Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Orientierungssatz
Die Wirksamkeit der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Prozeßhandlung ist nicht von ihrer Beurkundung im Protokoll abhängig. Dies gilt jedenfalls für einseitige Prozeßhandlungen, nur für den Prozeßvergleich ist die Rechtslage wegen dessen Doppelnatur anders zu beurteilen (So auch BSG Urteil vom 12.3.1981 11 RA 52/80 = MDR 1981, 612 und BGH Beschluß vom 18.1.1984 IVb ZB 53/83 = NJW 1984, 1465).
Normenkette
ZPO §§ 281, 36 Nr. 6, § 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 24.11.1986; Aktenzeichen 4 O 2191/86) |
Gründe
I. Die Klägerin macht im Wege der Erbfolge auf sie übergegangene Ansprüche der am 2. März 1986 verstorbenen Frau Theresia Kunz (ihrer Stiefmutter) gegen die Beklagte (ein Großnichte der Erblasserin) auf Schadenersatz geltend. Die Beklagte war bei Frau Theresia Kunz als Haushaltshilfe beschäftigt.
Die Klägerin hat die Klage beim Landgericht München II erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor der 4. Zivilkammer dieses Gerichts vom 25. Juni 1986 wurden die - anwaltlich vertretenen - Parteien darauf hingewiesen, daß nach Ansicht der Kammer die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben sei. Daraufhin beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zu verweisen. Im Protokoll fehlt ein Vermerk darüber, daß dieser Antrag vorgelesen und genehmigt worden ist. Das Landgericht hat sich durch Beschluß vom 25. Juni 1986 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klagepartei an das Arbeitsgericht München, "das gemäß § 2, I Nr. 3 d und III ArbGG zuständig ist", verwiesen. Eine weitere Begründung ist dem Beschluß nicht beigefügt.
Durch Beschluß vom 2. September 1986 hat das Arbeitsgericht München sich seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Landgericht München II zurückverwiesen. In seiner Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, es sei an den Verweisungsbeschluß des Landgerichts nicht gebunden, da dieser Beschluß wegen eines schweren Verfahrensverstoßes nichtig sei. Gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO könne die Verweisung eines Rechtsstreits an ein anderes Gericht nur auf Antrag der Klagepartei erfolgen. Der entsprechende Antrag müsse als zu Protokoll erklärter echter Sachantrag gemäß § 297 Abs. 1 Satz 3 ZPO entsprechend § 162 Abs. 1 ZPO den Beteiligten vorgelesen und vom Antragsteller genehmigt werden. Dies sei vorliegend ausweislich des Protokolls nicht geschehen, so daß der Antrag auf Verweisung an das Arbeitsgericht als nicht gestellt anzusehen und der Beschluß des Landgerichts somit ohne Antrag ergangen sei. Der hierin liegende Verfahrensverstoß wiege so schwer, daß eine Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 ZPO nicht habe eintreten können. Eine Heilung des Mangels sei nicht erfolgt.
Das Landgericht München II hat die Sache dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Sachlich zuständiges Gericht ist das Arbeitsgericht München.
1. Die Voraussetzungen des beantragten Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann auch durch ein Gericht gestellt werden; des Antrages einer Partei bedarf es hierzu nicht (BGH Beschluß vom 31. Januar 1979 - IV ARZ 111/78 - NJW 1979, 1048; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 37 Rz 1). Das Bundesarbeitsgericht ist für die beantragte Bestimmung zuständig; es wurde in dem Zuständigkeitsstreit zwischen dem ordentlichen und dem Arbeitsgericht zuerst um die Bestimmung angegangen (BAG Beschluß vom 29. September 1976 - 5 AR 232/76 - AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen; BGHZ 44, 14, 15).
2. Der Verweisungsbeschluß des Landgerichts München II bindet das Arbeitsgericht München, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Diese bindende Wirkung muß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO beachtet werden (vgl. statt vieler BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 - 5 AR 221/81 - AP Nr. 27 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe; ferner BGHZ 17, 168 und BGHZ 28, 349, 350). Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht erreichen (BAG Beschluß vom 29. September 1976 - 5 AR 232/76 - AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; mit weiteren Nachweisen).
3. Offensichtlich gesetzwidrig ist der Verweisungsbeschluß des Landgerichts München II jedoch nicht.
Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Protokoll auch insoweit, als es zu Protokoll erklärte Anträge enthält, den Beteiligten vorzulesen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat den Antrag, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zu verweisen, in der mündlichen Verhandlung vor der 4. Zivilkammer am 25. Juni 1986 zu Protokoll erklärt. Dieser Antrag hätte, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, den Beteiligten vorgelesen und in dem Protokoll vermerkt werden müssen, daß dies geschehen und die Genehmigung erteilt sei (§ 162 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Daraus, daß dies ausweislich des Protokolls (§ 165 Satz 1 ZPO) offenbar nicht geschehen ist, ergibt sich aber entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht, daß der Verweisungsantrag als Prozeßhandlung rechtsunwirksam ist.
Die Protokollierungsvorschriften der §§ 159 ff. ZPO verfolgen den Zweck, für das in der mündlichen Verhandlung Geschehene Beweis zu erbringen. Dagegen ist die Wirksamkeit der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Prozeßhandlungen nicht von ihrer Beurkundung im Protokoll abhängig. Das gilt jedenfalls für einseitige Parteihandlungen, nur für den Prozeßvergleich ist die Rechtslage wegen dessen Doppelnatur anders zu beurteilen.
Diese Rechtsansicht wird vom Bundessozialgericht (Urteil vom 12. März 1981 - 11 RA 52/80 - MDR 1981, 612) und vom Bundesgerichtshof (Beschluß vom 18. Januar 1984 - IV b ZB 53/83 - NJW 1984, 1465 f.) vertreten. Beide Gerichte haben ihre Auffassung ausführlich begründet. Der Senat hat sich dem in dem nichtveröffentlichten Beschluß vom 28. Februar 1986 (5 AS 3/86) ausdrücklich angeschlossen (vgl. II 4 der Gründe). Hiervon abzuweichen besteht kein Anlaß, zumal da Ergebnis wie Begründung auch im Schrifttum Anerkennung gefunden haben (vgl. statt vieler Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 160 Rz 16, § 162 Rz 21).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Fundstellen