Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung bei Streitgenossen
Leitsatz (redaktionell)
Zuständigkeitsbestimmung, wenn der beklagte Arbeitgeber die Widerklage nicht nur gegen den klagenden Arbeitnehmer, sondern auch gegen Dritte richtet, die nicht Arbeitnehmer sind.
Normenkette
ZPO § 36 Nrn. 3, 6, § 33; GVG § 17a; ArbGG § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Beschluss vom 21.11.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1423/95) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Mönchengladbach bestimmt.
Im übrigen wird der Antrag der Beklagten zurückgewiesen.
Der Antrag des Klägers und Widerbeklagten zu 1) und der Widerklägerin zu 3) wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Der Kläger wohnt in Bergkamen, Arbeitsgerichtsbezirk Dortmund. Die Beklagte hat ihren Sitz in Neuss, Arbeitsgerichtsbezirk Mönchengladbach.
Der Kläger (Herr F.) war seit 1981 für die Beklagte als kaufmännischer Angestellter für den (KFZ-Teile-)Lagerbereich in Bochum beschäftigt. Mit seiner beim Arbeitsgericht Mönchengladbach erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vom 23. Oktober 1995. Durch Versäumnisurteil vom 21. November 1995 wurde festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Oktober 1995 nicht aufgehoben worden ist.
Die Beklagte legte rechtzeitig Einspruch ein und erhob Widerklage gegen den Kläger (= Widerbeklagter zu 1) sowie dessen Ehefrau (= Widerbeklagte zu 3), wohnhaft in Bergkamen, Arbeitsgerichtsbezirk Dortmund, die Eheleute W. (= Widerbeklagte zu 4 und 5), wohnhaft in Dortmund, die F. GmbH (= Widerbeklagte zu 2), Sitz Bergkamen, deren Geschäftsführer der Kläger und Widerbeklagte zu 1) ist, die Firma K. Industrie- und KFZ-Bedarf GmbH (= Widerbeklagte zu 6), Sitz Dortmund, und deren Geschäftsführer K. (= Widerbeklagter zu 7), wohnhaft in Dortmund. Die Beklagte verlangt vom Kläger und Widerbeklagten zu 1) und den übrigen Widerbeklagten als Gesamtschuldner Schadenersatz. Sie begehrt weiter gegenüber der Widerbeklagten zu 6) die Feststellung, daß dieser eine geltend gemachte Kaufpreisforderung für Lieferungen an sie, die Beklagte, nicht zusteht. Die Widerklage konnte noch nicht allen Widerbeklagten zugestellt werden.
Die Beklagte trägt vor: Der Kläger und Widerbeklagte zu 1) habe aus ihrem zentralen Ersatzteillager in der I. Bochum, Kraftfahrzeugersatzteile und -zubehör und andere Dinge entwendet bzw. entwenden lassen. Diese Teile habe er alsdann zunächst der von ihm betriebenen Firma F. Fahrzeugteile in Dortmund bzw. Bergkamen, der Widerbeklagten zu 2) in Dortmund oder der seinerzeit unter der Firma „W., Technische Handelsvertretungen, Autozubehör” handelnden Widerbeklagten zu 4) zugeführt. Diese hätten sie weiterveräußert, u.a. an Lieferanten der Beklagten, insbesondere an die Widerbeklagte zu 6). An diesen Straftaten seien auch die übrigen Widerbeklagten beteiligt gewesen.
Die Arbeitsgerichte seien nach § 2 Abs. 3 ArbGG für die Widerklage auch insoweit zuständig, als sie gegen die Widerbeklagten zu 2) bis 7) gerichtet sei. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Mönchengladbach ergebe sich aus § 33 ZPO.
Die Beklagte beantragt,
das Arbeitsgericht Mönchengladbach (ersatzweise das Arbeitsgericht Bochum) als örtlich und sachlich zuständiges Gericht gem. § 36 Nr. 3 ZPO in Verb. mit § 2 Abs. 3, § 46 Abs. 2 ArbGG zu bestimmen.
Der Kläger und Widerbeklagte zu 1) und die Widerbeklagte zu 3) beantragen,
gem. § 36 ZPO für die Widerklage und Drittwiderklage das Landgericht Dortmund als örtlich und sachlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
Die Widerbeklagten zu 4) und 5) beantragen,
den Antrag der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger und Widerbeklagte zu 1) und die Widerbeklagten zu 3), 4) und 5) rügen die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für die Widerklageanträge und halten das Arbeitsgericht Mönchengladbach insoweit auch für örtlich unzuständig.
Entscheidungsgründe
II. Als örtlich zuständiges Gericht ist das Arbeitsgericht Mönchengladbach zu bestimmen. Soweit der Antrag der Beklagten darauf gerichtet ist, die Gerichte für Arbeitssachen für zuständig zu erklären, ist der Antrag dagegen zurückzuweisen. Dasselbe gilt für den Antrag des Klägers und Widerbeklagten zu 1) und der Widerbeklagten zu 3), das Landgericht Dortmund als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Das Bundesarbeitsgericht kann im vorliegenden Verfahren nur das örtlich zuständige Gericht bestimmen. Es kann derzeit darüber entscheiden, ob für die Widerklage gegen den Kläger und Widerbeklagten zu 1) und die Widerbeklagten zu 2) bis 7) die Gerichte für Arbeitssachen oder die ordentlichen Gerichte zuständig sind.
1. Seit dem Inkrafttreten der neugefaßten §§ 17 ff. GVG und der §§ 48, 65, 73 Abs. 2 ArbGG n.F. handelt es sich bei der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Arbeitsgerichten und ordentlichen Gerichten um eine Frage des Rechtswegs. Über die Rechtswegzuständigkeit ist regelmäßig im Vorabverfahren nach § 17 a GVG n.F. zu entscheiden. Das heißt, das Bundesarbeitsgericht ist dafür nur dann zuständig, wenn zuvor Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht entschieden haben, letzteres die weitere sofortige Beschwerde zugelassen hat und diese auch eingelegt worden ist. Weiter hat das Bundesarbeitsgericht über die Rechtswegzuständigkeit in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO bei einem negativen Kompetenzkonflikt von Gerichten verschiedener Gerichtsbarkeiten zu entscheiden, wenn es zuerst um die Bestimmung angegangen worden ist (BAGE 44, 246 = AP Nr. 34 zu § 36 ZPO; BAG Beschluß vom 4. Januar 1993 – 5 AS 12/92 – AP Nr. 42 zu § 36 ZPO). Das setzt jedoch voraus, daß sich zuvor zwei Gerichte verschiedener Gerichtsbarkeiten rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat über die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen noch nicht entschieden. Ein weiteres Gericht war mit der Sache bisher nicht befaßt. Das Bestimmungsverfahren nach § 36 Nr. 3 ZPO kann nicht dazu führen, daß das Bundesarbeitsgericht über die Rechtswegzuständigkeit in erster und letzter Instanz anstelle der dazu in erster Linie berufenen Instanzgerichte entscheidet. Es eröffnet auch nicht die Möglichkeit, einen gemeinsamen Rechtsweg für Klagen gegen Personen zu bestimmen, gegen die verschiedenen Rechtwegen zugeordnete Ansprüche verfolgt werden sollen (BGH Beschluß vom 24. März 1994 – X ARZ 902/93 – NJW 1994, 2032).
2. Dagegen liegen die Voraussetzungen für eine zumindest entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO vor.
§ 33 ZPO steht dem nicht entgegen. Aus dieser Bestimmung kann die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts hinsichtlich der Widerbeklagten zu 2) bis 7), die eine Gerichtsstandsbestimmung erübrigt hätte, nicht hergeleitet werden. Nach § 33 ZPO kann zwar der Beklagte gegen den Kläger widerklagend konexe Gegenansprüche auch dann geltend machen, wenn für die Widerklage das mit der Klage befaßte Gericht nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften örtlich nicht zuständig wäre. Diese Regelung gilt aber nur für den widerbeklagten Kläger, nicht auch für die am Rechtsstreit nicht beteiligten Personen, für die bei dem angerufenen Gericht kein Gerichtsstand begründet ist. Auf sie erstreckt sich die Regelung des § 33 ZPO nicht (BGH Beschluß vom 28. Februar 1991 – I ARZ 711/90 – NJW 1991, 2838).
Hier ist das Arbeitsgericht Mönchengladbach nach § 33 ZPO auch für die Widerklage zuständig, soweit sie sich gegen den Kläger und Widerbeklagten zu 1) richtet. Der nach § 33 Abs. 1 ZPO erforderliche Zusammenhang ist entgegen dessen Auffassung gegeben.
In dem hier in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO durchzuführenden Bestimmungsverfahren geht es nur darum, ob das nach § 33 ZPO zuständige Gericht oder aber das Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes eines der bisher nicht am Prozeß beteiligten Widerbeklagten für die gesamte Widerklage zuständig sein soll. Das gilt auch für den hier vorliegenden Sonderfall, daß alle Widerbeklagten, auch der Kläger, ihren allgemeinen Gerichtsstand bei demselben Gericht haben – hier dem Arbeitsgericht Dortmund. Die Bestimmung des Arbeitsgerichts Mönchengladbach erscheint nach Lage des Falles angemessen. Der Kläger und Widerbeklagte zu 1) ist Beklagter aller auf Zahlung von Schadenersatz gerichteter Widerklageanträge. Nach dem Vortrag der Beklagten ist der Kläger der „Haupttäter”.
3. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat noch auf folgendes hin:
Das Arbeitsgericht hat über die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit hinsichtlich der Widerklage durch Beschluß zu entscheiden, nachdem diese gerügt worden ist (§ 17 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 GVG n.F.). Dabei ist neben § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG § 2 Abs. 3 ArbGG zu beachten. Die Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG kann auch eine Widerklage sein; sie kann von einer Partei der Hauptklage auch gegen Dritte gerichtet werden (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 1 Rz 206, § 33 Rz 40; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 2 Rz 120, 128).
Das Arbeitsgericht hat weiter darüber zu befinden, ob die in der Erhebung der Widerklage gegen die bisher am Verfahren nicht beteiligten Widerbeklagten zu 2) bis 7) liegende Parteierweiterung sachdienlich ist (BGH Beschluß vom 28. Februar 1991 – I ARZ 711/90 – NJW 1991, 2838). Das dürfte allerdings nach dem jetzigen Sach- und Streitgegenstand zu bejahen sein.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen