Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Schulungsveranstaltung als geeignet
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung ist nur dann im Sinne des § 37 Abs 7 BetrVG geeignet, wenn die vermittelten Kenntnisse nicht nur im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit stehen, sondern ihr überdies dienlich und förderlich sind. Die Veranstaltung muß nach Zielsetzung und Inhalt darauf angelegt sein, für eine sach- und fachgerechte Erfüllung der im geltenden Recht vorgesehenen Betriebsratsaufgaben zu sorgen, so daß für sie nennenswerte Vorteile zu erwarten sind. Der für die Betriebsratstätigkeit zu erwartende Nutzen darf kein bloßer Nebeneffekt von untergeordneter Bedeutung sein.
2. Wenn sich eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung teilweise mit Themen befaßt, die im Sinne des § 37 Abs 7 BetrVG nicht geeignet sind, muß entweder die Anerkennung verweigert oder durch entsprechende Nebenbestimmungen sichergestellt werden, daß die Veranstaltung in vollem Umfang geeignet ist. Soweit dem Beschluß vom 18. Dezember 1973 1 ABR 35/73 (BAGE 25, 452, 468 = AP Nr 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 3 d der Gründe) eine andere Auffassung entnommen werden kann, wird sie aufgegeben.
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats: "Antrags- und Beteiligungsbefugnis der Spitzenorganisationen der Arbeitgeberverbände in Beschlußverfahren über die Anerkennung einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung als geeignet im Sinne des § 37 Abs 7 BetrVG; Zuständigkeit der Arbeitsgerichte; Rechtsschutzinteresse für einen Aufhebungsantrag auch noch nach Durchführung der als geeignet anerkannten Veranstaltung."
2. Geeignetheit des Lehrgangs "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" (hier verneint, da sozialgeschichtliche Schulung).
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.08.1992; Aktenzeichen 18 TaBV 73/92) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.03.1992; Aktenzeichen 9 BV 30/92) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Anerkennung einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 7 BetrVG.
Auf Antrag des Gemeinnützigen Bildungswerks des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hatte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen trotz der schriftlich geäußerten Bedenken der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen den Lehrgang GA 83 "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit", der vom 26. Februar bis 3. März 1989 in der DGB-Bundesschule Hattingen stattfand, mit Bescheid vom 21. Februar 1989 als geeignet im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG anerkannt. Der Themenplan, der Bestandteil der Anerkennung war, lautete:
"Montag
vormittags Vorstellung des Seminarprogramms
unter Einbeziehung von Teilnehmer-
interessen
Film: "Kaiser, Bürger und Genos-
sen"
Montag
nachmittags Die Arbeiterbewegung vor der Grün-
dung der Arbeiterparteien
Referat und Diskussion
Dienstag
vormittags Die Geschichte der sozialen Ideen
a) Der demokratische Sozialismus
Einführendes Referat und Arbeits-
gruppen zu ausgewählten Schriften
Dienstag
nachmittags b) Die christliche Soziallehre
Einführendes Referat und Arbeits-
gruppen zu ausgewählten Schriften
Mittwoch
vormittags Überblick über die Gründung und
Entwicklung von SPD und Gewerk-
schaften bis zum Ende des
19. Jhdt.
Referat und Diskussion
Mittwoch
nachmittags Betriebliche Interessenvertretung
zwischen Illegalität und Legalität
- Arbeitskonflikte im Kaiserreich
Einführendes Referat und Arbeits-
gruppen zu Fallbeispielen
Donnerstag
vormittags Darstellung der Arbeitsgruppener-
gebnisse und gemeinsame Diskussion
Erarbeitung von Thesen zur Frage
der Möglichkeiten und Grenzen der
Interessenvertretung von Arbeitern
im Kaiserreich
Donnerstag
nachmittags Der Revisionismusstreit und die
Massenstreikdebatte in der SPD und
den Freien Gewerkschaften
Arbeitsgruppen und Diskussion an-
hand ausgewählter Schriften und
Reden
Freitag
vormittags Der Weg in den Krieg - Darstellung
der Ereignisse im Sommer 1914
Die Haltung der Gewerkschaften und
der SPD zur Kriegsfrage - Referat
und Diskussion
Freitag
nachmittags Abschlußdiskussion und Seminarkri-
tik."
Dieser Lehrgang wandte sich an "interessierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie an gewerkschaftliche Funktionsträger (Vertrauensleute, Betriebs- und Personalräte, Mitglieder in Personengruppenausschüssen, Mitarbeiter in der gewerkschaftlichen Bildungs- und Kulturarbeit)". Der Bezug zum Betriebsverfassungsgesetz wurde im Lehrgangsprogramm wie folgt begründet:
"Das Seminar behandelt zentral die Entstehung der
Idee einer betrieblichen Interessenvertretung von
Arbeitnehmern sowie die Entstehung von Vorformen
von Bestandteilen des BetrVG."
Die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen hat die Auffassung vertreten, der Lehrgang "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" habe nicht nach § 37 Abs. 7 BetrVG als geeignet anerkannt werden dürfen. Er habe nicht dazu beigetragen, die Befähigung der Betriebsratsmitglieder zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu verbessern. Auch bei einer Gesamtbetrachtung habe ein ausreichender Bezug zur Betriebsratstätigkeit gefehlt. Im übrigen dürfe bei der Anerkennung nicht auf das Gesamtgepräge der Veranstaltung abgestellt werden. Vielmehr müsse die oberste Arbeitsbehörde des Landes bei nur teilweise geeigneten Veranstaltungen für eine Programmänderung sorgen und bei Unterbleiben einer entsprechenden Änderung die Anerkennung versagen.
Die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen hat beantragt,
den Anerkennungsbescheid des Ministeriums für Ar-
beit, Gesundheit und Soziales des Landes Nord-
rhein-Westfalen vom 21. Februar 1989 (Az.:
I C 4 - 1401.2 - 18/89), betreffend den Antrag
des Gemeinnützigen Bildungswerkes des DGB vom
26. Januar 1989 auf Anerkennung der von der DGB--
Bundesschule Hattingen in der Zeit vom 26. Fe-
bruar bis 3. März 1989 durchgeführten Veranstal--
tung GA 83 "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" auf-
zuheben.
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, der Lehrgang "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" sei zu Recht nach § 37 Abs. 7 BetrVG als geeignet anerkannt worden. Er habe die Entstehung von Vorformen von Bestandteilen des Betriebsverfassungsgesetzes behandelt. Eine engagierte Betriebsratstätigkeit setze Kenntnisse der Entstehungsgeschichte der betrieblichen Interessenvertretung voraus, so daß trotz der manchmal irritierenden Formulierungen der einzelnen Themen im Lehrgangsprogramm ein ausreichender Bezug zur Betriebsratstätigkeit gegeben sei. Für die Anerkennung eines Lehrgangs nach § 37 Abs. 7 BetrVG sei es unerheblich, ob einzelne Themen nicht geeignet seien. Es genüge, daß der als geeignet anzuerkennende Teil mehr als die Hälfte der gesamten Veranstaltung ausmache. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen.
Die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen hat den Anerkennungsbescheid vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf angefochten, das auf ihren Hilfsantrag hin den Rechtsstreit mit Urteil vom 14. November 1989 - 3 K 1517/89 - an das Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesen hat. Ihre Berufung ist vom Oberverwaltungsgericht Münster mit Beschluß vom 16. Oktober 1991 - 4 A 451/90 - rechtskräftig zurückgewiesen worden. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen abgewiesen. Ihre Beschwerde blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen ihren Antrag weiter. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Anerkennungsbescheid des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 1989 ist aufzuheben, weil die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 37 Abs. 7 BetrVG nicht erfüllt waren.
I. Der Aufhebungsantrag der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen ist zulässig.
1. Obwohl es sich bei dem Anerkennungsbescheid nach § 37 Abs. 7 BetrVG um einen Verwaltungsakt der obersten Arbeitsbehörde des Landes handelt, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAGE 25, 452, 460 ff. = AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 4 der Gründe; BAGE 28, 95, 97 = AP Nr. 23 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; BAGE 63, 35, 37 f. = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972, zu B I der Gründe, der sich das Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Dezember 1976 - VII C 47.75 - BB 1977, 899 = VerwRspr Bd. 28, 765 = DÖV 1977, 571 = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 162, angeschlossen hat; ebenso Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 37 Rz 160; Blanke in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 37 Rz 126; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 124; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 37 Rz 208; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 37 Rz 189; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 64; Wiese, BlStSozArbR 1974, 353, 363; Kopp, ArbuR 1976, 333, 336). Abgesehen davon, daß der Senat trotz kritischer Stimmen in der Literatur (vgl. u. a. Däubler, Schulung und Fortbildung von Betriebsratsmitgliedern und Jugendvertretern nach § 37 BetrVG, 3. Aufl., S. 141 f.; Finkelnburg, DB 1973, 968, 969; Berger-Delhey, BB 1990, 1558 ff.; Schiefer, DB 1991, 1453, 1458 ff.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 165) keinen Anlaß sieht, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, ergibt sich im vorliegenden Fall der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bereits aus dem Verweisungsurteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14. November 1989 in Verbindung mit dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 16. Oktober 1991. Diese Entscheidung ist nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Arbeitsgericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.
2. Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren ist auch die richtige Verfahrensart (vgl. BAGE 25, 452, 460 = AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 4 b der Gründe; BAGE 28, 95, 97 = AP Nr. 23 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe; BAGE 63, 35, 37, 38 = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972, zu B I der Gründe). Im Gegensatz zum Urteilsverfahren enthält es besondere Bestimmungen für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet der Betriebsverfassung, die in vielen Punkten dem Verwaltungsgerichtsprozeß ähneln, vor allem durch die Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes. Die Anerkennung einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung für Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 7 BetrVG ist eine "Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz" im Sinne des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.
3. Die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen ist beteiligungs- und antragsbefugt. Sie ist als Spitzenorganisation der Arbeitgeberverbände im Lande Nordrhein-Westfalen der maßgebende Verband der Arbeitgeberseite auf Landesebene im Anerkennungsverfahren nach § 37 Abs. 7 BetrVG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die im Verwaltungsverfahren zu beteiligenden Verbände auch zur Anfechtung eines nach ihrer Auffassung unrichtigen Anerkennungsbescheids legitimiert (BAG Beschluß vom 5. November 1974 - 1 ABR 146/73 - AP Nr. 19 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe; BAGE 28, 95, 98 = AP Nr. 23 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 3 a der Gründe; BAGE 63, 35, 38 ff. = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972, zu B III der Gründe mit eingehender Begründung; zustimmend Dietz/Richardi, aaO, § 37 Rz 167; Blanke in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aa0, § 37 Rz 116; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aa0, § 37 Rz 161; Wiese, aaO, § 37 Rz 209; Stege/Weinspach, aaO, § 37 Rz 64; Finkelnburg, DB 1973, 968, 969 f.; Berger-Delhey, BB 1990, 1558 f.; Schiefer, DB 1991, 1453, 1462; a. A.: LAG Frankfurt am Main Beschluß vom 6. März 1987 - 15/5 TaBV 151/86 - LAGE § 37 BetrVG 1972 Nr. 24 = ArbuR 1989, 321 (Ls), den das BAG mit Beschluß vom 30. August 1989, BAGE 63, 35 ff. = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972 aufgehoben hat; Mauer, BB 1991, 475 ff.; einschränkend Kopp, ArbuR 1976, 333, 337). Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Die am vorliegenden Verfahren Beteiligten haben sich auch nicht gegen diese Rechtsprechung gewandt. In der Literatur sind keine neuen Argumente vorgebracht worden, so daß sich eine nochmalige umfassende Auseinandersetzung erübrigt.
4. Obwohl die Veranstaltung, die das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen als geeignet anerkannt hat, bereits durchgeführt wurde, besteht weiterhin ein Rechtsschutzinteresse für den Aufhebungsantrag der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen, denn der Anerkennungsbescheid zeitigt noch Rechtswirkungen zu Lasten der Arbeitgeberseite. Nach § 37 Abs. 7 BetrVG hängt der Vergütungsanspruch der Betriebsratsmitglieder für die Zeit der Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung davon ab, daß die Veranstaltung von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes als geeignet anerkannt worden ist. Solange der Anerkennungsbescheid nicht durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden ist, kann der Arbeitgeber nicht gegen den Zahlungsanspruch des Betriebsratsmitglieds einwenden, die Veranstaltung sei nicht geeignet im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG gewesen. Nicht die Eignung, sondern der Erlaß des Anerkennungsbescheids ist anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal (BAGE 35, 337, 339 = AP Nr. 38 zu § 37 BetrVG 1972, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 17. Dezember 1981 - 6 AZR 546/78 - AP Nr. 41 zu § 37 BetrVG 1972, zu 2 a der Gründe; BAGE 63, 35, 42 = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972, zu B III 2 der Gründe). Mit der Aufhebung des Anerkennungsbescheids entfällt eine Anspruchsvoraussetzung des § 37 Abs. 7 BetrVG. Ob sich das Rechtsschutzinteresse für den Aufhebungsantrag außerdem mit zukünftigen Veranstaltungen gleichen Inhalts begründen läßt (so BAGE 25, 452, 464 = AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 5 der Gründe), kann dahingestellt bleiben.
II. Der Antrag der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen ist auch begründet. Der Anerkennungsbescheid des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 1989 ist aufzuheben.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Lehrgang "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" habe trotz seines bedenklichen Titels als geeignet im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG anerkannt werden dürfen, und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Da der Freistellungsanspruch nach § 37 Abs. 7 BetrVG dazu diene, die spezifische Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben zu fördern, gehörten zwar zu den geeigneten Veranstaltungen nicht Schulungen über rein gewerkschafts-, allgemein- oder parteipolitische Fragen und alltägliche Themen. Die Veranstaltung müsse aber dem Betriebsratsmitglied nicht das für seine Betriebsratstätigkeit notwendige Rüstzeug vermitteln. Vielmehr genüge es, daß sie auf die gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats bezogen sei. Die in § 37 Abs. 7 BetrVG angesprochene Geeignetheit sei weitaus extensiver auszulegen als die in § 37 Abs. 6 BetrVG verlangte Erforderlichkeit. Entscheidend sei, daß der vorliegende Lehrgang ausweislich der Vorbemerkung zum Seminarprogramm von dem Rahmen und dem Ziel geprägt worden sei, die Entstehung der Idee einer betrieblichen Interessenvertretung von Arbeitnehmern sowie die Entstehung von Vorformen von Bestandteilen des Betriebsverfassungsgesetzes zu vermitteln. Unter diesen Vorzeichen hätten die behandelten Einzelthemen eine Wertigkeit erfahren, die es zulasse, sie - noch - als solche anzusehen, die einen weiteren Bezug zum Betriebsverfassungsgesetz hätten und für die Betriebsratstätigkeit förderlich seien. Da das streitbefangene Seminar bis zum Donnerstagvormittag sowohl in qualitativer als auch in zeitlicher Hinsicht von Themen geprägt worden sei, die jedenfalls einen weiteren Bezug zum Betriebsverfassungsgesetz aufwiesen, hätten die beiden letzten Veranstaltungsabschnitte, denen die Eignung im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG abzusprechen sei, nichts am Gesamtgepräge der Veranstaltung zu ändern vermocht. Für die Anerkennung einer Veranstaltung als geeignet sei auf ihr Gesamtgepräge abzustellen, weil es zulässig sein müsse, einzelne Nebenthemen in das Seminar aufzunehmen, die dem besseren Verständnis des Hauptthemas dienen sollten.
Dieser Würdigung des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen.
2. Der in § 37 Abs. 7 BetrVG verwandte Begriff "geeignet" ist zwar ein unbestimmter Rechtsbegriff, so daß die Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren nur einer eingeschränkten Nachprüfung unterliegt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u. a. BAGE 14, 117, 120 f. = AP Nr. 8 zu § 37 BetrVG, zu 2 der Gründe; BAGE 25, 348, 355 = AP Nr. 5 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 3 der Gründe; BAGE 25, 452, 467 = AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 3 a der Gründe). Auch dieser eingeschränkten Nachprüfung hält jedoch der angegriffene Beschluß nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat, obwohl seine Entscheidung richtige Ansätze enthält, den maßgeblichen Rechtsbegriff verkannt und bei der Subsumtion wesentliche Umstände außer acht gelassen. Da die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts eine abschließende Entscheidung erlauben und es einer weiteren Sachaufklärung nicht bedarf, ist eine Zurückverweisung der Sache nicht erforderlich (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit § 565 Abs. 3 ZPO).
a) Das Landesarbeitsgericht hat im Anschluß an eine in Rechtsprechung und Literatur vertretene Meinung (vgl. u. a. LAG Baden-Württemberg Beschluß vom 14. Mai 1973 - 4 TaBV 1/73 - EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 6, zu 1 c der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 37 Rz 111; Blanke in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 37 Rz 112; Kopp, ArbuR 1976, 333, 334) angenommen, eine Veranstaltung könne selbst dann insgesamt als geeignet anerkannt werden, wenn ein Teil der Schulungsthemen nicht den Anforderungen des § 37 Abs. 7 BetrVG genüge. Soweit sich diese Auffassung auch dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 1973 (BAGE 25, 452, 468 = AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 3 d der Gründe) entnehmen läßt, hält der Senat, der nunmehr für Rechtsstreitigkeiten über die Anerkennung von Schulungsveranstaltungen (§ 37 Abs. 7 BetrVG) allein zuständig ist, nicht mehr daran fest.
aa) Für die Erforderlichkeit einer Schulung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG kommt es zwar, falls ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung praktisch nicht möglich oder sinnlos ist, darauf an, daß die Schulungszeit, auf die erforderliche Themen entfallen, überwiegt (vgl. BAG Urteil vom 28. Mai 1976 - 1 AZR 116/74 - AP Nr. 24 zu § 37 BetrVG 1972, zu 3 a der Gründe, unter Aufgabe der früheren Geprägetheorie; BAG Urteil vom 21. Juli 1978 - 6 AZR 561/75 - AP Nr. 4 zu § 38 BetrVG 1972, zu 1 b der Gründe). Diese Rechtsprechung läßt sich jedoch nicht auf § 37 Abs. 7 BetrVG übertragen. Abgesehen davon, daß bei der Anwendung des § 37 Abs. 6 BetrVG im Gegensatz zu § 37 Abs. 7 BetrVG von den konkreten Verhältnissen im jeweiligen Betrieb und Betriebsrat auszugehen ist und ein für alle Schulungsteilnehmer passender Themenplan daher schwerer zu erstellen ist als in den Fällen des § 37 Abs. 7 BetrVG, ist nach § 37 Abs. 7 BetrVG - anders als nach § 37 Abs. 6 BetrVG - in einem besonderen behördlichen Verfahren vorab zu klären, ob und inwieweit die geplante Veranstaltung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die Schulung wird auch deshalb überprüft, um dafür zu sorgen, daß der Veranstalter die Grenzen des § 37 Abs. 7 BetrVG nicht überschreitet und die Arbeitgeber nicht mit Arbeitsfreistellungen für ungeeignete Schulungen belastet werden. Dem Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens widerspräche es, wenn die oberste Arbeitsbehörde des Landes teilweise ungeeignete Veranstaltungen anerkennen dürfte oder müßte. Sie muß entweder die Anerkennung verweigern oder durch entsprechende Nebenbestimmungen sicherstellen, daß die Schulung in vollem Umfang im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG geeignet ist (ebenso u. a. Dietz/Richardi, aaO, § 37 Rz 123; Wiese, aaO, § 37 Rz 142; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 37 Rz 158; Hanau in Festschrift für Müller, 1983, S. 169, 183 ff.; Schiefer, DB 1991, 1453, 1457 f.). Mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist es nicht zu vereinbaren, wenn die oberste Arbeitsbehörde des Landes es ausdrücklich zuläßt (der Themenplan ist Bestandteil der Anerkennung), daß der Veranstalter in eine Schulung nach § 37 Abs. 7 BetrVG ungeeignete Themen mit einbezieht.
bb) Das Argument des Landesarbeitsgerichts, es müsse zulässig sein, einzelne Nebenthemen in das Seminar aufzunehmen, die dem besseren Verständnis des Hauptthemas dienen sollen, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Wenn das Hauptthema selbst im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG geeignet ist und mit dem Nebenthema in erster Linie das Verständnis für das Hauptthema gefördert werden soll, lassen sich Neben- und Hauptthema nicht trennen. Das Nebenthema ist dann aufgrund seiner Hilfsfunktion im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG geeignet.
Im vorliegenden Fall ändert sich allerdings im Ergebnis selbst dann nichts, wenn auf das Gesamtgepräge oder den zeitlichen Schwerpunkt der Veranstaltung abgestellt würde. Das Seminar "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" ist weder im ganzen noch in seinen einzelnen Themen im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG geeignet.
b) Für die Geeignetheit einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG kommt es nicht in erster Linie auf die Eignung des Veranstaltungsträgers, sondern vor allem auf die jeweiligen Themen und die Ausgestaltung der Veranstaltung an (BAGE 25, 452, 467 = AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 3 b der Gründe; BAGE 28, 95, 100 = AP Nr. 23 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe). Die Themen müssen einen hinreichenden Bezug zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats aufweisen. § 37 Abs. 7 BetrVG dient entgegen der vor allem von Däubler (Schulung und Fortbildung von Betriebsratsmitgliedern und Jugendvertretern nach § 37 BetrVG, 3. Aufl., S. 52 f., 60 ff.; ebenso Blanke in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 37 Rz 110) vertretenen Auffassung nicht dazu, Rückstände an Allgemeinwissen bei den Betriebsratsmitgliedern abzubauen, allgemeine staatsbürgerliche Fortbildung zu vermitteln oder allgemein eine "intellektuelle Parität" oder Chancengleichheit mit den Arbeitgebern herzustellen (BAGE 28, 95, 101 = AP Nr. 23 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe; BAG Beschluß vom 15. August 1978 - 6 ABR 65/76 -, n.v., zu III 3 c der Gründe; ebenso die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. u. a. Dietz/Richardi, aaO, § 37 Rz 119; Wiese, aaO, § 37 Rz 137 f.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 37 Rz 157; Stege/Weinspach, aaO, § 37 Rz 63; Eich, BB 1973, 1032 ff.; Klinkhammer, BB 1973, 1399, 1400; Kraft, DB 1973, 2519 ff.; Wiese, BlStSozArbR 1974, 353, 359; Liebers, DB 1980, 638, 640; Schiefer, DB 1991, 1453, 1456). Dies können und sollen Veranstaltungen nach § 37 Abs. 7 BetrVG nicht leisten. Durch das in § 37 Abs. 7 BetrVG enthaltene einschränkende Tatbestandsmerkmal "geeignet" soll nicht lediglich verhindert werden, daß nahezu jedes beliebige Thema behandelt werden kann. Der Freistellungsanspruch bezweckt vielmehr, die spezifische Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben zu fördern. Aus der systematischen Stellung des § 37 Abs. 7 BetrVG im Abschnitt über die Geschäftsführung des Betriebsrats und aus der Erhöhung des Freistellungsanspruchs für erstmals amtierende Betriebsratsmitglieder, die noch nicht Jugendvertreter waren, ergibt sich, daß der Freistellungsanspruch wegen der Betriebsratstätigkeit besteht und dementsprechend zwischen dem Inhalt der besuchten Veranstaltung und der ordnungsgemäßen Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ein ausreichender Zusammenhang bestehen muß. Eine allgemeine Bildungsmaßnahme ohne hinreichenden Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit würde zudem eine mit § 78 Satz 2 BetrVG nicht zu vereinbarende Begünstigung darstellen. Der Gesetzgeber wollte mit den unter § 37 Abs. 7 BetrVG fallenden Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die Qualifikation der einzelnen Betriebsratsmitglieder fördern. In dem schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung (zu BT Drucks. VI/2729 S. 14) heißt es dazu:
"Der Ausschuß war einmütig der Auffassung, daß
wegen der quantitativ und qualitativ wachsenden
Aufgaben des Betriebsrates die Qualifikation der
Betriebsratsmitglieder gefördert werden müsse.
Nur solche Betriebsratsmitglieder, die über ein
ausreichendes Maß an sozialpolitischen, wirt-
schaftlichen, rechtlichen und technischen Kennt-
nissen verfügen, können ihr Amt sach- und fachge-
recht ausüben. Aus diesem Grunde sieht der inso-
weit einstimmig beschlossene Entwurf für jedes
Betriebsratsmitglied pro Amtszeit einen Anspruch
auf bezahlte Freistellung von drei Wochen für die
Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltun-
gen vor, die von der obersten Arbeitsbehörde
eines Landes als geeignet anerkannt sind. Dieser
Anspruch erhöht sich für Arbeitnehmer, die erst-
mals die Funktion eines Arbeitnehmervertreters
übernehmen, wegen ihrer besonderen Schulungsbe-
dürftigkeit auf vier Wochen."
c) Bei der Beantwortung der Frage, wie intensiv der Bezug der Schulungsveranstaltung zur Betriebsratstätigkeit sein muß, kommt den gesetzessystematischen Zusammenhängen und den Unterschieden zwischen § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG besondere Bedeutung zu. Die unter § 37 Abs. 6 BetrVG fallenden Schulungs- und Bildungsveranstaltungen müssen Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Die Kenntnisse sind dann erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in näherer Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann (vgl. u. a. BAGE 25, 325, 328 = AP Nr. 4 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe; BAGE 52, 78, 80 f. = AP Nr. 54 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 a der Gründe; BAGE 63, 35, 43 = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972, zu B III 2 der Gründe; BAG Urteil vom 18. September 1991 - 7 AZR 125/90 -, n.v., zu 1 der Gründe, jeweils m.w.N.). Bei Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 7 BetrVG muß der Bezug zur Betriebsratstätigkeit nicht so eng sein. Auf den Wissensstand des einzelnen Betriebsratsmitglieds, die besonderen Verhältnisse des jeweiligen Betriebs und die dort anstehenden aktuellen Betriebsratsaufgaben kommt es nicht an. Die Frage der "Eignung" ist aufgrund einer generalisierenden Betrachtung einheitlich für den gesamten Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes zu beantworten, wobei es genügt, daß die vermittelten Kenntnisse nicht nur in irgendeinem Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit stehen, sondern ihr - allgemein und nicht zu eng gesehen - dienlich und förderlich sind (vgl. BAGE 25, 357, 360 f. = AP Nr. 6 zu § 37 BetrVG 1972, zu 2 der Gründe; BAGE 25, 452, 467 f. = AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 3 c der Gründe; BAGE 28, 95, 101 = AP Nr. 23 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe; BAGE 63, 35, 43 f. = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972, zu B III 2 der Gründe; BAG Urteil vom 9. September 1992 - 7 AZR 492/91 - AP Nr. 86 zu § 37 BetrVG 1972, zu 2 der Gründe). Auch bei Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 7 BetrVG darf aber nicht aus den Augen verloren werden, daß diese Veranstaltungen die Qualifikation der Betriebsratsmitglieder erhöhen und die Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben verbessern sollen. Die vermittelten Kenntnisse müssen zwar nicht zum notwendigen Rüstzeug eines Betriebsratsmitglieds zählen. Sie müssen jedoch nach Zielsetzung und Inhalt darauf angelegt sein, für eine sach- und fachgerechte Ausübung der im geltenden Recht vorgesehenen Betriebsratstätigkeit zu sorgen. Für die Betriebsratsarbeit müssen nennenswerte Vorteile zu erwarten sein. Der für die Betriebsratstätigkeit zu erwartende Nutzen darf kein bloßer Nebeneffekt von untergeordneter Bedeutung sein. Die Veranstaltung darf nicht vornehmlich anderen Zwecken, wie etwa einer gewerkschaftspolitischen, allgemeinpolitischen oder allgemeinbildenden Schulung dienen. Je geringer der Nutzen und je weniger greifbar die Vorteile für die Betriebsratsarbeit sind, um so sorgfältiger ist zu prüfen, ob ein ausreichender Bezug zur Betriebsratstätigkeit vorliegt oder die Betriebsratsarbeit nur der Vorwand für eine nicht unter § 37 Abs. 7 BetrVG fallende Veranstaltung ist.
d) Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine sozialgeschichtliche Schulung ohne ausreichenden Bezug zu der im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Betriebsratstätigkeit. Der Entstehungsgeschichte einer Norm kommt zwar bei der Gesetzesauslegung eine gewisse Bedeutung zu. Entsprechende Kenntnisse können auch das Gesetzesverständnis fördern. Das Programm der Veranstaltung "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" war aber nicht auf das Betriebsverfassungsgesetz und seine Entstehung zugeschnitten. In die Betriebsratsarbeit umsetzbares Wissen wurde den Betriebsratsmitgliedern nicht vermittelt.
aa) Den Titel der Veranstaltung "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" hält das Landesarbeitsgericht lediglich für bedenklich. Er entspricht indessen dem Inhalt des Seminars und bringt zutreffend zum Ausdruck, daß es bei dieser Schulung nicht um die Verbesserung der Betriebsratsarbeit ging, sondern daß die Behebung von Defiziten im allgemeinen historischen Wissen im Vordergrund stand. Inwieweit außerdem gewerkschafts- und parteipolitische Ziele verfolgt wurden, kann hier daher offen bleiben.
bb) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kommt der Vorbemerkung zum Seminarprogramm im vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung zu. Ein verbaler Aufhänger genügt für die Eignung einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 7 BetrVG nicht. Die Einordnung eines Lehrgangs steht nicht zur Disposition des Veranstalters. Vielmehr kommt es auf den sich aus den Einzelthemen ergebenden Inhalt und die Zielsetzung des Lehrgangs an. Die angegebene Zielsetzung ist nur insoweit von Bedeutung, als sie nach der Ausgestaltung des Lehrgangs tatsächlich umgesetzt wird. Das Seminar "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" hat sich jedoch nach seinen Einzelthemen ganz allgemein mit der Arbeiterbewegung bis zum Beginn des 1. Weltkriegs befaßt und insbesondere erläutert, welche Rolle die Gewerkschaften und die SPD in dieser Zeit spielten. Das Seminar war auf alle sozialgeschichtlich interessierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie auf gewerkschaftliche Funktionsträger ausgerichtet. Den von den Betriebsräten nach dem derzeit geltenden Recht zu erfüllenden Aufgaben kam keine oder allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zu. Das Seminar brachte für die Betriebsratsarbeit keinen größeren Nutzen als jede sonstige allgemeinbildende Veranstaltung. Kenntnisse oder Fertigkeiten, die sich auf die Betriebsratsaufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz beziehen und den besonderen Anforderungen der Betriebsratsarbeit Rechnung tragen, wurden nicht vermittelt.
Dr. Steckhan Schliemann Kremhelmer
Metzinger Niehues
Fundstellen
Haufe-Index 441008 |
BAGE 74, 72-85 (LT1-2) |
BAGE, 72 |
BB 1994, 651 |
DB 1994, 535-537 (LT1-2) |
EzB BetrVG § 37, Nr 156 (LT1-2) |
ARST 1994, 104-106 (LT1-2) |
NZA 1994, 517 |
NZA 1994, 517-520 (LT1-2) |
SAE 1994, 240-244 (LT1-2) |
AP § 37 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 92 |
AR-Blattei, ES 530.8 Nr 23 (LT1-2) |
EzA § 37 BetrVG 1972, Nr 117 (LT1-2) |
MDR 1994, 698 (LT1-2) |