Rz. 11

Das Anspruchserhebungsprinzip wird grundsätzlich als mit dem deutschen Recht vereinbar erachtet.[1] Eine Kontrollfähigkeit am Maßstab des AGB-Rechts wird zu Recht bejaht, weil das Claims-Made-Prinzip nicht den Kern des Leistungsversprechens beinhaltet, es legt nicht den unmittelbaren Gegenstand der geschuldeten Hauptleistung fest, sondern es ändert bzw. gestaltet als Inhaltsbestimmung das Leistungsversprechen.[2] Kern des Leistungsversprechen ist Gewährung von Versicherungsschutz für Kontroll- und Leitungsorganmitglieder wegen gegen dieser erhobener Ersatzansprüche wegen bei Ausübung dieser Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden. Wann diese Ansprüche geltend gemacht werden, gehört nicht zum Kern des Leistungsversprechens. Insofern ist die Beschränkung der Geltendmachung der Haftungsansprüche auf die Vertragslaufzeit bzw. eine Nachmeldefrist kontrollfähig. Dass ohne Geltendmachung der Haftung kein Versicherungsschutz benötigt wird, weil es dann nicht zu einer Schadenszahlung kommen kann, liegt auf der Hand. Definiert der Versicherer die Geltendmachung, die im Prinzip eine Selbstverständlichkeit darstellt und die zu jedem Versicherungsfall im Bereich der Haftpflichtversicherung gehört, als Tatbestandsmerkmal des Versicherungsfalls, so stellt dies jedenfalls nicht den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung dar.

Es wird zu Recht geltend gemacht, dass in bestimmen Konstellationen der Versicherungsschutz durch das Claims-Made-Prinzip zu stark eingeschränkt wird, insbesondere wird argumentiert, dass das Abstellen auf das Anspruchserhebungsprinzip ohne Vereinbarung einer Kompensation unwirksam sei.[3] Das OLG Frankfurt[4] hat dies wie folgt formuliert:

 

Rz. 12

"Unabhängig von der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage, ob die das Claims-made-Prinzip regelnden Klauseln überhaupt kontrollfähig sind (zum Meinungsstand Robert Koch, Das Claims-made-Prinzip in der D&O-Versicherung auf dem Prüfstand der AGB-Inhaltskontrolle, VersR 2011, 295), ist der Senat mit dem OLG München (Urteil vom 08.05.2009, Az. 25 U 5136/08; zitiert nach Juris) der Auffassung, dass das Claims-made-Prinzip grundsätzlich wirksam ist und einer Inhaltskontrolle genügt, sofern die mit ihm verbundenen Nachteile ausreichend kompensiert werden. Für eine solche Kompensation kommen zum Beispiel die Regelungen über die unbegrenzte Rückwärtsversicherung, die vereinbarte Nachhaftungszeit und die Möglichkeit einer Umstandsmeldung bei Vertragsbeendigung durch Kündigung des Versicherers in Betracht."

 

Rz. 13

Es ist also eine Kompensation erforderlich, z.B. in Form einer Rückwärtsversicherung, Nachmeldefrist oder Umstandsmeldung ("Notices of Circumstances").[5] Die AVB D&O enthalten diese Instrumente, so in A-5.2 die Rückwärtsversicherung, in A-5.3. die Nachmeldefrist und in A-5.4 die Umstandsmeldung. Eine Umstandsmeldung wahrt die Ansprüche zum Zeitpunkt der Abgabe der Meldung, der Versicherungsfall kann dann später eintreten und ist noch versichert (zur Rückwärtsversicherung und Nachmeldefrist, siehe die Ausführungen zum zeitlichen Geltungsbereich unter A-5 AVB D&O).

 

Rz. 14

Die Frage ist indes, wie lange die Nachmeldefrist vereinbart werden muss, damit von einer ausreichenden Kompensation ausgegangen werden kann. Hierbei ist der Begriff der Nachmeldefrist präziser als jener der Nachhaftung bzw. Nachhaftungsfrist, da es nur um die Frage geht, bis wann ein bereits während der Vertragslaufzeit (inklusive des Zeitraums einer etwaigen Rückwärtsversicherung) begangene Pflichtverstoß geltend gemacht und gemeldet wird und nicht, dass zusätzlich Pflichtverstöße nach Ablauf der regulären Vertragsdauer eingeschlossen werden. Die Länge der Nachmeldefrist muss nicht die Dauer der maximalen Verjährungsfrist erreichen.[6] Diese betrüge z.B. bei Organhaftungsansprüchen gegen Vorstände einer börsennotierten AG zehn Jahre (siehe § 93 VI AktG). Auch eine Nachmeldefrist von fünf Jahren kann nicht erwartet werden,[7] denn es geht nicht um lückenlosen Versicherungsschutz, sondern allein um die Frage, welche Kompensation erforderlich ist, damit das Claims-Made-Prinzip wirksam vereinbart ist. Grundsätzlich dürfte eine Nachmeldefrist von 36 Monaten nach dem Ende der Vertragslaufzeit eine ausreichende Kompensation darstellen. Bei Vereinbarung einer Umstandsmeldung und Rückwärtsversicherung können nach einer Gesamtabwägung auch 24 Monate ausreichend sein.

 

Rz. 15

Zu Recht wird angenommen, dass die Vereinbarung des Anspruchserhebungsprinzips nicht überraschend ist, weshalb insoweit keine Überraschungsklausel vorliege.[8] Grundsätzlich erwartet der Versicherte, dass erst dann Versicherungsschutz besteht, wenn es zur Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs kommt. Dass zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich der Versicherungsvertrag bestehen muss, wird der Versicherte ebenfalls voraussetzen.

 

Rz. 16

Ob das Anspruchserhebungsprinzip einer Kontrolle durch das AGB-Recht überhaupt zugänglich ist oder ob es zum kontro...

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