Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 3, § 33; GVG § 17a
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.06.1996; Aktenzeichen 6 Ca 3391/96) |
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.05.1995; Aktenzeichen 3-11 O 183/94) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Frankfurt am Main bestimmt.
Tatbestand
I. Kläger und Beklagter streiten um Ansprüche aus einem beendeten Rechtsverhältnis, das der Kläger für ein Gesellschaftsverhältnis und der Beklagte für ein Arbeitsverhältnis hält.
Der Kläger ist Spediteur. Er betreibt die Spedition in der Weise, daß die weit überwiegende Mehrheit der in seinem Namen laufenden LKW nicht mit angestellten Fahrern besetzt ist. Vielmehr werden Verträge geschlossen, wonach die Fahrer stille Gesellschafter sind. Mit dem Beklagten, wohnhaft im Beitrittsgebiet, wurde ein solcher Vertrag am 9. August 1990 geschlossen. An diesem Vertragsabschluß war der Drittwiderbeklagte beteiligt. Es kam zum Abschluß von Zusatzverträgen. Nach Auseinandersetzungen einigten sich Kläger und Beklagter auf ein Ende des Vertragsverhältnisses am 30. Juni 1993.
Mit seiner – durch Mahnbescheidsantrag beim Arbeitsgericht Stuttgart eingeleiteten – Klage macht der Kläger den nach seiner Ansicht zu seinen Gunsten bestehenden Saldo aus der beendeten Vertragsbeziehung geltend. Das Verfahren wurde zunächst an das Landgericht Heilbronn und aufgrund einer von den Prozeßbevollmächtigten beider Parteien geschlossenen Gerichtsstandvereinbarung vom 25./26. November 1993 an das Landgericht Frankfurt am Main abgegeben.
Der Beklagte erhob Widerklage gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten – letzterer wohnhaft in 89160 Dornstadt –, mit der er im wesentlichen Schadenersatzansprüche geltend macht. Er wirft beiden vor, seine – des Beklagten – Unerfahrenheit als ehemaligem DDR-Bürger arglistig ausgenutzt und ihn getäuscht zu haben. Er vertrat die Ansicht, Arbeitnehmer gewesen zu sein. Er beantragte Verweisung an das Arbeitsgericht.
Die Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main verwies den Rechtsstreit zunächst an die Kammer für Handelssachen. Dort kam es am 24. März 1995 zur mündlichen Verhandlung; der Drittwiderbeklagte war dazu nicht geladen worden. Durch Beschluß vom 30. Mai 1995 erklärte sich das Landgericht, Kammer für Handelssachen, für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Der Beschluß wurde zunächst nur dem Kläger und dem Beklagten zugestellt, nicht aber dem Drittwiderbeklagten.
Vor dem Arbeitsgericht erklärten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten, auf Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit hingewiesen, sie wollten „sich rügelos vor dem Arbeitsgericht Frankfurt einlassen …, was die örtliche Zuständigkeit anlangt”. Der Drittwiderbeklagte rügte sowohl die Rechtswegzuständigkeit, als auch die örtliche Zuständigkeit. Darauf veranlaßte das Arbeitsgerichts Frankfurt am Main, daß das Landgericht Frankfurt den Verweisungsbeschluß vom 30. Mai 1995 nunmehr auch dem Drittwiderbeklagten zustellte. Das geschah am 15. März 1996.
Nunmehr hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main die Akte dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt. Den Parteien ist rechtliches Gehör gewährt worden. Der Beklagte beantragt, das Arbeitsgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Kläger und der Drittwiderbeklagte haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Als örtlich zuständiges Gericht war das Arbeitsgericht Frankfurt am Main zu bestimmen.
1. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO liegen vor. Es besteht Einigkeit darüber, daß die Zuständigkeitsbestimmung entgegen dem Wortlaut des § 36 Nr. 3 ZPO („verklagt werden sollen”) auch noch nach Rechtshängigkeit und nach Erhebung der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit durch den Beklagten getroffen werden kann (BGHZ 88, 331, 333). Dafür sind Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend.
Wird nicht nur die örtliche, sondern auch die Rechtswegzuständigkeit gerügt, so ist i.d.R. zunächst über die Rechtswegzuständigkeit zu entscheiden (Senatsbeschluß vom 17. Juli 1996 – 5 AS 30/95 –, n.v.). Das ist hier geschehen. Aufgrund des nunmehr auch gegenüber dem Drittwiderbeklagten rechtskräftigen Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 1995 ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sowohl für die Klage, als auch für die Widerklage gegeben. Eine etwaige Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG ist dadurch geheilt, daß der Beschluß dem Drittwiderbeklagten und dessen Prozeßbevollmächtigten zugestellt wurde und er die Möglichkeit hatte, dagegen sofortige Beschwerde (§ 17 a Abs. 4 GVG) einzulegen. Im übrigen ergibt sich die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit auch für die gegen den Drittwiderbeklagten gerichtete Widerklage aus § 2 Abs. 3 ArbGG.
Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main für die Klage ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 39, 504 ZPO, die für die gegen den Kläger gerichtete Widerklage aus denselben Vorschriften und aus § 33 ZPO.
§ 33 ZPO steht der – entsprechenden – Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Aus dieser Bestimmung kann die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts hinsichtlich des Drittwiderbeklagten, die eine Gerichtsstandbestimmung erübrigt hätte, nicht hergeleitet werden. Nach § 33 ZPO kann zwar der Beklagte gegen den Kläger widerklagend konnexe Gegenansprüche auch dann geltend machen, wenn für die Widerklage das mit der Klage befaßte Gericht nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften örtlich nicht zuständig wäre. Diese Regelung gilt aber nur für den widerbeklagten Kläger, nicht auch für die am Rechtsstreit nicht beteiligten Personen, für die bei dem angerufenen Gericht kein Gerichtsstand begründet ist. Auf sie erstreckt sich die Regelung des § 33 ZPO nicht (BGH Beschluß vom 28. Februar 1991 – I ARZ 711/90 – NJW 1991, 2838).
2. In dem hier in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO durchzuführenden Bestimmungsverfahrens geht es darum, ob das nach § 33 ZPO zuständige Gericht oder aber das Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes des bisher am Prozeß nicht beteiligten Drittwiderbeklagten für die gesamte Widerklage zuständig sein soll. Damit geht es zugleich um die Frage, ob die Widerklage im getrennten Verfahren (§ 145 ZPO) zu verhandeln ist. Die Bestimmung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main erscheint nach Lage des Falls angemessen. Eine Prozeßtrennung ist nicht angezeigt. Hinsichtlich des Drittwiderbeklagten geht es um dessen Verhalten bei den Vertragsverhandlungen am Wohnsitz des Beklagten.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen