Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsschulung kurz vor Ende der Amtszeit Gesetz: BetrVG § 37 Abs. 6
Leitsatz (redaktionell)
1. siehe BAG Beschluß vom 7. Juni 1989 – 7 ABR 26/88 –
2. Der Lehrgang „Betriebsratsmitglieder II” (IG Metall) ist auf die Vermittlung von Grundwissen gerichtet.
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 3. September 1987 – 4 TaBV 25/87 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine kurz vor dem Ende der Amtszeit durchgeführte Schulung eines nachgerückten Betriebsratsmitglieds erforderlich war.
Die beteiligte Arbeitgeberin unterhält einen Betrieb der metallverarbeitenden Industrie in H. Ihr Arbeitnehmer K (Antragsteller) rückte am 4. September 1985 in den dortigen, aus neun Personen bestehenden Betriebsrat (Beteiligter zu 3) nach. In der Zeit vom 24. bis 30. November 1985 hat der Antragsteller den von der Industriegewerkschaft Metall veranstalteten Lehrgang „Betriebsräte I” besucht; die Kosten hierfür trug die Beteiligte zu 2). Am 7. Januar 1987 beschloß der beteiligte Betriebsrat, den Antragsteller in der Zeit vom 18. bis 23. Januar 1987 zum Lehrgang „Betriebsräte II” in S zu entsenden und teilte dies der beteiligten Arbeitgeberin mit seinem Schreiben vom 12. Januar 1987 mit. Das Lehrgangsprogramm war der Mitteilung nicht beigefügt. Mit ihrem Schreiben vom 13. Januar 1987 erwiderte die beteiligte Arbeitgeberin, sie benötige das genaue und ausführliche Seminarprogramm, um Stellung nehmen zu können. Am 14. Januar 1987 schrieb sie an den beteiligten Betriebsrat:
„Betr.: Seminarbesuch Herr K
Bezug: 10.25 Uhr mit Herrn V geführtes Telefongespräch
Sehr geehrte Damen und Herren,
in dem soeben geführten Telefongespräch hat Herr V es abgelehnt, uns, wie gewünscht, den Themenplan des einwöchigen Seminars zu geben und die Themen des Seminars nicht genannt. Die Notwendigkeit der Teilnahme von Herrn K an diesem Seminar ist für uns deshalb nicht ersichtlich, so daß wir jedwede Kostenübernahme für dieses Seminar ablehnen müssen.
Sollte Herr K gleichwohl zu diesem Seminar fahren, werden wir ihn unbezahlt freistellen.”
Der Antragsteller nahm an dem Lehrgang „Betriebsratsmitglieder II (Soziale Angelegenheiten)” in der Zeit vom 18. bis 23. Januar 1987 teil. Hierüber erteilte er der beteiligten Arbeitgeberin eine unter dem 22. Januar 1987 aufgemachte Rechnung über die Seminarkosten, die sich auf insgesamt 815,60 DM beläuft (fünf Tage zu 86,– DM, verauslagte Fahrtkosten 295,40 DM, Zehrgeld für An- und Abreise 30,– DM, Umsatzsteuer 60,20 DM) und die Bitte enthält, den Betrag direkt an den Lehrgangsveranstalter (Industriegewerkschaft Metall) zu überweisen.
Der Antragsteller hat vorgetragen, dem Lehrgang habe – unstreitig – folgender Lehrplan zugrundegelegen:
V: Einführung in das Seminar
Die betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit Vorrang der Gesetze und Tarifverträge
N: Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates
- Das Mitbestimmungsrecht
Das Mitwirkungsrecht
- Die Beratung
- Die Anhörung
- Die Unterrichtung
V: Die sozialen Angelegenheiten
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb
2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage
3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit
N: 4. Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte
5. Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplanes sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird.
V: Die sozialen Angelegenheiten (Fortsetzung)
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften
N: 8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist.
9. Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen.
V: Die sozialen Angelegenheiten (Fortsetzung)
10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung.
11. Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren.
12. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen
N: Die Regelungsmöglichkeiten
- Die Regelungsabsprache
- Die zwingende Betriebsvereinbarung
- Die freiwillige Betriebsvereinbarung
V: Die Einigungsstelle
- Zuständigkeit
- Zusammensetzung
- Das freiwillige Verfahren
- Das verbindliche Verfahren
- Rechtswirkungen der Sprüche
- Ablösung durch Tarifvertrag
N: Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten
- Arbeitsgerichtliche Zuständigkeit
- Das Beschlußverfahren
- Rechtswirkungen der arbeitsgerichtlichen Beschlüsse
Die Absicherung der Rechte des Betriebsrates
1. Zivilrechtliche Verfolgung grober Verstöße
V: Die Absicherung der Rechte des Betriebsrates (Fortsetzung)
2. Strafrechtliche Verfolgung vorsätzlicher Verstöße
3. Behördliche Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
Bei seiner Beschlußfassung habe dem beteiligten Betriebsrat dieser Lehrplan vorgelegen. Die beteiligte Arbeitgeberin sei über die beabsichtigte Schulung des Antragstellers durch das Schreiben vom 12. Januar 1987 rechtzeitig und hinreichend unterrichtet worden. In dem Telefonat mit der Leitung der beteiligten Arbeitgeberin vom 14. Januar 1987 seien die einzelnen Schulungsthemen näher bezeichnet worden. Die Schulung des Antragstellers sei erforderlich gewesen. Der Lehrgang habe Grundkenntnisse vermittelt. Überdies habe auch aktueller Schulungsbedarf bestanden. Zur Zeit des Entsendungsbeschlusses habe für einen Teil des Betriebs Kurzarbeit bestanden, während für andere Teile Überstundenanträge vorgelegen hätten. Zudem hätten die Tarifvertragsparteien über weitere Arbeitszeitverkürzungen verhandelt, die innerbetrieblich durch eine entsprechende Arbeitszeitvereinbarung hätten umgesetzt werden müssen. Außerdem habe die Kantine geschlossen werden sollen.
Der Ablauf der Amtszeit habe der Schulung des Antragstellers nicht entgegengestanden. Zuletzt sei 1981 ein Mitglied des beteiligten Betriebsrats über soziale Angelegenheiten geschult worden. Der Antragsteller habe mit seiner Wiederwahl rechnen dürfen. Er sei als einer von elf Bewerbern in den aus neun Personen bestehenden Betriebsrat wiedergewählt worden; seit seiner Wiederwahl sei er zweiter Vorsitzender des beteiligten Betriebsrats.
Der Antragsteller und der beteiligte Betriebsrat haben beantragt,
die dem Antragsteller infolge der Teilnahme am Seminar für Betriebsratsmitglieder der „Betriebsräte II” in der IG Metall-Bildungsstätte S in der Zeit vom 18. bis zum 23. Januar 1987 entstandenen Seminarkosten in Höhe von 815,60 DM zu erstatten.
Der Antragsteller hat im Beschwerderechtszug zudem hilfsweise beantragt,
ihn von den Seminarkosten freizustellen.
Die beteiligte Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat entgegnet: Der Erstattungsanspruch stehe dem Antragsteller nicht zu, denn er habe die Seminarkosten – unstreitig – nicht bezahlt.
Auch in Form der Freistellung habe sie, die beteiligte Arbeitgeberin, die Kosten der Teilnahme des Antragstellers an dem Lehrgang Betriebsratsmitglieder II nicht zu tragen. Der beteiligte Betriebsrat habe sie über den Lehr- und Themenplan entgegen seiner sonstigen Handhabe nicht rechtzeitig unterrichtet; der Plan habe dem beteiligten Betriebsrat bei der Beschlußfassung über die Entsendung des Antragstellers nicht vorgelegen.
Die Teilnahme des Antragstellers an dem Lehrgang sei weder erforderlich gewesen noch habe sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen. Der Antragsteller habe nicht nur in dem Einführungslehrgang „Betriebsräte I” im November 1985 die allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Grundkenntnisse für seine Betriebsratsarbeit erworben, sondern zusätzlich am 5. Februar 1986 den Kursus „Arbeitsausschuß” und in der Zeit vom 19. bis 31. Mai 1987 das Seminar „Funktionsträger I” besucht. Zudem liege zwischen dem Ende des Lehrgangs „Betriebsratsmitglieder II”, den der Antragsteller bis 23. Januar 1987 besucht habe, und der regelmäßigen Neuwahl des Betriebsrats nur ein Zeitraum von zwei Monaten und drei Wochen. Diese Zeit sei zu kurz, um die Schulung des Antragstellers als erforderlich und den damit verbundenen Aufwand als verhältnismäßig ansehen zu können.
Die Schulung des Antragstellers habe nicht Grundkenntnisse, sondern Aufbauwissen zum Inhalt gehabt. Sie sei auch nicht aktuell erforderlich gewesen. Kurzarbeit wie auch Überstunden kämen seit Jahren in ihrem Betrieb gleichzeitig vor. Die hierzu mit dem beteiligten Betriebsrat erforderlichen Absprachen kämen problemlos zustande. Die Erforderlichkeit der Mehrarbeit sei seitdem speziell dem Antragsteller bekannt gewesen. Die Tarifverhandlungen seien überhaupt noch nicht angelaufen gewesen, die Vergütungstarifverträge seien erst Monate später gekündigt worden. Der zu erwartende Tarifabschluß sei nicht vorhersehbar gewesen, er habe auch keinen besonderen Schulungsbedarf verursacht. Hinsichtlich der Kantine habe der Antragsteller nicht angegeben, inwieweit er selbst mit dieser Angelegenheit befaßt worden sei oder werde; die Schließung der Kantine sei zudem nicht mitbestimmungspflichtig. Über die Themen Arbeitssicherheit, Unfallverhütung und Gesundheitsschutz sei der Antragsteller bereits eingehender geschult worden, als es angesichts des gesamten Themenplans in der in Rede stehenden Schulung erfolgen könnte.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen vom Antragsteller und vom beteiligten Betriebsrat erhobenen Beschwerden blieben erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Hauptantrag und seinen Hilfsantrag weiter, während die beteiligte Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Der beteiligte Betriebsrat hat in der Rechtsbeschwerdeinstanz keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptantrag und den Hilfsantrag zu Recht zurückgewiesen. Die beteiligte Arbeitgeberin ist nicht gemäß § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 BetrVG verpflichtet, die Kosten zu tragen, die dadurch entstanden sind, daß der Antragsteller in der Zeit vom 18. bis 23. Januar 1987 an dem Lehrgang „Betriebsratsmitglieder II” in S teilgenommen hat.
I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den auf Erstattung der Teilnehmerkosten gerichteten Hauptantrag schon mit der Begründung zurückgewiesen, ein Erstattungsanspruch stehe dem Antragsteller bereits deshalb nicht zu, weil er die Kosten der Teilnahme an der Schulung nicht selbst bezahlt habe. Die Erstattung von Kosten an sich selbst kann nur das Betriebsratsmitglied nach § 40 Abs. 1 BetrVG begehren, das diese Kosten aus eigenen Mitteln ausgelegt hat. Daran fehlt es hier. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde auch nicht.
II. Ebenso zutreffend hat das Landesarbeitsgericht es als zulässig angesehen, daß der Antragsteller erstmals im Beschwerderechtszug hilfsweise beantragt hat, ihn von den Kosten seiner Teilnahme an dem Lehrgang freizustellen.
Der Sachantrag auf Freistellung entspricht zwar nach seinem Wortlaut nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist jedoch im Wege der Auslegung des Vorbringens des Antragstellers hinreichend bestimmbar. Insgesamt ist er darauf gerichtet, den Antragsteller von der Forderung der Industriegewerkschaft Metall (Bildungsstätte S) auf Zahlung der durch seine Teilnahme an dem in Rede stehenden Lehrgang „Betriebsratsmitglieder II” in der Zeit vom 18. bis 23. Januar 1987 entstandenen Kosten in Höhe von 815,60 DM durch Zahlung an die Industriegewerkschaft Metall freizustellen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat den Freistellungsantrag im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat die Aufgabe, über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zu beschließen, deren Schulung er zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Betriebsrat für erforderlich hält (BAGE 25, 348 = AP Nr. 5 zu § 37 BetrVG 1972; BAGE 53, 186, 190 = AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe m.w.N.; BAG Urteil vom 16. März 1988 – 7 AZR 557/87 – AP Nr. 63 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe m.w.N.).
a) Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Ausfüllung sowohl dem Betriebsrat als auch dem Landesarbeitsgericht ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BAG Urteil vom 16. März 1988 – 7 AZR 557/87 –, aaO, m.w.N.). Dabei hat der Betriebsrat die Frage der Erforderlichkeit nicht nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten; vielmehr muß er sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten stellen, der die Interessen des Betriebes einerseits und die des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Beschlußfassung des Betriebsrats; unerheblich ist, ob aus späterer Sicht rückblickend betrachtet die Freistellung im streng objektiven Sinne erforderlich war. Die gerichtliche Kontrolle muß sich daher auf die Prüfung beschränken, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlußfassung gegebenen Umständen eine derartige Entscheidung getroffen hätte (BAG Urteil vom 16. März 1988 – 7 AZR 557/87 –, aaO, unter II 2 der Gründe m.w.N.; BAGE 53, 186, 190 = AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972, unter II 2 a der Gründe m.w.N.).
b) Zum Rechtsbegriff der Erforderlichkeit im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG ist das Landesarbeitsgericht zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen. Danach ist die Vermittlung von Kenntnissen nur dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn diese Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und im Betriebsrat benötigt werden, damit die Betriebsratsmitglieder ihre derzeitigen oder demnächst anfallenden gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen können. Für die Frage, ob die konkreten Aufgaben des einzelnen Betriebsratsmitgliedes seine Schulung erforderlich machen, ist darauf abzustellen, ob nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder absehbar in naher Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrats eine Schulung eines Betriebsratsmitgliedes gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat erforderlich erscheint, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann. Soweit es sich dabei nicht um die Vermittlung von sogenannten Grundkenntnissen handelt, muß daher ein aktueller, betriebsbezogener Anlaß für die Annahme bestehen, daß die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (vgl. BAGE 52, 78, 81 = AP Nr. 54 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 16. März 1988 – 7 AZR 557/87 –, aaO, unter II 1 der Gründe).
c) Dem Landesarbeitsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß es bei dem Lehrgang der Industriegewerkschaft Metall „Betriebsratsmitglieder II” nicht um die Vermittlung von sogenannten Grundkenntnissen geht, sondern um die Vermittlung von Aufbaukenntnissen.
Wie das Landesarbeitsgericht selbst erkannt hat, befaßt sich der Lehrgang mit einem Kernstück des Betriebsverfassungsgesetzes, nämlich mit der Mitbestimmung in den sozialen Angelegenheiten des § 87 BetrVG. Die Kenntnis dieser Mitbestimmungstatbestände im Überblick stellt betriebsverfassungsrechtliches Grundwissen dar. Dabei kommt es nicht in erster Linie darauf an, ob und inwieweit in der Praxis des jeweiligen Betriebes Mitbstimmungsangelegenheiten aus dem Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG mehr oder weniger häufig durch das Verhalten des Arbeitgebers aktuell werden, sondern es ist auch zu beachten, daß im Rahmen des § 87 BetrVG Initiativrechte des Betriebsrats bestehen. Es zählt von daher zu den notwendigen Grundkenntnissen von Betriebsratsmitgliedern, im Überblick zu wissen, inwieweit für den Betriebsrat zwingende Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten bestehen, inwieweit ihm selbst Initiativrechte zustehen, wo die Grenzen der Mitbestimungs- bzw. Initiativrechte liegen, welche Regelungsmöglichkeiten bzw. -methoden das Gesetz im Fall der Einigung wie auch im Fall der Nichteinigung zur Verfügung stellt, inwieweit eine gerichtliche Kontrolle möglich ist und welche Schritte von Gesetzes wegen bei Rechtsverstößen gegen Mitbestimmungsrechte vorgesehen sind. Die Kenntnisse hierüber sind als Grundwissen anzusehen, solange sie sich auf einen inhaltlichen und methodischen Überblick beschränken. Dagegen wird der Bereich des Grundwissens verlassen, wenn einzelne Mitbestimmungstatbestände oder -methoden vertieft gelehrt werden. Dann handelt es sich nicht mehr um Grundwissen, sondern um (spezielle) Aufbaukenntnisse.
Der hier in Rede stehende Lehrgang beschränkt sich nach Inhalt und Dauer noch auf die Vermittlung von Grundwissen. Er befaßt sich nach seinem Programm an zweieinhalb Arbeitstagen ausschließlich mit einer geordneten Übersicht über die Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG. Er stellt nach der Seminareinführung den Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag (§ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG) und den Unterschied zwischen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten vor (ein Tag). An einem Nachmittag geht es um methodische Regelungsmöglichkeiten im Fall der Einigung, an einem Vormittag um die Einigungsstelle, an einem weiteren Nachmittag um die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten aus Anlaß des Einigungsstellenverfahrens und um die zivilrechtliche Verfolgung grober Verstöße sowie schließlich am Vormittag des letzten Tages um die strafrechtliche bzw. behördliche Verfolgung von Verstößen. Damit hält sich der Lehrgang thematisch wie auch in der Tiefe der zu vermittelnden Kenntnisse im Bereich dessen, was als Grundwissen anzusehen ist. Die Zeitdauer von insgesamt fünfeinhalb Arbeitstagen läßt den Schluß zu, daß lediglich Grundkenntnisse, nicht aber Aufbauwissen vermittelt werden.
Sowohl nach seinem Inhalt, der sich zwanglos als Grundwissen für die Arbeit eines Betriebsratsmitgliedes einordnen läßt, als auch nach der aus der Dauer des Lehrgangs zu schließenden Intensität der Kenntnisvermittlung entspricht der hier in Rede stehende Lehrgang anderen Lehrgängen, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lediglich der Vermittlung von Grundwissen dienen, z. B. die vierzehntägige Schulung „Arbeitsschutz und Unfallverhütung II” der Industriegewerkschaft Metall (siehe BAGE 52, 78 = AP Nr. 54 zu § 37 BetrVG 1972); die Schulung über die Geschäftsführung des Betriebsrates und die Vorbereitung und Durchführung von Betriebsversammlungen (Beschluß vom 19. Januar 1984 – 6 ABR 12/81 –, n. v.); die vierzehntägige Schulung „Arbeitsrecht I” der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (BAGE 53, 186 = AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972).
2. Bei Schulungen, die der Vermittlung solchen Grundwissens dienen, bedarf es im Regelfall keiner näheren Darlegung, daß der Erwerb derartiger Kenntnisse durch ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied für die Betriebsratsarbeit aktuell erforderlich ist. Auch bei Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit der konkreten Situation des jeweiligen Betriebes kann doch im allgemeinen davon ausgegangen werden, daß der Betriebsrat Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts alsbald oder doch aufgrund einer typischen Fallgestaltung demnächst benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können (BAG Beschlüsse vom 27. September 1974 – 1 ABR 71/73 – und vom 21. November 1978 – 6 ABR 10/77 – AP Nr. 18 und 35 zu § 37 BetrVG 1972).
Das gilt jedenfalls dann, wenn die Schulung zu einer Zeit stattfindet, in der die Amtszeit des Betriebsrats noch längere Zeit dauert. Für einen größeren Zeitraum läßt sich im voraus kaum übersehen, welche Aufgaben auf den Betriebsrat bis zum Ende seiner Amtszeit zukommen werden, so daß Grundkenntnisse aus allen oder doch fast allen Bereichen des Betriebsverfassungsrechts für die Betriebsratsmitglieder notwendig sind, damit sie auch eventuell neu anfallende Aufgaben sachgerecht bewältigen können. Anders verhält es sich dagegen, wenn sich – wie hier – die Amtszeit des Betriebsrats bei Durchführung der Schulung bereits ihrem Ende nähert. Im vorliegenden Fall lagen zwischen dem Ende der Schulungsveranstaltung am 23. Januar 1987 und der Neuwahl des Betriebsrats am 13. April 1987 nur etwa zwei Monate und drei Wochen. Das ist ein überschaubarer Zeitraum, für den sich in der Regel absehen läßt, welche Aufgaben auf den Betriebsrat bis zum Ablauf seiner Amtszeit noch zukommen werden und inwieweit zur Wahrnehmung seiner Aufgaben noch Schulungsbedarf besteht. In solchen Fällen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, ein schon längere Zeit amtierendes und dadurch mit den immer wiederkehrenden Routineaufgaben bereits vertrautes Betriebsratsmitglied bedürfe auch für den verhältnismäßig geringen Rest der Amtszeit des Betriebsrats noch der Vermittlung von Grundkenntnissen aus allen Bereichen des Betriebsverfassungsrechts. Vielmehr muß in derartigen Fällen näher dargelegt werden, warum das betreffende Betriebsratsmitglied auch unter Berücksichtigung der durch seine bisherige praktische Betriebsratsarbeit bereits erworbenen Kenntnisse der in Frage stehenden Schulung mit dem dafür vorgegebenen Themenkatalog im Hinblick auf die konrete Situation des Betriebes und die auf den Betriebsrat für den Rest seiner Amtszeit noch zukommenden Aufgaben bedarf. An einer solchen näheren Darlegung der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme des Antragstellers, der zum Zeitpunkt des Schulungsbeginns dem Betriebsrat bereits sechzehn Monate als ordentliches Mitglied angehörte, fehlt es hier.
Auf eine nähere Darlegung der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme kann in Fällen wie dem vorliegenden auch nicht deswegen verzichtet werden, weil das betreffende Betriebsratsmitglied auch für den neuen Betriebsrat kandidieren will und seine Wiederwahl wahrscheinlich ist. Auch das bisherige Betriebsratsmitglied hat für die künftige Wahl keinen anderen Status als den eines Wahlbewerbers. Zudem ist eine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang einer Wiederwahl häufig nicht möglich.
IV. Weil die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds K an der in Rede stehenden Schulung nicht als erforderlich beurteilt werden durfte, kann unentschieden bleiben, ob ihr auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegensteht.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Nehring, Kordus
Fundstellen