Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 999
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Besetzungseinwand, Teil B Rdn 965.
Rdn 1000
1. Nach § 222a muss (nur) in erstinstanzlichen LG- und OLG-Strafverfahren die Besetzung des Gerichts mitgeteilt werden. Das kann in unterschiedlicher Form geschehen.
Rdn 1001
2.a) Die Mitteilung muss gem. § 222a Abs. 1 S. 1 spätestens zu Beginn der HV (→ Gang der Hauptverhandlung, Aufruf der Sache, Teil G Rdn 2013) durch den Vorsitzenden erfolgen, der allerdings zunächst nach § 243 Abs. 1 S. 2 die Anwesenheit der Prozessbeteiligten und der Beweismittel feststellen kann (→ Gang der Hauptverhandlung, Präsenzfeststellung, Teil G Rdn 2023). Die Mitteilung muss aber vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache gemacht werden (BVerfG NJW 2003, 3545; BGH NJW 2001, 3062), da danach der → Besetzungseinwand, Teil B Rdn 965, ausgeschlossen ist. Ist die Mitteilung verspätet, bleibt den Beteiligten nach § 338 Nr. 1 Buchst. b) bb) für die Revision die Besetzungsrüge erhalten (zur Vollständigkeit des Vortrags bei der Besetzungsrüge BGHSt 40, 218; BGH NStZ 1995, 221 [M]). Nach § 222a Abs. 1 S. 2 kann die Besetzung aber auch schon vor Beginn der HV mitgeteilt werden (Teil B Rdn 1003 ff.).
Rdn 1002
b) Die Mitteilung muss inhaltlich die Namen der Berufsrichter und Schöffen, einschließlich der beigezogenen Ergänzungsrichter und -schöffen (§ 192 Abs. 2, 3 GVG), sowie die Bezeichnung der Eigenschaft, in der sie mitwirken, insbesondere unter Hervorhebung des Vorsitzenden, nicht aber des sog. Berichterstatters, enthalten (dazu BGH, Beschl. v. 6.1.2021 – 5 StR 519/20, StV 2021, 800 zum Inhalt der Besetzungsmitteilung, wenn sich gegenüber der vor der HV mitgeteilten Besetzung (Teil B Rdn 1003 ff.) (mehrfach) Änderungen ergeben haben).
Rdn 1003
3.a)aa) Nach § 222a Abs. 1 S. 2 kann die Gerichtsbesetzung auf Anordnung des Vorsitzenden auch schon vor der HV mitgeteilt werden. Nach § 222a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 a.F. war die Besetzungsmitteilung für den Angeklagten formlos an dessen Verteidiger zu richten. Nach dem durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" 2019 neu gefassten § 222a Abs. 1 S. 2 ist nun grds. die förmliche Zustellung der Besetzungsmitteilung vor der HV vorgesehen. Durch das Erfordernis der Zustellung wird der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Besetzungsmitteilung sicher feststellbar, um den Beginn der einwöchigen Rügefrist nachvollziehen zu können (→ Besetzungseinwand, Teil B Rdn 965). Zudem knüpfen sich an die Besetzungsmitteilung (Ausschluss-)Fristen, die für das Vorabentscheidungsverfahren über Besetzungsrügen sowie für die Änderungen des Befangenheitsrechts (→ Ablehnungszeitpunkt, Teil A Rdn 173 ff.; Burhoff StRR 6/2020, 6) von Bedeutung sind.
Rdn 1004
bb) Auf die Zustellung finden die allgemeinen Vorschriften Anwendung (→ Zustellungsfragen, Teil Z Rdn 4402; Meyer-Goßner/Schmitt, § 222a Rn 10; BT-Drucks. 19/14747, S. 30). Das bedeutet, dass der Verteidiger unter den Voraussetzungen des § 145a Abs. 1 als ermächtigt gilt, die Zustellung der Besetzungsmitteilung für den Angeklagten in Empfang zu nehmen (→ Verteidiger, Vollmacht des Verteidigers, Teil V Rdn 3923).
☆ Das Gericht kann, muss aber nicht an den Verteidiger zustellen (s. aber a. § 145a Abs. 3 S. 2). Das bedeutet also, dass der Verteidiger von der Zustellung an dem Mandanten ggf. zunächst nicht und/oder so verspätet erfahrt, dass ggf. Fristablauf für den Besetzungseinwand nach § 222b droht. Der Mandant muss also auf jeden Fall darauf hingewiesen werden, den Verteidiger unverzüglich von der Zustellung der Besetzungsmitteilung zu informieren (s.a. Schork NJW 2020, 1, 2 und Schlothauer , a.a.O., S. 175 ff.).Verteidiger unverzüglich von der Zustellung der Besetzungsmitteilung zu informieren (s.a. Schork NJW 2020, 1, 2 und Schlothauer, a.a.O., S. 175 ff.).
Rdn 1005
Die Besetzungsmitteilung ist grds. auch den übrigen zur Rüge der Gerichtsbesetzung und zur Stellung von Befangenheitsanträgen berechtigten Verfahrensbeteiligten zuzustellen. Die Frist für den → Besetzungseinwand, Teil B Rdn 965) läuft für jeden Verfahrensbeteiligten gesondert. Soweit eine förmliche Zustellung an einzelne Beteiligte unterbleibt, wird die Frist für den jeweiligen Beteiligten nicht in Gang gesetzt.
Rdn 1006
b) Ist die Besetzung nicht mindestens eine Woche vor Beginn der HV mitgeteilt worden, besteht nach § 222a Abs. 2 die Möglichkeit der Unterbrechung der HV für den Fall, und zwar wie folgt:
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Wird die Besetzungsmitteilung später als eine Woche vor Beginn der HV zugestellt oder die Besetzung erst zu Beginn der HV bekannt gemacht, kann nach § 222a Abs. 2 die HV weiterhin auf Antrag des Angeklagten, des Verteidigers oder der StA zum Zwecke der Prüfung der Besetzung unterbrochen werden, wenn dies spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache verlangt wird (Meyer-Goßner/Schmitt, Rn 17 ff. m.w.N.; s.a. Lantermann HRRS 2022, 32, 34 f.). |
☆ Der Verteidiger muss diesen Antrag auf jeden Fall stellen , um so die Vorschriftsmäßigkeit der Besetzung parallel zur laufenden HV prüfen zu k...