Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift
Orientierungssatz
Die Unterschrift muß ein Schriftbild aufweisen, das individuell und einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale hat und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift des Namens darstellt, die von Dritten nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann. Hierbei ist nicht erforderlich, daß die Unterschrift lesbar ist oder auch nur einzelne Buchstaben zweifelsfrei erkennbar sind. Es genügt vielmehr, daß ein Dritter, der den Nahmen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftzug noch herauslesen kann.
Normenkette
ZPO § 130 Nr. 6; ArbGG § 64 Abs. 2 Fassung: 1979-07-02, § 11 Abs. 2 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 18.09.1986; Aktenzeichen 4 Sa 541/86) |
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 15.07.1986; Aktenzeichen 2 Ca 366/86) |
Gründe
I. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren gegenüber dem Beklagten als Konkursverwalter über das Vermögen seiner ehemaligen Arbeitgeberin das Klagebegehren verfolgt, daß für ihn eine Forderung in Höhe von 27.600,-- DM zur Konkurstabelle festgestellt wird. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung durch Beschluß als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Klägers unter dem Berufungsschriftsatz sei nicht ordnungsgemäß.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde erstrebt der Kläger die Aufhebung dieses Beschlusses.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Revisionsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Unterschrift unter dem Berufungsschriftsatz genügt noch den gesetzlichen Anforderungen im Sinne von § 130 Nr. 6 ZPO.
1. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müssen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet sein (§ 64 Abs. 2 ArbGG in Verb. mit § 518 Abs. 4, § 519 Abs. 5, §130 Nr. 6 ZPO; BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO; Urteil des Senats vom 5. Dezember 1984 - 5 AZR 354/84 - BAG 47, 285, 291 = AP Nr. 3 zu § 72 ArbGG 1979, zu II 1 a der Gründe). Die Unterschrift soll dem Nachweis dienen, daß der Schriftsatz von einer Person, die nach der maßgeblichen Prozeßordnung befähigt und befugt ist, Prozeßhandlungen vorzunehmen, in eigener Verantwortung vorgetragen wird. Die Unterschrift muß daher ein Schriftbild aufweisen, daß individuell und einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale hat und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift des Namens darstellt, die von Dritten nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann. Hierbei ist nicht erforderlich, daß die Unterschrift lesbar ist oder auch nur einzelne Buchstaben z w e i f e l s f r e i erkennbar sind. Es genügt vielmehr, daß ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftzug noch herauslesen kann (BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO, zu I 1 der Gründe; BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO; Urteil vom 5. Dezember 1984, aa0; ähnlich BGH Beschluß vom 28. Februar 1985 - III ZB 11/84 - VersR 1985, 503).
Der Bundesfinanzhof (BFH 141, 223 m.w.N. sowie neuestens BFH Beschluß vom 16. Januar 1986 - III R 50/84 - BB 1986, 2118) und der Bundesgerichtshof (Beschluß vom 21. März 1974 - VII ZB 2/74 - NJW 1974, 1090; Urteil vom 11. Februar 1982 - III ZR 39/81 - BB 1982, 1467; Beschluß vom 7. Juli 1982 - XIII ZB 21/82 - VersR 1982, 973; Beschluß vom 27. Oktober 1983 - VII ZB 9/83 -; Beschluß vom 4. Juli 1984 - VIII ZB 8/84 - VersR 1984, 142, 873; Beschlüsse vom 23. Oktober 1984 - VI ZB 11/84, VI ZB 12/84 - VersR 1985, 59, 60; Beschluß vom 11. Oktober 1984 - X ZB 11/84 - NJW 1985, 1227) verlangen weitergehend, daß wenigstens einzelne Buchstaben andeutungsweise erkennbar sind, und zwar mit der Begründung, es fehle sonst an dem Merkmal einer Schrift überhaupt.
Dabei dürfen aber, wie in Rechtsprechung und Literatur vielfach betont wird, an das Schriftbild einer wirksamen Unterschrift keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (Urteil des Senats vom 13. Februar 1969 - 5 AZR 368/68 - AP Nr. 1 zu § 130 ZPO; BGH Urteil vom 4. Juni 1975 - I ZR 114/74 - NJW 1975, 1705, 1706; BayVerfGH Beschluß vom 18. Juli 1975 - Vf 41 VI/74 - NJW 1976, 182; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 129 Rz 23). Vereinfachungen, Undeutlichkeiten und Verstümmelungen schaden nichts. Es muß sich aber vom äußeren Erscheinungsbild her um einen Schriftzug handeln, der erkennen läßt, daß der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen (BGH Beschluß vom 13. Juli 1967 - Ia ZB 1/67 - NJW 1967, 2310; BGH Beschluß vom 28. März 1974 - VII ZB 10/74 - VersR 1974, 864; BGH Urteil vom 4. Juni 1975 - I ZR 114/74 - NJW 1975, 1705, 1706; BGH Beschluß vom 23. Februar 1983 - IVa ZB 17/82 - VersR 1983, 487; BGH Beschlüsse vom 23. Oktober 1984 - VI ZB 11/84, VI ZB 12/84 - VersR 1985, 59, 60; BGH Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - VersR 1985, 570, 571). Die Unterschrift muß also sichtbar werden lassen, daß es sich um eine endgültige Erklärung und nicht nur um die Abzeichnung eines Entwurfs mit einer sog. Paraphe handelt (BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO).
2. Den vorbezeichneten Anforderungen wird die Originalunterschrift auf dem Berufungsschriftsatz vom 21. August 1986 noch gerecht:
Der Schriftzug ist zwar für sich allein betrachtet nicht lesbar. Wenn man den Namen des Unterzeichnenden kennt, kann man ihn aber aus dem Schriftzug gerade noch herauslesen. In dem ersten Schrägstrich mit der L-förmigen Linie kann man die Buchstaben "Th", also die ersten beiden Buchstaben des Namens Thomsen erkennen. Die Verdickung in der Mitte ergibt sich daraus, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin an dieser Stelle angesetzt hat, von dort aus eine Linie zunächst nach links unten gezogen und diese dann ohne abzusetzen in der Gegenrichtung auf dem schon vorhandenen Strich nach rechts oben über den Anfangspunkt hinaus weitergeführt hat. Dies ist das T, das allerdings in den Unterschriften unter den anderen Schriftsätzen, z.B. der Klageschrift vom 11. April 1986 (Bl. 2 der A.) und dem Schriftsatz vom 6. Mai 1986 (Bl. 8 der A.), erheblich deutlicher ist. Das liegt daran, daß dort die erst abwärts und dann wieder aufwärts geführte Linie nicht übereinander, sondern in Form eines langgestreckten Bogens geschrieben wurde. In der L-förmigen Linie mit der kleinen auslaufenden Rechtsschwingung ist der kleine Buchstabe "h" zu erkennen.
Der zweite Schrägstrich mit dem kleinen Haken ist zwar für sich allein betrachtet nicht in bestimmte Buchstaben auflösbar. Sieht man ihn jedoch zusammen mit den beiden ersten Buchstaben "Th", so ist er als sehr undeutliche, stark verstümmelte Schreibweise der vier Buchstaben "msen" deutbar, wobei das "n" in dem kleinen Haken ausläuft.
Aus beiden Strichen zusammen ergibt sich, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers und Berufungsklägers, obwohl jede Andeutung des Buchstabens "o" fehlt, seinen vollen Namen und nicht eine bloße Abkürzung hat niederschreiben wollen. Der Schriftzug ist gerade noch als so individuell und mit entsprechenden charakteristischen Merkmalen behaftet anzusehen, daß er sich als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende, von Dritten nicht ohne weiteres nachahmbare Namensunterschrift darstellt. Da zumindest zwei Buchstaben erkennbar sind, sind auch die weitergehenden Anforderungen des BGH und des BFH erfüllt.
Da die Unterschrift ordnungsgemäß ist, erweist sich die Berufung als zulässig. Deshalb war der angefochtene Beschluß aufzuheben. Die Sache war zugleich an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit über die Begründetheit des Rechtsmittels entschieden werden kann.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Fundstellen