Rz. 22
Grundsätzlich ist die konkret vereinbarte Klausel auszulegen. Bei der hiesigen Klausel in den A-3 AVB D&O geht es um die Konstellation, bei der die Gesellschaft ihrer Organperson eine Freistellung zugesagt hat, wenn diese von einem Dritten in die Haftung genommen wird. Denkbar ist beispielsweise eine haftungsbeschränkende Klausel im Anstellungsvertrag, wonach bei einfacher Fahrlässigkeit die Gesellschaft ihren Geschäftsführer von den Ansprüchen Dritter freistellt. Auch eine betragsmäßige Beschränkung der Freistellung ist möglich oder eine Freistellung nur für bestimmte Schäden oder Handlungen. Im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten bliebe aber der Geschäftsführer in der Haftung. Soweit die Versicherungsnehmerin oder die Tochtergesellschaft die Freistellungsverpflichtung erfüllt, kann sie nunmehr anstelle der versicherten Person den Anspruch auf Versicherungsschutz gegenüber dem Versicherer geltend machen. Die Erfüllung der Freistellungsverpflichtung erfolgt durch Zahlung an den Dritten, insofern stünde der Versicherungsnehmerin ein Erstattungsanspruch gegen den Versicherer zu.
Rz. 23
Eine Freistellungsvereinbarung kann auch als Vertrag zu Gunsten Dritter ausgestaltet werden. Der D&O-Versicherungsvertrag ist ein solcher Vertrag. Sofern er eine Company Reimbursement- oder Eigenschadenklausel enthält, ist diese ein Baustein der Freistellungsvereinbarung. Diese Klausel setzt aber eine gesetzliche angeordnete oder vertraglich vereinbarte Freistellungsverpflichtung voraus, die im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied gilt. An eine solche sind indes keine hohen Anforderungen zu stellen, wenn das Deckungskonzept bereits die Versicherung von Eigenschäden vorsieht. Dann kann schon eine einfache D&O-Verschaffungsklausel, die auf Versicherungskonzept mit Eigenschadenklausel gerichtet ist, die Freistellungsverpflichtung der Gesellschaft im Verhältnis zum Versicherten umfassen. Nach dieser Verschaffungsklausel hat sich die Gesellschaft verpflichtet, D&O-Versicherungsschutz mit einer entsprechenden Klausel zu installieren und vorzuhalten. Ohne die haftungsabschwächende Vereinbarung gäbe es sonst für die Eigenschadenklausel kaum einen Anwendungsbereich. Dagegen lässt sich anführen, dass ein Anwendungsbereich eröffnet wird, wenn sich die Gesellschaft erst im Einzelfall nach Eintritt des Haftungsfalls entscheidet, den Geschäftsleiter freizustellen.
Rz. 24
Es wird – wie ausgeführt- geltend gemacht, dass mit der Eigenschadenklausel der Bereich der Haftpflichtversicherung verlassen werde. Dies trifft im Ergebnis für die Innenhaftung zu, gilt aber nicht für die Außenhaftung, da der Haftpflichtfall im Verhältnis des Geschäftsleiters zum Dritten begründet wird und die Gesellschaft hier anstelle des Versicherers nur "vorleistet". Häufig besteht zudem nach außen eine Gesamtschuld, das heißt der Dritte hätte ggf. auch die Gesellschaft in Anspruch nehmen können. Im Ergebnis muss die Haftung des Geschäftsleiters gegenüber dem Dritten bestehen, nur dann muss der Versicherer der Versicherungsnehmerin den Betrag erstatten, den diese für die Freistellung aufgewandt hat. Zuzugeben ist, dass bei einer Gesamtschuld auch die Gesellschaft, die gerade nicht versichert ist, von ihrem Schaden durch die Erstattung des Versicherers entlastet wird. Doch wäre ohne die Freistellungsverpflichtung im Innenverhältnis das Leitungsorganmitglied allein zur Erstattung verpflichtet, jedenfalls wenn es sein Organpflichten verletzt hätte (beim GmbH-Geschäftsführer gemäß § 43 GmbHG, beim Vorstand aus § 93 AktG).
Rz. 25
Da die Bedingungen nicht voraussetzen, dass vor Erfüllung der Freistellungsverpflichtung die Zustimmung des Versicherers eingeholt werden muss, besteht eine diesbezügliche Obliegenheit mangels abweichender Vereinbarung nicht, wobei die Gesellschaft die sonstigen Voraussetzungen der Klausel einhalten muss. Gleichwohl sollte die Freistellung im Vorfeld abgestimmt werden, da der Versicherer meinen könnte, sein Regulierungsermessen, wonach er in die Abwehrdeckung gehen oder erfüllen könne, sei berührt. Auch bedeutet die Freistellung durch die Gesellschaft nicht, dass der Versicherer nicht berechtigt ist, die Begründetheit des Schadensersatzanspruches des Dritten zu prüfen. Der Versicherer kann durchaus einwenden, dass es aus seiner Sicht keinen Schadensersatzanspruch gab, beispielsweise weil der Geschäftsführer aus § 823 Abs. 1 BGB für unmittelbare sogenannte reine Vermögensschäden nicht gegenüber Dritten haftet, sodass die Versicherungsnehmerin auf einen vermeintlichen Schadensersatzanspruch gezahlt hätte, der konsequent Versicherungsschutz ausschließt, da sich der Geschäftsführer gerade nicht haftpflichtig gemacht hat.
Rz. 26
Der Versicherungsfall nach der Freistellungsklausel wird erst durch die erfolgte Freistellung ausgelöst. Soweit nur teilweise eine Freistellung erfolgt, behält der Versicherte Versicherungsschutz einschließlich des Abwehranspruchs. Nicht zu folgen ist allerdings der Auffassung, die Vor...