Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Rechtsbehelf. Rechtsmittel. Rechtsmittelbelehrung. gerichtlicher Hinweis auf die Nichtzulassungsbeschwerde. Fristbeginn für die Nichtzulassungsbeschwerde. Prozeßrecht
Orientierungssatz
- Im Urteil des Landesarbeitsgerichts muß weder über den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72a ArbGG) belehrt noch auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen werden.
- § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG, nach dem die Frist für ein Rechtsmittel nur beginnt, wenn die Partei über das Rechtsmittel im einzelnen schriftlich belehrt worden ist, findet auf die Nichtzulassungsbeschwerde des § 72a ArbGG keine Anwendung. Die Rechtsbehelfsfristen laufen auch ohne gerichtlichen Hinweis auf die Nichtzulassungsbeschwerde.
Normenkette
ArbGG § 9 Abs. 5, §§ 72, 72a
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses und über Vergütungsansprüche. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers dem Zahlungsantrag teilweise stattgegeben. Es hat in dem den Parteien am 13. Februar 2003 mit Tatbestand und Entscheidungsgründen zugestellten Urteil die Revision “mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG” nicht zugelassen und ohne einen Hinweis auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde unter “Rechtsmittelbelehrung” ausgeführt, gegen dieses Urteil sei für beide Parteien ein Rechtsmittel nicht gegeben. Mit der auf Divergenz gestützten, beim Bundesarbeitsgericht am 15. Mai 2003 eingegangenen Beschwerde begehrt die Beklagte die nachträgliche Zulassung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 72a Abs. 2 ArbGG beim Bundesarbeitsgericht eingelegt worden ist. Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf § 9 Abs. 5 Sätze 3 und 4 ArbGG. Die Belehrung durch das Landesarbeitsgericht, ein Rechtsmittel sei nicht gegeben (§ 9 Abs. 5 Satz 2 ArbGG), trifft zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG stellt kein Rechtsmittel dar. Über die Nichtzulassungsbeschwerde ist weder im Sinne des § 9 Abs. 5 ArbGG förmlich zu belehren noch bedarf es eines Hinweises auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde.
1. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mit Beschluß vom 1. April 1980 (– 4 AZN 77/80 – BAGE 33, 79 = AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 5 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 12) entschieden, daß die Nichtzulassungsbeschwerde Rechtsbehelf, nicht Rechtsmittel ist. Der Lauf der Beschwerdefrist beginnt anders als im Falle des § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG auch dann, wenn die Belehrung über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist, über die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form unterblieben ist. Hieran hält der Senat fest. Bei der Nichtzulassungsbeschwerde des § 72a ArbGG geht es nicht um die Überprüfung der Sachentscheidung oder der sich hierauf beziehenden Nebenentscheidungen des Landesarbeitsgerichts, sondern um die Frage, ob das Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung (einschließlich der Nebenentscheidungen) überhaupt erst zugelassen werden kann; denn im arbeitsgerichtlichen Verfahren stehen nur zwei Instanzen zur Verfügung, es sei denn, die Revision ist durch Landesarbeitsgericht oder Bundesarbeitsgericht zugelassen worden (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Die Landesarbeitsgerichte haben sich auf diese Rechtsprechung eingestellt. Zu Unstimmigkeiten oder Schwierigkeiten ist es in der Praxis bisher nicht gekommen. Zwar werden im arbeitsrechtlichen Schrifttum schon seit längerer Zeit und auch weiterhin Bedenken erhoben (vgl. GK-ArbGG/Bader Stand Mai 2003 § 9 Rn. 88; Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 9 Rn. 25 f.; dem BAG dagegen zustimmend zB GK-ArbGG/Ascheid Stand Mai 2003 § 72a Rn. 2, 45; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 72a Rn. 4, alle mit weiteren Nachweisen) ; jedoch hat der Gesetzgeber diese trotz mehrfacher Änderungen des Arbeitsgerichtsgesetzes nicht aufgegriffen.
2. Die Monatsfrist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde lief ab der Zustellung des Urteils am 13. Februar 2003, obwohl es auch an einem Hinweis auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde fehlte. Eine gesetzliche Hinweispflicht besteht nicht. Eine “mindere Form” der Rechtsmittelbelehrung als Voraussetzung für den Beginn des Fristlaufs kommt bei Unanwendbarkeit des § 9 Abs. 5 ArbGG nicht in Betracht. Der Hinweis ist auch nicht aus Gründen eines fairen Verfahrens erforderlich. Den in zweiter Instanz vor den Landesarbeitsgerichten vertretungsberechtigten Rechtsanwälten und Verbandsvertretern kann zugemutet werden, sich nicht nur über die gesetzlichen Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde, sondern auch über die Möglichkeit des Rechtsbehelfs überhaupt zu informieren. Die Rechtsbehelfsfristen des § 72a ArbGG laufen auch ohne gerichtlichen Hinweis auf die Nichtzulassungsbeschwerde (ebenso ArbGV/Bepler § 72a Rn. 5; GK-ArbGG/Ascheid Stand Mai 2003 § 72a Rn. 45; noch offengeblieben BAG 1. April 1980 – 4 AZN 77/80 – BAGE 33, 79, 82 = AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 5 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 12).
III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen.
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 GKG.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck
Fundstellen
DB 2003, 2184 |
FA 2003, 371 |
FA 2004, 160 |
NZA 2004, 456 |
SAE 2004, 160 |
ZTR 2004, 98 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 16 |
EzA |
NZA-RR 2004, 42 |
NJOZ 2004, 1543 |
SPA 2003, 7 |