Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung eines Personalcomputers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Überlassung eines Personalcomputers nebst Monitor und Drucker sowie Software zur Textverarbeitung an den Betriebsrat kann erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG sein.
2. Die Beurteilung, ob die Benutzung eines Personalcomputers für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist, obliegt dem Betriebsrat, der bei seiner Entscheidung eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen hat (Beurteilungsspielraum des Betriebsrats).
Bestätigung der Senatsrechtsprechung vom 11. März 1998 – 7 ABR 59/96 – AP Nr. 57 zu § 40 BetrVG 1972.
Normenkette
ArbGG § 83 Abs. 1; BetrVG § 40 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. August 1997 – 5 TaBV 30/97 – aufgehoben.
Das Verfahren wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin dem Betriebsrat einen Personalcomputer nebst Zubehör zur Verfügung zu stellen hat.
Die Arbeitgeberin betreibt mehrere Kliniken, darunter die Psychosomatische Klinik in B , in der etwa 150 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Mit Schreiben vom 15. Mai 1996 teilte der dort bestehende Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, daß er die Anschaffung eines PC beschlossen habe, und forderte die Arbeitgeberin zur Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel auf. Die Arbeitgeberin lehnte dies mit Schreiben vom 22. Juli 1996 unter Hinweis auf die dem Betriebsrat seit Mai 1995 zur Verfügung gestellte Schreibkraft ab.
Mit dem am 19. Dezember 1996 eingegangenen Antrag verlangt der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Überlassung eines PC nebst zugehöriger Hard- und Software. Er hat vorgetragen, er benötige einen PC in marktüblicher Ausführung zur Erledigung der laufenden Geschäfte und zur interessengerechten Wahrnehmung seiner Aufgaben. Zwei bei ihm gebildete Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit Fragen der Sicherheit und der Abfassung von Betriebsvereinbarungen; außerdem umfasse der jährliche Schriftverkehr der Beteiligten etwa 150 Schriftstücke. Ferner korrespondiere er mit externen Stellen; die Bearbeitung von Textauszügen mit geeigneter Software sei für diese Tätigkeit, ebenso wie für die Erstellung und Bewertung von Tätigkeitsprofilen, erforderlich. Es könnten Statistiken über den gesamtbetrieblichen Anfall von Mehrarbeit erstellt werden; auch könne die Betriebsratsarbeit im Zusammenhang mit Einstellungen, Umsetzungen, Versetzungen, Eingruppierungsfragen und Überprüfungen der Sozialauswahl effektiver gestaltet werden. Mit Hilfe eines PC könnten auch Faxe empfangen und gesendet werden, ohne daß der Betriebsrat auf das Faxgerät der Arbeitgeberin angewiesen sei. Schließlich könnten Informationsschriften an Mitarbeiter, Rundschreiben, die Verarbeitung von Texten allgemeiner Art und Protokolle des Betriebsrats erheblich leichter und effektiver verarbeitet und verbreitet werden, ohne daß im bisherigen Maß auf ein Kopiergerät zurückgegriffen werden müsse.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm einen martküblichen Personalcomputer (CPI 133 MHz Pentium board, 512 KB Cache, 2 MB Grafikkarte, 16 MB Ram, 1,2 GB Festplatte) mit dazugehöriger Tastatur, Farbmonitor sowie marktüblichem Drucker und darüber hinaus die zum Betrieb dieses Personalcomputers erforderliche Software (Windows 95) auf Kosten der Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat im wesentlichen die Ansicht vertreten, der Antragsteller habe nicht dargelegt, ohne Hilfe eines PC's seine Aufgaben nicht sachgerecht erfüllen zu können. Für die Anfertigung von Schriftstücken könne er sich der Dienste zweier Schreibkräfte bedienen, denen ein Textverarbeitungsprogramm zur Verfügung stünde.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht. Denn die Begründung, mit der das Beschwerdegericht den Antrag des Betriebsrats abgewiesen hat, erweist sich nicht in allen Punkten als rechtsfehlerfrei. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat einen PC nebst dem geforderten Zubehör zur Verfügung zu stellen.
1. Der Anspruch des Betriebsrats kann sich nur aus § 40 Abs. 2 BetrVG ergeben. Danach hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung sachliche Mittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. insbesondere BAG Beschlüsse vom 25. Januar 1995 – 7 ABR 37/94 – und vom 11. März 1998 – 7 ABR 59/96 – AP Nr. 46 und 57 zu § 40 BetrVG 1972) bestimmt sich die Erforderlichkeit des Umfangs der vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Sachmittel unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Inhalt und Umfang der vom Betriebsrat wahrzunehmenden Aufgaben anhand der konkreten betrieblichen Verhältnisse. Dabei genügt es für die Erforderlichkeit eines Sachmittels nicht, daß durch seinen Einsatz die Geschäftsführung des Betriebsrats lediglich erleichtert wird bzw. sich rationeller gestalten läßt. Das Gesetz sieht geringere Anforderungen als die Erforderlichkeit nicht vor. Aus Gründen der Effektivität der Betriebsratsarbeit wird daher ein Sachmittel erst dann erforderlich, wenn ohne seinen Einsatz die Wahrnehmung anderer Rechte und Pflichten des Betriebsrats vernachlässigt werden müßte (vgl. insbesondere den oben angeführten Senatsbeschluß vom 11. März 1998, zu B I 3 d und B II 3 a der Gründe).
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gelten diese Grundsätze insbesondere auch für die Pflicht des Arbeitgebers, dem Betriebsrat einen PC zur Verfügung zu stellen. Auch insoweit muß trotz der eingetretenen technischen Entwicklung angesichts der fortgeltenden gesetzlichen Regelung des § 40 Abs. 2 BetrVG die Erforderlichkeit des Sachmittels von den Gerichten im konkreten Einzelfall festgestellt werden. Das gilt unabhängig von der Betriebsgröße. Der erkennende Senat hat in seinem angeführten Beschluß vom 11. März 1998 (zu B I 3 der Gründe) näher dargelegt, daß die Ausübung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in kleineren Betrieben nicht zwangsläufig von der Inanspruchnahme moderner Bürotechnik abhängt. Mit der Größe des Betriebes und der Anzahl der Beschäftigten steige zwar regelmäßig die Arbeitsbelastung des Betriebsrats. Auch dies erleichtere jedoch lediglich die Darlegung von Tatsachen für die Erforderlichkeit der Nutzung eines PC's und führe nicht dazu, daß auf diese Darlegung verzichtet werden könne.
2. Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, ist das Landesarbeitsgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, daß der Antragsteller die Erforderlichkeit des Einsatzes eines PC's nebst Zubehör konkret darlegen mußte. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, im Entscheidungsfall sei diese Erforderlichkeit nicht hinreichend dargelegt worden, erweist sich jedoch nicht in allen Teilen als rechtsfehlerfrei, so daß sein Beschluß aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen ist.
Das Landesarbeitsgericht hat den unbestimmten Rechtsbegriff der Erforderlichkeit und den ihm zustehenden Prüfungsmaßstab verkannt. So fehlt in seiner Entscheidung jeder Hinweis auf den Beurteilungsspielraum, den das Betriebsverfassungsgesetz nach ständiger Rechtsprechung des Senats dem Betriebsrat einräumt, wenn es um Fragen der Erforderlichkeit von Sachmitteln geht (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 25. Januar 1995 – 7 ABR 37/94 – AP Nr. 46 zu § 40 BetrVG 1972, und insbesondere den bereits angeführten Senatsbeschluß vom 11. März 1998, zu B I 1 der Gründe). Danach unterliegt der unbestimmte Rechtsbegriff zunächst der Beurteilung des Betriebsrats. Dieser hat die Frage, ob ein Sachmittel für ihn erforderlich ist und deshalb vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist, nicht nach seinem subjektiven Ermessen zu entscheiden. Er hat bei seiner Entscheidung auch Interessen der Belegschaft und insbesondere das Interesse des Arbeitgebers an einer Begrenzung seiner Kostenbelastung angemessen zu berücksichtigen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß das Landesarbeitsgericht diesen Beurteilungsspielraum des Betriebsrats übersehen hat. Das liegt auch deshalb nahe, weil das Landesarbeitsgericht einen Rechtssatz des Senats vom Bestimmungsrecht des Arbeitgebers (Beschlüsse vom 17. Februar 1993 – 7 ABR 19/92 – und vom 17. Oktober 1990 – 7 ABR 69/89 – BAGE 72, 274 = AP Nr. 37 zu § 40 BetrVG 1972 und BAGE 66, 120 = AP Nr. 8 zu § 108 BetrVG 1972) angeführt hat, den der Senat zu Fragen des Auswahlrechts bei der Zurverfügungstellung von Büropersonal und zur innerbetrieblichen Nutzung von Informationsmöglichkeiten entwickelt hat. Bei sonstigen Sachmitteln ist vom Auswahlrecht des Betriebsrats auszugehen, wie es der Senat etwa bei dem Anspruch des Betriebsrats auf Fachliteratur betont hat (BAG Beschluß vom 25. Januar 1995 – 7 ABR 37/94 – AP Nr. 46 zu § 40 BetrVG 1972). Der gerichtlichen Überprüfung kann danach nur unterliegen, ob der Betriebsrat seine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen und hierbei insbesondere auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers und der Belegschaft angemessen berücksichtigt hat.
3. Der angefochtene Beschluß ist auch deshalb aufzuheben, weil nicht erkennbar ist, daß das Landesarbeitsgericht seiner Aufklärungspflicht gemäß § 83 Abs. 1 ArbGG hinreichend nachgekommen ist. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Darlegung des Betriebsrats zur Erforderlichkeit sei unzureichend.
Im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ist jedoch die gerichtliche Bewertung des Vorbringens als nicht ausreichender Vortrag nur statthaft, wenn das Landesarbeitsgericht den Antragsteller auf seine Einschätzung hingewiesen und zur Ergänzung des Vorbringens anhand konkreter richterlicher Fragestellungen aufgefordert hat (vgl. auch hierzu den bereits angeführten Senatsbeschluß vom 11. März 1998).
Diese Aufklärungspflicht hat das Landesarbeitsgericht verletzt, weil es ausschließlich auf die mangelnde Darlegung des Betriebsrats abstellt, ohne daß ersichtlich wäre, daß das Landesarbeitsgericht in irgendeiner Weise eine nähere Aufklärung der vom Betriebsrat geplanten Aktivitäten versucht hätte.
4. Im erneuten Anhörungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht daher insbesondere aufzuklären haben, in welcher Form und in welchem Umfang der Antragsteller die von ihm angeführten Vorhaben in absehbarer Zukunft wahrzunehmen gedenkt. Anschließend an die rechtliche Bewertung, inwieweit es sich dabei um gesetzliche Aufgaben des Betriebsrats handelt, wird das Landesarbeitsgericht alsdann erneut unter Beachtung des Beurteilungsspielraums des Betriebsrats (und des berechtigten Interesses der Arbeitgeberin an der Vermeidung unverhältnismäßiger Kosten) zu würdigen haben, inwieweit zur sachgerechten Wahrnehmung dieser Aufgaben der Einsatz eines Personalcomputers nebst Zubehör erforderlich ist.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Dr. Koch, Hökenschnieder
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.11.1998 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436111 |
BB 1999, 1506 |
BB 1999, 1923 |
DB 2000, 150 |
FA 1999, 233 |
JR 2000, 308 |
NZA 1999, 945 |
SAE 1999, 251 |
AP, 0 |
PersR 1999, 406 |