Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift
Leitsatz (redaktionell)
Hat ein zum Kreis der Prozeßbevollmächtigten gehörender Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Mitglied der bevollmächtigten Anwaltskanzlei eine von einem anderen Prozeßbevollmächtigten abgefaßte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift mit einem auf den sachbearbeitenden Rechtsanwalt hinweisenden Zusatz unterzeichnet, so ist in der Regel davon auszugehen, daß er auch die Verantwortung für den Inhalt dieser fristwahrenden bestimmenden Schriftsätze übernimmt. Ob dies auch gilt, wenn ein nicht im Briefkopf erwähnter oder in der Prozeßvollmacht nicht als Prozeßbevollmächtigter ausgewiesener Rechtsanwalt gehandelt hat, bleibt unentschieden.
Normenkette
ZPO § 518; ArbGG § 77; ZPO § 519 b
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 04.06.1987; Aktenzeichen 10 Sa 48/87) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 25.09.1986; Aktenzeichen 5 Ca 263/86) |
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Feststellung, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch Aufhebungsvertrag vom 31. Januar 1986 zum 31. Juli 1986 aufgelöst worden ist oder fortbesteht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihm am 10. Dezember 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 9. Januar 1987 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 7. Januar 1987 Berufung eingelegt. Auf Antrag des Klägers wurde die Berufungsbegründungsfrist von dem Landesarbeitsgericht bis zum 9. März 1987 verlängert. Mit einem am 9. März 1987 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Berufung begründet.
Die Berufungsbegründungsschrift vom 9. März 1987 trägt das Diktatzeichen "R/r" und enthält auf der letzten Seite links neben der eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts Dr. K folgenden maschinenschriftlichen Vermerk:
"Dr. R
Rechtsanwalt
(nach Diktat verreist)".
Unter der eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts Dr. K befindet sich der folgende maschinenschriftliche Zusatz:
"i. V.
Dr. K
Rechtsanwalt".
Auf eine entsprechende Anfrage des Landesarbeitsgerichts vom 10. März 1987 teilte Rechtsanwalt Dr. K mit, daß Rechtsanwalt Dr. R die Berufungsbegründung vom 9. März 1987 am 7. März 1987 diktiert habe. Am 9. März 1987 sei er ins Krankenhaus eingeliefert worden, so daß er infolge höherer Gewalt an der eigenhändigen Unterschriftsleistung gehindert gewesen sei.
Das Landesarbeitsgericht hat durch Beschluß vom 4. Juni 1987 die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und die Revisionsbeschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, Rechtsanwalt Dr. K habe nicht deutlich gemacht, daß er die inhaltliche Verantwortung für die von Rechtsanwalt Dr. R verfaßte Berufungsbegründungsschrift trage. Die von ihm geleistete Unterschrift sei "rein formaler Art" und daher nicht genügend.
II. Die nach § 77 ArbGG in Verb. mit § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige Revisionsbeschwerde des Klägers ist begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Berufungsbegründungsschrift entspreche nicht der gesetzlichen Form, weil Rechtsanwalt Dr. K nicht hinreichend deutlich gemacht habe, daß er die inhaltliche Verantwortung für die Berufungsbegründung trage.
1. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müssen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet sein (BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO m.w.N.). Fehlt es hieran, so ist das Rechtsmittel unzulässig (BAG Urteil vom 30. Mai 1978 - 1 AZR 664/75 - AP Nr. 42 zu § 518 ZPO). Ein durch Telekopie eingelegtes Rechtsmittel muß die Unterschrift des Absenders wiedergeben (BAG Beschluß vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 86/83 - AP Nr. 2 zu § 94 ArbGG 1979; BSG Beschluß vom 28. Juni 1985 - 7 BAr 36/85 - AP Nr. 1 zu § 160 a SGG). Auf das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten haben die obersten Gerichtshöfe des Bundes (BGH Beschluß vom 29. April 1960 - 1 StR 114/60 - NJW 1960, 1310; BFHE 92, 438; BSG Urteil vom 19. Oktober 1977 - IV RJ 31/77 - USK 77217; BAG Beschluß vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 86/83 - AP Nr. 2 zu § 94 ArbGG 1979, unter B 2 a der Gründe) in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 139, 45) lediglich - wegen der objektiven Unmöglichkeit - bei der Einlegung von Rechtsmitteln durch Telegramm verzichtet.
Die eigenhändige Unterschrift soll dem Nachweis dienen, daß das Rechtsmittel von einer Person, die nach der maßgeblichen Prozeßordnung befähigt und befugt ist, Prozeßhandlungen vorzunehmen, in eigener Verantwortung eingelegt bzw. begründet wird (BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO; BGH Beschluß vom 20. Dezember 1965 - VIII ZB 33/65 - LM Nr. 3 zu § 518 Abs. 4 ZPO; BGH Urteil vom 4. Juni 1975 - I ZR 14/74 - NJW 1975, 1705; BGH Beschluß vom 22. Dezember 1970 - VI ZB 18/70 - VersR 1971, 373).
Im Streitfall hat ein nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähiger Prozeßbevollmächtigter die Berufungsbegründung handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet. Rechtsanwalt Dr. K ist Mitglied der vom Kläger mit der Prozeßführung beauftragten Anwaltskanzlei. Er ist damit ebenso wie der ebenfalls dieser Anwaltskanzlei angehörende Rechtsanwalt Dr. R Prozeßbevollmächtigter des Klägers. Beide Rechtsanwälte sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähig.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann nicht angenommen werden, daß Rechtsanwalt Dr. K nicht die inhaltliche Verantwortung für die Berufungsbegründung habe übernehmen wollen. Es ist regelmäßig davon auszugehen, daß ein Prozeßbevollmächtigter mit seiner Unterschrift auch für den Inhalt eines bestimmenden Schriftsatzes die Verantwortung übernimmt (BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO, unter II der Gründe; BAGE 4, 63, 65 = AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1952; BAGE 11, 130 ff. = AP Nr. 15 zu § 519 ZPO). Denn der Sinn einer solchen Unterzeichnung ist durchweg, daß der Unterzeichner für den Inhalt des von ihm unterzeichneten Schriftstücks geradestehenden will (BAGE 11, 130, 132 = AP Nr. 15 zu § 519 ZPO; BGHZ 37, 156; BGH Urteil vom 20. April 1972 - VII ZR 120/71 - VersR 1972, 787). Das äußere Merkmal der Unterschrift eines Prozeßbevollmächtigten reicht daher regelmäßig aus, ohne daß ein darüber hinaus gehender Nachweis zu fordern wäre.
Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Daß sich neben der eigenhändigen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten Dr. K zugleich noch der maschinenschriftliche Vermerk "Dr. R Rechtsanwalt (nach Diktat verreist)" sowie der maschinenschriftliche Zusatz "i.V. Dr. K " befinden, stellt kein eindeutiges Indiz dafür dar, daß Rechtsanwalt Dr. K hierdurch zum Ausdruck bringen wollte, nicht die inhaltliche Verantwortung für den von ihm eigenhändig unterzeichneten Berufungsbegründungsschriftsatz zu übernehmen.
Die Rechtslage unterscheidet sich im Streitfall von den Fällen, in denen eine nicht zur Prozeßführung bevollmächtigte Person in Vertretung des Prozeßbevollmächtigten eine Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift eigenhändig unterzeichnet. Auch in den Fällen der zuletzt genannten Art ist die Unterzeichnung der Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift durch einen Vertreter des Prozeßbevollmächtigten zulässig, wenn der Unterzeichnende zur Vertretung befugt ist (BGH Beschluß vom 19. Februar 1976 - VII ZB 1/76 - VersR 1976, 689; BGH Beschluß vom 24. März 1976 - VIII ZB 4/76 - VersR 1976, 830; BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO; BAG Urteil vom 26. Juli 1967 - 4 AZR 172/66 - AP Nr. 11 zu § 518 ZPO; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 518 Anm. B I b; Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 518 Rz 25). Bei den nicht zur Prozeßführung bevollmächtigten Personen, die lediglich als Vertreter (z. B. als allgemein bestellter Vertreter nach § 53 BRAO) oder in Untervollmacht für den Prozeßbevollmächtigten handeln, kann es eher zweifelhaft sein, ob sie mit ihrer Unterschrift auch die inhaltliche Verantwortung für eine nicht von ihnen verfaßte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift übernehmen wollen.
Hat dagegen - wie hier - ein zum Kreis der Prozeßbevollmächtigten gehörender Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Mitglied der bevollmächtigten Anwaltskanzlei eine von einem anderen Prozeßbevollmächtigten abgefaßte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift unterzeichnet, so ist in der Regel davon auszugehen, daß er auch die Verantwortung für den Inhalt dieser fristwahrenden bestimmenden Schriftsätze übernimmt. Ob dies auch gilt, wenn ein nicht im Briefkopf erwähnter oder in der Prozeßvollmacht nicht als Prozeßbevollmächtigter ausgewiesener Rechtsanwalt gehandelt hat, kann hier dahinstehen. Die im Streitfall vorliegenden maschinenschriftlichen Zusätze bringen lediglich zum Ausdruck, daß die Berufungsbegründungsschrift von dem - an der Unterschriftsleistung verhinderten - Prozeßbevollmächtigten Dr. R abgefaßt ist. Derartige maschinenschriftliche Zusätze können in den Fällen der vorliegenden Art aber nicht dahin verstanden werden, daß damit der unterzeichnende - postulationsfähige - und ebenfalls zur Prozeßführung bevollmächtigte kanzleiangehörige Rechtsanwalt zweifelsfrei zum Ausdruck bringen will, trotz eigenhändiger Unterschriftsleistung nicht die inhaltliche Verantwortung für die Berufungsbegründungsschrift zu übernehmen. Da derartige Zusätze im Zusammenhang mit der Unterschrift zu Fehlinterpretationen Anlaß geben können, sollten in der Praxis entsprechende Sachbearbeitervermerke anderweitig zum Ausdruck gebracht werden (z. B. im Diktatzeichen).
2. Da der Kläger somit die formgerecht eingelegte Berufung ordnungsgemäß begründet hat, war der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens überlassen ist.
Dr. Becker Schliemann Dr. Steckhan
Fundstellen
BB 1987, 2028 |
NJW 1987, 3279 |
NJW 1987, 3279-3280 (LT) |
RdA 1987, 383 |
AP § 54 ZPO (LT1), Nr 54 |
EzA § 518 ZPO, Nr 32 (LT) |