Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtsgebühren bei Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich ohne eigene Kostenregelung
Orientierungssatz
Nach der Vorbemerkung 8 zu Teil 8 der Anlage 1 zum GKG (Kostenverzeichnis) entfällt die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr nur dann, wenn durch den Vergleich das gesamte Verfahren beendet wird. Das setzt voraus, dass der Vergleich zumindest mittelbar gem. § 98 ZPO auch eine Kostenregelung beinhaltet und diese nicht nach § 91a ZPO dem Gericht überlassen ist.
Normenkette
GKG Anlage 1 Kostenverzeichnis Teil 8
Verfahrensgang
Tenor
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 9.510,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Festsetzung des Wertes des Revisionsverfahrens ist erforderlich, weil hierfür eine Gebühr angefallen ist. Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache durch einen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO beendet. Die Kostenentscheidung haben sie aber nach § 91a ZPO dem Gericht überlassen. Demgemäß hat der Senat über die Kosten des Revisionsverfahrens durch Beschluss entschieden.
Entscheidungsgründe
II. Die Gebühr für das Revisionsverfahren entfällt nicht nach der Vorbemerkung 8 zum Teil 8 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Vorbemerkung 8 KV-GKG).
1. Nach der Vorbemerkung 8 KV-GKG entfällt bei Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr. Dies gilt nach S. 2 der Vorbemerkung 8 KV-GKG nicht, wenn der Vergleich nur einen Teil des Streitgegenstands betrifft (Teilvergleich).
2. Der Wortlaut der Vorbemerkung 8 KV-GKG legt zwar auf den ersten Blick nahe, dass die Gebühren bereits dann entfallen, wenn sich der Vergleich auf alle Streitgegenstände des Rechtsstreits bezieht und damit der Rechtsstreit in der Hauptsache beendet ist. Bei der Auslegung der Vorbemerkung 8 KVGKG ist allerdings auch die ungenaue Wortwahl in S. 2 zu berücksichtigen (Roloff NZA 2007, 900, 908). Ein Vergleich wird nur äußerst selten “einen Teil des Streitgegenstands” iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO betreffen. Insoweit wird eher ein Teilverzicht oder Teilanerkenntnis vorliegen, nicht aber ein Vergleich im Sinne eines gegenseitigen Nachgebens (§ 779 Abs. 1 BGB). Zumeist werden durch einen Vergleich entweder alle oder einzelne von mehreren Streitgegenständen geregelt. Praktische Bedeutung hat S. 2 der Vorbemerkung 8 KV-GKG daher, soweit sich bei mehreren Streitgegenständen im prozessualen Sinn die Einigung nur auf einige von ihnen bezieht und das Prozessgericht über die weiteren Gegenstände zu entscheiden hat (LAG Baden-Württemberg 5. September 2005 – 3 Ta 136/05 – Die Justiz 2007, 169, 171, zu II 4 der Gründe).
3. Auf Grund der unklaren Formulierung der Vorbemerkung 8 KV-GKG ist der genaue Inhalt der Vorschrift unter Berücksichtigung des gesetzlichen Gesamtzusammenhangs und des mit der Gebührenprivilegierung verfolgten Zwecks zu ermitteln.
a) Insoweit ist von Bedeutung, dass die Ermäßigungstatbestände in Nr. 8231 und 8232 KV-GKG jeweils eine Beendigung des “gesamten Verfahrens” voraussetzen und nicht auf die Erledigung von Streitgegenständen abstellen. In dem Nachsatz der Nr. 8232 wird dabei ausdrücklich der Fall des Zusammentreffens von Ermäßigungstatbeständen mit einem Teilvergleich behandelt, sofern hierdurch der gesamte Rechtsstreit beendet wird. Diese Bezugnahme auf den in S. 2 der Vorbemerkung 8 KV-GKG definierten Teilvergleich macht deutlich, dass eine Gebührenprivilegierung für die in der Vorbemerkung 8 KV-GKG “vor die Klammer gezogenen” Vergleiche nur in Betracht kommen soll, wenn hierdurch das gesamte Verfahren beendet wird.
b) Diesem Auslegungsergebnis entsprechen die weiteren im KV-GKG geregelten Ermäßigungstatbestände. So setzt eine Gebührenermäßigung in Zivilverfahren vor den ordentlichen Gerichten nach Nr. 1211 Nr. 3 KV-GKG die Beendigung des “gesamten Verfahrens” durch Vergleich voraus. In der Rechtsprechung der Zivilgerichte ist anerkannt, dass das gesamte Verfahren nur dann durch Vergleich beendet ist, wenn der Vergleich zugleich auch eine Kostenregelung beinhaltet und diese nicht nach § 91a ZPO dem Gericht überlassen ist (vgl. OLG Karlsruhe 15. Februar 2000 – 11 W 12/00 – JurBüro 2001, 315; Hanseatisches OLG Hamburg 6. August 1996 – 8 W 140/96 – MDR 1997, 103). Dem ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Ermäßigungstatbestände zuzustimmen. Nur bei einer vollständigen Erledigung aller Streitpunkte der Parteien wird das Ziel nachhaltig erreicht, die Justiz zu entlasten (vgl. dazu BTDrucks. 12/6962 S. 69). Der Entlastungseffekt tritt nur sehr eingeschränkt ein, wenn sich das Gericht noch im Rahmen der nach § 91a ZPO zu treffenden Entscheidung mit der Sache befassen muss. Entsprechendes gilt gemäß Nr. 5111 Nr. 3 KV-GKG für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten.
4. Der systematische Zusammenhang der Vorbemerkung 8 KV-GVG zu den einzelnen Gebührentatbeständen, insbesondere zu Nr. 8231 und 8232 KV-GKG, sowie der Zweck der Ermäßigungstatbestände machen damit deutlich, dass auch nach der Vorbemerkung 8 KV-GKG die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr nur dann entfallen soll, wenn durch den Vergleich das gesamte Verfahren beendet wird. Hätte der Gesetzgeber eine weitergehende Regelung gewollt, so hätte dies in der Formulierung der Vorbemerkung deutlicher hervorgehoben werden müssen (LAG Baden-Württemberg 5. September 2005 – 3 Ta 136/05 – Die Justiz 2007, 169, 171, zu II 4 der Gründe). Soweit es in der Begründung zum Teil 8 der Neuregelung des KVGKG heißt, die Struktur dieser Regelungen unterscheide sich im Hinblick auf Besonderheiten des Arbeitsgerichtsprozesses von denen des Zivilverfahrens (BT-Drucks. 15/1971 S. 175), begründet dies kein anderes Ergebnis. Diese Besonderheiten haben in der Vorbemerkung 8 KV-GKG allein dazu geführt, dass bei einer Beendigung des gesamten Rechtsstreits die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr vollständig entfällt. Diese Rechtsfolge geht weiter als in anderen Gerichtsbarkeiten, in denen in diesen Fällen nur eine Gebührenermäßigung eintritt. Dass in der Vorbemerkung 8 KV-GKG weitergehend von dem allgemeinen Ziel, eine Entlastung der Gerichte durch Beendigung des gesamten Verfahrens zu erreichen, abgerückt werden sollte, ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Dementsprechend wird auch im Schrifttum die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Vorbemerkung 8 KV-GKG seien nicht erfüllt, wenn in einem Vergleich die Kostenregelung fehle (vgl. Meyer GKG 9. Aufl. KV 8211 Rn. 10; Oestreich/Winter/Hellstab GKG Stand Dezember 2004 Nr. 8210, 8211 zum Kostenverzeichnis Rn. 28; Petzold in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann Gerichtskostengesetz, Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz KV-GKG Teil 8 Vorbemerkung 8 Rn. 1; Roloff NZA 2007, 900, 908).
III. Der festgesetzte Wert entspricht drei Bruttomonatsverdiensten, da die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten haben (§ 42 Abs. 4 GKG). Eine Festsetzung des Streitwerts nach einzelnen Verfahrensabschnitten entfällt, weil seit 1. Juli 2004 eine Pauschalgebühr für das gesamte Verfahren anfällt.
Unterschriften
Fischermeier, Linck, Brühler
Fundstellen
Haufe-Index 1998950 |
DB 2008, 1508 |
FA 2008, 255 |
JurBüro 2008, 483 |
NZA 2008, 783 |
AP, 0 |
EzA |
ArbRB 2008, 242 |
RVGreport 2008, 319 |
HzA aktuell 2008, 36 |