Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Orientierungssatz
1. Die bindende Wirkung eines Verweisungsbeschlußes muß auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr 6 ZPO beachtet werden. Die Bindungswirkung tritt allerdings bei einem offensichtlich gesetzwidrigen Verweisungsbeschluß nicht ein (BAG Beschluß vom 29.9.1976, 5 AR 232/76 = AP Nr 20 zu § 36 ZPO).
2. Die sachliche Zuständigkeit soll nur einmal geprüft werden, und zwar von dem zunächst angerufenen Gericht. Der Gesetzgeber will einen Zuständigkeitsstreit vermeiden. Demgemäß darf das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, die Übernahme nicht mit der Begründung ablehnen, die Zuständigkeitsfrage müsse abweichend von der Auffassung des verweisenden Gerichts beurteilt werden (vergleiche BAG Beschluß vom 1.3.1984, 5 AS 5/84 = AP Nr 35 zu § 36 ZPO).
Normenkette
ZPO §§ 29 a, 36 Nr. 6; ArbGG § 48 Abs. 1; ZPO § 281 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 23.12.1987; Aktenzeichen 3 b Ca 306/87 W) |
Gründe
I. Die Klägerin hat Klage zum Arbeitsgericht München (Kammer Weilheim) erhoben mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 23. April 1986 (3 b Ca 212/86 W) für unzulässig zu erklären. Nach der Güteverhandlung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Juni 1987 die Klage geändert: nunmehr macht sie Forderungen auf Mietzins bzw. Schadenersatz nach § 557 BGB (Nutzungsentschädigung) wegen der Nutzung eines Wohncontainers geltend.
In der Kammerverhandlung vom 14. Oktober 1987 hat die Klägerin hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Amtsgericht beantragt. Daraufhin hat das Arbeitsgericht durch verkündeten Beschluß vom gleichen Tage sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Amtsgericht Weilheim verwiesen. Dieses verweigert die Übernahme der Sache, weil es sich für unzuständig hält. Zuständig sei das Arbeitsgericht, die Klageänderung berühre die Rechtshängigkeit beim Arbeitsgericht nicht. Dagegen könne der Verweisungsbeschluß vom 14. Oktober 1987 das Amtsgericht nicht binden, da der Verweisung jegliche rechtliche Grundlage fehle. Mangels einer Begründung des Verweisungsbeschlusses könne nicht festgestellt werden, ob eine gesetzliche Grundlage für die Verweisung angenommen worden sei. Eine solche sei auch nicht erkennbar.
Das Arbeitsgericht München/Kammer Weilheim hat die Sache zur Entscheidung dem Bundesarbeitsgericht vorgelegt.
II. Als sachlich zuständiges Gericht war das Amtsgericht Weilheim zu bestimmen.
1. Die Voraussetzungen des beantragten Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit sachlich zuständig ist, haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann auch durch ein Gericht gestellt werden; des Antrages einer Partei bedarf es dazu nicht. Das Bundesarbeitsgericht ist für die beantragte Bestimmung zuständig; es wurde in dem Zuständigkeitsstreit zwischen Arbeitsgericht und Amtsgericht zuerst um die Bestimmung angegangen (vgl. BAG Beschluß vom 29. September 1976 - 5 AR 232/76 - AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; BGHZ 44, 14, 15).
2. Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts München/Kammer Weilheim vom 14. Oktober 1987 bindet das Amtsgericht Weilheim, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist (§§ 11, 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 48 Abs. 1 ArbGG). Diese bindende Wirkung muß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO beachtet werden. Die Bindungswirkung tritt allerdings bei einem offensichtlich gesetzwidrigen Verweisungsbeschluß nicht ein (BAG Beschluß vom 29. September 1976 - 5 AR 232/76 - AP Nr. 20 zu § 36, zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Offensichtlich gesetzwidrig ist der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts München/Kammer Weilheim jedoch nicht.
3. Das Arbeitsgericht hat die Frage der sachlichen Zuständigkeit offensichtlich nach § 29 a ZPO beurteilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Beurteilung zutreffend ist oder nicht. Selbst dann, wenn sie einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhielte, wäre der Verweisungsbeschluß deswegen nicht offensichtlich gesetzwidrig.
Die sachliche Zuständigkeit soll nur einmal geprüft werden, und zwar von dem zunächst angerufenen Gericht. Der Gesetzgeber will einen Zuständigkeitsstreit nach Möglichkeit vermeiden. Er hat auch für die Parteien im Vergleich zur Sachentscheidung keine so erhebliche Bedeutung. Demgemäß darf das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, die Übernahme nicht mit der Begründung ablehnen, die Zuständigkeitsfrage müsse abweichend von der Auffassung des verweisenden Gerichts beurteilt werden (vgl. BAG Beschluß vom 1. März 1984 - 5 AS 5/84 - AP Nr. 35 zu § 36 ZPO, zu II 3 b der Gründe).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Fundstellen