Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Bußgeldverfahren wird in deutscher Sprache geführt. |
2. |
Der Betroffene wird im Bußgeldverfahren gem. § 55 OWiG gehört. |
3. |
Beschlagnahme und Durchsuchung sind auch im Bußgeldverfahren zulässig. |
4. |
Die Anwendung von Beweisverwertungsverboten kann im Bußgeldverfahren zweifelhaft sein. |
5. |
Für die Einstellung des Bußgeldverfahrens gilt die Sondervorschrift des § 47 OWiG. |
6. |
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Betroffenen wird jedoch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i.d.R. zu verneinen sein. |
7. |
Für die körperliche Untersuchung des Betroffenen ist gem. § 46 Abs. 4 S. 1 OWiG die Vorschrift des § 81a Abs. 1 S. 2 mit der Einschränkung anwendbar, dass nur die Entnahme von Blutproben und geringfügige Eingriffe zulässig sind. Für die Entnahme von Blutproben gilt die Regelung in § 46 Abs. 4 S. 2 OWiG. |
8. |
Grds. können auch im Bußgeldverfahren Absprachen/Verständigungen getroffen werden/zustande kommen. |
9. |
Das bußgeldrechtliche EV endet ggf. mit der Einstellung des Verfahrens. |
10. |
Nach Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid schließt sich ein sog. Zwischenverfahren. |
11. |
Das AG beraumt ggf. HV-Termin an. Es kann aber auch ohne HV durch Beschluss entscheiden. |
12. |
Zur Vorbereitung der HV muss der Verteidiger, insbesondere in Verfahren wegen Verkehrs-OWi auf jeden Fall (noch einmal) AE beantragen. |
Rdn 1622
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeines, Teil B Rdn 1575.
Rdn 1623
1. Das Bußgeldverfahren wird in deutscher Sprache geführt. Die für den Betroffenen bestimmten Schriftstücke, wie z.B. ein Anhörungsbogen, brauchen, wenn der Betroffene der deutschen Sprache nicht mächtig ist, nicht in seine Sprache übersetzt zu werden (Göhler/Bauer, vor § 59 Rn 56 m.w.N.). Die Erklärungen des Betroffenen sind unbeachtlich, wenn sie in fremder Sprache abgegeben werden (BGHSt 30, 182 [für Revision]; BGH, Beschl. v. 22.1.2018 – 4 StR 506/17; aber EUGH NJW 2016, 303 und die RiLi 2010/64/EU über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren [abrufbar unter http://eurocrim.jura.uni-tuebingen.de/cms/des/doc/1431.pdf; → Übersetzung von Aktenbestandteilen, Teil U Rdn 4618).
Rdn 1624
Ob Art. 6 Abs. 3 MRK gilt, ist str. gewesen (m.E. zu Recht bejahend EGMR NStZ 1984, 269 [für Dolmetscherkosten]; verneinend Göhler/Bauer, § 46 Rn 10a), dürfte aber für die Praxis keine großen Auswirkungen mehr haben. Denn nach §§ 185 Abs. 1, 187 Abs. 1 und 2 GVG hat ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Betroffener zumindest im gerichtlichen Bußgeldverfahren ein Recht auf Zuziehung eines Dolmetschers (dazu auch [für das Strafverfahren nach altem Recht] OLG München StRR 2014, 186). Darüber muss nach § 187 Abs. 1 S. 2 GVG belehrt werden. In Nr. 9005 Abs. 4 KV GKG ist i.Ü. nach wie vor geregelt, dass die Kosten für einen Dolmetscher i.d.R. nicht erhoben werden (wegen der Einzelh. Göhler/Bauer, vor § 105 Rn 34a; Meyer-Goßner/Schmitt, Art. 6 MRK Rn 23 ff. m.w.N.; s.a. BVerfG NJW 2004, 50; BGHSt 46, 178; zur Zuziehung eines Dolmetschers [im Strafverfahren] → Zuziehung eines Dolmetschers im Ermittlungsverfahren, Teil Z Rdn 5750 ff. und Burhoff, HV, Rn 4429 ff.; Einzelh. Göhler/ Thoma, vor § 105 Rn 34a; Meyer-Goßner/Schmitt, Art. 6 MRK Rn 23 m.w.N.).
Rdn 1625
2.a) Der Betroffene wird im Bußgeldverfahren gem. § 55 OWiG gehört (dazu Burhoff/Gübner, OWi, Rn 310 ff.). Die Anhörung wird häufig mündlich vor Ort erfolgen.
Rdn 1626
b) § 163a Abs. 1 ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass es genügt, wenn dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird (Einzelh. bei Göhler/Thoma, § 55 Rn 1 ff.). Der Betroffene ist nach § 55 Abs. 2 S. 1 OWiG auch nur darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Der Betroffene muss nicht auch noch darauf hingewiesen werden, dass er auch schon vor seiner Vernehmung einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann. Auch die Belehrungspflichten nach § 136 Abs. 1 S. 3 – 5 bestehen nach der ausdrücklichen Regelung in § 55 Abs. 2 S. 2 nicht. Der Betroffene muss also z.B. nicht darüber belehrt werden, dass die Möglichkeit besteht, zur Entlastung die Erhebung einzelner Beweise zu beantragen (s. aber Brüssow StraFo 1998, 395 f.; zu allem Burhoff/Gübner, OWi, Rn 400 ff.; zu den Belehrungspflichten → Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Belehrungspflichten, Teil P Rdn 3901).
Rdn 1627
c) Wird der Betroffene zu einem Vernehmungstermin geladen, gelten hinsichtlich seiner Erscheinenspflicht die allgemeinen Regeln (→ Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Anwesenheitsrechte, Teil P Rdn 3878; → Staatsanwaltschaftliche Vernehmung, Beschuldigter, Teil S Rdn 4311). Das gilt auch für die Vernehmung von Zeugen (→ Polizeiliche Vernehmung, Zeugen, Teil P Rdn 4000; → Staatsanwaltschaftliche Vernehmung, Zeugen, Teil S Rdn 4321).
Rdn 1628
3.a) Beschlagnahme und Durchsuchung sind auch im Bußgeldverfahren zulässig (wegen der Einzelh. B...