Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG muß die Partei der Zusammenhangsklage nicht identisch sein mit der Partei der Hauptklage. Es genügt, wenn die Partei der Hauptklage auch Partei der Zusammenhangsklage ist.
Normenkette
ArbGG § 46 Abs. 2 S. 1, § 5 Abs. 1, § 2 Abs. 3; ZPO § 36 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Beschluss vom 07.10.1992; Aktenzeichen 2 Ca 577/92) |
Tenor
Als zuständiges Gericht für den Rechtsstreit der Beklagten und Widerklägerin gegen den Widerbeklagten zu 2) wird das Arbeitsgericht Bonn bestimmt.
Tatbestand
I. Der Kläger und Widerbeklagte zu 1) und die Beklagte haben am 28. Februar 1991 einen Anstellungsvertrag geschlossen, wonach der Kläger als Leiter des Lager- und Lieferwesens eingestellt wurde. Als Gerichtsstand wurde Euskirchen vereinbart. Die genannten Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen und weiter über Zahlungsansprüche des Klägers.
Der Widerbeklagte zu 2) wurde aufgrund eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 13. Dezember 1989 Geschäftsführer der Beklagten. In dem Vertrag ist als ausschließlicher Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis Köln vereinbart. Der Widerbeklagte zu 2) ist laut Eintragung im Handelsregister vom 2. April 1992 als Geschäftsführer bei der Beklagten inzwischen ausgeschieden.
Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht in dem Rechtsstreit des Klägers gegen beide Widerbeklagte Widerklage auf Schadenersatz erhoben mit der Behauptung, die Widerbeklagten hätten ihr – und zwar im Zusammenwirken – erheblichen Schaden zugefügt. Das sei geschehen unter Mißachtung und gröblicher Überschreitung der ihnen zustehenden Vollmachten durch gemeinschaftlich abgeschlossene und abgewickelte Rechtsgeschäfte. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Widerklage gegen den Kläger und die Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 2) stünden in rechtlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang, daher seien die Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG für die Entscheidung zuständig. Demgegenüber weist der Widerbeklagte zu 2) darauf hin, daß er nicht Arbeitnehmer der Beklagten gewesen ist. Er ist der Ansicht, daß die Beklagte gegen ihn daher auch keine Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis erhebe, so daß die Gerichte für Arbeitssachen für die Entscheidung nicht zuständig seien. Der Widerbeklagte zu 2) hat die sachliche Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ausdrücklich gerügt. Daraufhin hat das Arbeitsgericht – auf übereinstimmenden Antrag der Parteien – die Sache dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt (§ 36 Nr. 3 ZPO).
Entscheidungsgründe
II. Zuständiges Gericht auch für den Rechtsstreit der Beklagten (und Widerklägerin) gegen den Widerbeklagten zu 2) ist das Arbeitsgericht Bonn.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind, nicht als Arbeitnehmer. Demgemäß verneint der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer sei, und begründet diese Auffassung damit, daß er als Vertretungsorgan der Gesellschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehme (BGHZ 12, 1, 8 f.; 49, 30, 31; BGH Urteil vom 9. Februar 1978 – II ZR 189/76 – AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGHZ 79, 291 = AP Nr. 14 zu § 622 BGB). Als Ausnahmefall hat das Bundesarbeitsgericht bei einem Angestellten einer GmbH, der zu deren Geschäftsführer bestellt wurde, angenommen, wenn sich an den Vertragsbedingungen nichts ändere, bestehe das bisherige Arbeitsverhältnis als ruhendes neben dem Dienstverhältnis und der darauf beruhenden Organstellung fort. Durch die Abberufung als Geschäftsführer werde das Arbeitsverhältnis dann wieder auf seinen ursprünglichen Inhalt zurückgeführt (BAGE 49, 81 und BAGE 55, 137 = AP Nr. 3 und 6 zu § 5 ArbGG 1979).
Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier nicht. Daher muß zunächst klargestellt werden, daß der Widerbeklagte zu 2) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten nicht deren Arbeitnehmer gewesen ist. Gleichwohl sind für die Entscheidung der Widerklage gegen ihn (und den Widerbeklagten zu 1) die Gerichte für Arbeitssachen aus dem Gesichtspunkt des rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs zuständig. Nach § 2 Abs. 3 ArbGG können nämlich vor die Gerichte für Arbeitssachen auch nicht unter die Absätze 1 und 2 fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.
Nach dem schlüssigen Vortrag der Beklagten und Widerklägerin sollen die beiden Widerbeklagten in bewußtem Zusammenwirken durch Vollmachtsüberschreitung zum Schadenersatz verpflichtende Handlungen begangen haben. Bei diesem Vortrag ist zumindest von einem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Widerklageanspruch und den verschiedenen Klagansprüchen des Klägers und Widerbeklagten zu 1) auszugehen. Die Parteien der Zusammenhangsklage müssen nicht die gleichen sein, wie die Parteien der Hauptklage. Es genügt, wenn eine Partei der Hauptklage auch Partei der Zusammenhangsklage ist (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 2 Rz 128).
Für die gemeinschaftliche Verhandlung und Entscheidung des gesamten Streitstoffes durch die Gerichte für Arbeitssachen spricht vorliegend aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen die Tatsache, daß der Kläger und Widerbeklagte zu 1) sowie der Widerbeklagte zu 2) von derselben Anwaltssozietät vertreten werden. Dadurch erscheint eine sachgerechte anwaltliche Vertretung der Belange des Widerbeklagten zu 2) gewährleistet. Die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts ist nicht gegeben. Sie läge vor, wenn Streit herrschte aus einem Mietverhältnis (§ 29a ZPO), aus dem Rechtsverhältnis des Erfinders oder dem Urheberrechtsverhältnis (§ 39 Abs. 1 ArbNErfG, § 104 UrhG) sowie weiter bei Rechtsstreitigkeiten, über die die Verwaltungs-, Finanz- oder Sozialgerichte zu entscheiden haben (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, Rz 129).
Diese Entscheidung greift nicht in die verfassungsrechtliche Gewährleistung des gesetzlichen Richters ein, sie ergibt sich vielmehr lediglich aus der statthaften Auslegung von Zuständigkeitsvorschriften (vgl. insoweit BVerfGE 48, 246, 262 f.).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog
Fundstellen
Haufe-Index 846757 |
BAGE, 61 |
NJW 1993, 1220 |