Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbliebene Besetzungsmitteilung. Vorabentscheidungsverfahren. Statthaftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Statthaftigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222b Abs. 3 StPO reicht nur soweit, wie auch eine Rügeobliegenheit nach § 222b Abs. 1 S. 1 StPO besteht. Die Statthaftigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222b Abs. 3 StPO setzt daher voraus, dass eine gebotene Besetzungsmitteilung nach §222 a StPO tatsächlich bis spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung im Sinne dieser Vorschrift erfolgt ist.
Normenkette
StPO §§ 222a, 222b
Tenor
Der Besetzungseinwand des Angeklagten vom 19.01.2024 sowie die Besetzungseinwände der Nebenkläger 1) - 3) vom 24.01.2024 werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageverfügung vom 01.02.2024 beantragt, die Rügen der vorschriftswidrigen Besetzung der Strafkammer als unbegründet zurückzuweisen. Sie hat zum Verfahrensgang Folgendes ausgeführt:
"Die 4. große Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Köln hat den Angeklagten [geändert durch den Senat] am 17.03.2022 wegen Totschlags in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Auf die Revision der Nebenkläger hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.03.2022 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (Bl. 3516 ff. d. ZA).
Der Vorsitzende der nunmehr zuständigen 5. großen Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Köln hat vom 12.01.2024 bis zum 12.04.2024 22 Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung anberaumt. Als Hauptschöffin ist u. a. die Krankenschwester F. G. dem Verfahren zugelost worden und per Postzustellungsurkunde vom 07.12.2023 ordnungsgemäß geladen worden. [...]
Zu dem um 09:15 Uhr beginnenden ersten Hauptverhandlungstermin am 12.01.2024 ist die Schöffin G. nicht erschienen.
Die von dem Vorsitzenden daraufhin versuchte telefonische Kontaktaufnahme mit der Schöffin ist ebenso ohne Erfolg verlaufen wie eine Recherche im Telefonbuch und im Internet. Um 09:30 Uhr hat der Vorsitzende daraufhin die Aufnahme von polizeilichen Ermittlungen an der Wohnanschrift der Schöffin veranlasst und die Hauptverhandlung zunächst bis 10:45 Uhr unterbrochen. Um 10:20 Uhr hat die Geschäftsstelle des Landgerichts mitgeteilt, die Polizei habe Kontakt zu der Schöffin herstellen können. Die Schöffin habe mitgeteilt, sie habe bei Gericht angerufen und mitgeteilt, sie sei aufgrund ihrer Arbeitstätigkeit an der Terminswahrnehmung gehindert und habe [ergänzt durch den Senat] daher ihre Teilnahme "abgesagt".
Der Versuch der Kammer, die Schöffin über die nunmehr bekannte Mobilfunknummer zu erreichen, ist zunächst [ergänzt durch den Senat] ohne Erfolg verlaufen, da der Anruf nicht entgegengenommen worden ist. In einem in der Folge zustande gekommenen Telefonat hat die Schöffin dem Vorsitzenden mitgeteilt, sie sei durch ihre Arbeitstätigkeit verhindert. Nachweise für ihre Verhinderung habe sie nicht. Der Dienstplan werde erst in der kommenden Woche erstellt. Sie könne zwar zum heutigen Hauptverhandlungstermin noch nachträglich erscheinen, aber alle Hauptverhandlungstermine könne sie unmöglich wahrnehmen, da ihr Chef damit nicht einverstanden sei. Der Vorsitzende hat daraufhin das Telefonat mit den Worten beendet, sie bleibe der Hauptverhandlung unentschuldigt fern und die Kammer werde über Ordnungsmaßnahmen befinden (Bl. 3775 d. EZA).
Der Vorsitzende hat aus diesem Anlass vermerkt und verfügt, die Schöffin G. werde von ihrer Dienstleistung in der Hauptverhandlung nach § 54 Abs. 2 S. 2 StPO entbunden. Sie habe sich zu Beginn der Hauptverhandlung nicht eingefunden und ihr Erscheinen könne ohne weitere erhebliche Verzögerungen des Beginns der Hauptverhandlung nicht sichergestellt werden. Ferner sei sie nicht gewillt zu den Folgeterminen zu erscheinen.
Nach der Entpflichtung der Schöffin G. ist der Strafkammer um 11:29 Uhr als nächste bereite Schöffin von der Ersatzschöffenliste Frau V. P. zugewiesen worden (Bl. 3776 d. EZA).
Da die Schöffin P. in einem sogleich durch den Vorsitzenden geführten Telefonat mitgeteilt hat, sie befinde sich vom 16.02. bis 26.02.2024 auf einer Schiffsreise, hat der Vorsitzende daraufhin vermerkt und verfügt, die Ersatzschöffin P. werde von ihrer Dienstleistung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 StPO entbunden. Die Reise der Schöffin betreffe vier Hauptverhandlungstage. Da diese mit umfangreichem Beweisprogramm und der Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen belegt seien, komme eine Aufhebung der Hauptverhandlung nicht in Betracht (Bl. 3777 d. EZA).
Nach der Entpflichtung der Hilfsschöffin P. ist der Strafkammer die Schöffin Z. um 11:45 Uhr als Ersatzschöffin zugewiesen worden (Bl. 3778 d. EZA). Nach Wiederbeginn der Hauptverhandlung um 14:00 Uhr hat die Schöffin Z...