahmende Gegenstand als Beweismittel in Betracht kommt (zur Beschlagnahme ohne [vorherige] Beschlagnahmeanordnung Kemper wistra 2006, 171). |
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Der Erlass einer nur allgemeinen Beschlagnahmeanordnung ist unzulässig (BVerfG NJW 1994, 2079; NStZ 2000, 601; z.B. LG Essen ZWH 2012, 379 [für Verdacht der Beihilfe zur "Verkürzung bisher unbekannter Steuerarten, Zeiträume und Haupttäter"]; → Beschlagnahme, Anordnung, Teil B Rdn 894). |
Rdn 1024
5. Potentielle Beweisbedeutung?
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Erforderlich ist außerdem eine – zumindest potenzielle – Beweisbedeutung des zu beschlagnahmenden Gegenstandes (Meyer-Goßner/Schmitt, § 94 Rn 6 m.w.N.; → Beschlagnahme, Voraussetzungen, Teil B Rdn 1083). Das gilt vor allem bei der Beschlagnahme von E-Mails (→ Beschlagnahme, Durchführung, Teil B Rdn 1010 ff.). |
Rdn 1025
6. Genaue Beschreibung des Beschlagnahmegegenstandes?
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Der zu beschlagnahmende Gegenstand muss genau genug beschrieben sein (u.a. BVerfG NJW 2003, 2669; HRRS 2008 Nr. 393; BGH NStZ 2002, 215). Eine nur allgemeine/pauschale Beschreibung reicht nicht (→ Beschlagnahme, Anordnung, Teil B Rdn 894 ff. ... |