Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur vorläufigen personellen Einzelmaßnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags des Arbeitgebers, nach § 100 Abs 2 Satz 3 BetrVG festzustellen, die vorläufige personelle Maßnahme sei aus sachlichen Gründen dringend erforderlich, endet mit der Rechtskraft einer Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers. Über den Feststellungsantrag ist dann nicht mehr zu entscheiden, vielmehr ist das Verfahren einzustellen.
2. Über den genannten Feststellungsantrag des Arbeitgebers hat das Arbeitsgericht alsbald zu entscheiden und dabei zu prüfen, ob die Durchführung der vorläufigen Maßnahme offensichtlich nicht dringend erforderlich war, und gegebenenfalls im Tenor seiner Entscheidung festzustellen, daß offensichtlich die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Eine bloße Abweisung des Feststellungsantrags genügt nicht.
Normenkette
BetrVG § 100; ArbGG § 81 Abs. 2; BetrVG § 99 Abs. 4; ArbGG § 83a Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.12.1986; Aktenzeichen 7 TaBV 14/86) |
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 06.08.1986; Aktenzeichen 2 BV 25/86) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber unterrichtete am 26. August 1985 den Betriebsrat dahin, daß er zum 1. Oktober 1985 den Arbeitnehmer H. unbefristet einstellen wolle und erbat dazu die Zustimmung des Betriebsrats. Nachdem der Betriebsrat am 9. September 1985 seine Zustimmung verweigert hatte, beantragte der Arbeitgeber am 16. September 1985 beim Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Diesem Antrag gab das Arbeitsgericht am 20. Dezember 1985 statt. Die Beschwerde des Betriebsrats wies das Landesarbeitsgericht am 11. Dezember 1986 zurück. Das Bundesarbeitsgericht hat auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats am 18. Oktober 1988 entschieden, daß die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt (1 ABR 33/87).
Noch während des genannten Verfahrens bat der Arbeitgeber am 7. Mai 1986 den Betriebsrat erneut vorsorglich um Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers H. mit Wirkung vom 16. Mai 1986. Der Betriebsrat verweigerte abermals seine Zustimmung, worauf der Arbeitgeber erneut am 6. Juni 1986 die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats beim Arbeitsgericht beantragte. Am 2. Juni 1986 hatte er den Betriebsrat davon unterrichtet, daß er den Arbeitnehmer H. aus dringenden sachlichen Gründen vorläufig einstellen wolle. Der Betriebsrat hat einer vorläufigen Einstellung widersprochen. Der Arbeitgeber hat daraufhin am 6. Juni 1986 zusammen mit dem Zustimmungsersetzungsantrag auch die Feststellung beantragt, daß die vorläufige Einstellung des H. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Das Arbeitsgericht hat das Verfahren über den Zustimmungsersetzungsantrag im Hinblick auf das noch schwebende Verfahren über den am 16. September 1985 gestellten Zustimmungsersetzungsantrag ausgesetzt und auf den Feststellungsantrag des Arbeitgebers entschieden, daß die vorläufige Einstellung des Arbeitnehmers H. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Feststellungsantrag aufgehoben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Feststellungsantrag weiter, während der Betriebsrat um Zurückweisung des Antrages bittet.
B. Der Senat hat das Rechtsbeschwerdeverfahren über den Feststellungsantrag des Arbeitgebers eingestellt, nachdem er am gleichen Tage in dem Verfahren 1 ABR 33/87 festgestellt hat, daß die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Arbeitnehmers H. aufgrund der Mitteilung des Arbeitgebers vom 26. August 1985 als erteilt gilt.
I. § 100 BetrVG berechtigt den Arbeitgeber, eine geplante personelle Einzelmaßnahme vorläufig durchzuführen, wenn der Betriebsrat sich zu der erbetenen Zustimmung noch nicht geäußert oder die Zustimmung verweigert hat. Voraussetzung ist, daß die vorläufige Durchführung der Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Bestreitet der Betriebsrat auf die Mitteilung des Arbeitgebers von der vorläufigen Durchführung der Maßnahme hin deren Dringlichkeit, so darf der Arbeitgeber nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die vorläufige Maßnahme gleichwohl aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen nach der Stellungnahme des Betriebsrats beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und gleichzeitig die Feststellung beantragt, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, daß einmal alsbald eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeigeführt wird, ob die Maßnahme als endgültige Maßnahme durchgeführt werden kann und daß zum anderen das Arbeitsgericht alsbald über die Berechtigung des Arbeitgebers, die Maßnahme vorläufig durchzuführen, entscheiden kann. Hat der Arbeitgeber die beiden Anträge fristgerecht gestellt, ist er zunächst dem Betriebsrat gegenüber berechtigt, die Maßnahme bis zum Ablauf von zwei Wochen nach einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts aufrechtzuerhalten, mit der entweder der Zustimmungsersetzungsantrag abgewiesen oder festgestellt wird, daß offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, § 100 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
Diese Regelung hat zur Folge, daß der Arbeitgeber an einer alsbaldigen Entscheidung jedenfalls über seinen Feststellungsantrag naturgemäß kein Interesse haben kann. Die Fortdauer seiner Berechtigung, die Maßnahme als vorläufige Maßnahme durchzuführen, ist nicht davon abhängig, daß das Arbeitsgericht seinem Feststellungsantrag stattgibt. Die durch die rechtzeitige Stellung des Zustimmungsersetzungsantrages und des Feststellungsantrages erworbene Berechtigung zur vorläufigen Beschäftigung besteht vielmehr so lange, bis das Arbeitsgericht nicht nur seinen Feststellungsantrag abweist, sondern ausdrücklich feststellt, daß die vorläufige Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Nur wenn eine solche Feststellung rechtskräftig getroffen worden ist, endet mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung die vorläufige Maßnahme, richtiger: Die Berechtigung des Arbeitgebers, die Maßnahme als vorläufige aufrechtzuhalten. Die bloße Abweisung des Feststellungsantrages des Arbeitgebers steht einer solchen ausdrücklichen Feststellung des Gerichts nicht gleich. Wenn der Senat in seiner Entscheidung vom 7. November 1977 (BAGE 29, 345 = AP Nr. 1 zu § 100 BetrVG 1972) ausgesprochen hat, daß der Feststellungsantrag des Arbeitgebers nur dann als unbegründet abgewiesen werden dürfe, wenn die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so reicht auch das nicht aus, um die erforderliche Klarheit über die Fortdauer der Berechtigung des Arbeitgebers zur Aufrechterhaltung der vorläufigen Maßnahme herbeizuführen. Verlangt § 100 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ausdrücklich eine rechtskräftige Feststellung, daß die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, kann diesem Erfordernis nicht durch die bloße Abweisung des Feststellungsantrages genügt werden, auch wenn an die Abweisung erhöhte Anforderungen gestellt werden.
Daß damit das Arbeitsgericht im Ergebnis eine andere Entscheidung zu treffen hat, als sie vom Arbeitgeber beantragt worden ist, ändert angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nichts. Diese ungewöhnliche verfahrensrechtliche Behandlung des Feststellungsantrages des Arbeitgebers hat auch einen vernünftigen Sinn. Das Arbeitsgericht soll auf den Feststellungsantrag des Arbeitgebers hin lediglich prüfen, ob offensichtlich keine dringenden Gründe für eine vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme vorliegen. Diese beschränkte Prüfung setzt das Arbeitsgericht in die Lage, alsbald und regelmäßig noch vor einer Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag gegebenenfalls die Dringlichkeit der erforderlichen Maßnahme zu verneinen. Wird diese Entscheidung rechtskräftig, endet die Berechtigung des Arbeitgebers zur Aufrechterhaltung der vorläufigen Maßnahme zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft. Auch dann, wenn gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Beschwerde eingelegt wird, wird damit regelmäßig der Streit über die Berechtigung zur vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme eher entschieden sein, als das Zustimmungsersetzungsverfahren, zumal auch das Beschwerdegericht lediglich zu prüfen hat, ob die vorläufige Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war und gegen eine solche Entscheidung in der Regel die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht kommen wird. Nur wenn auf diese Weise über den Feststellungsantrag des Arbeitgebers jeweils alsbald und vorab entschieden wird, wird sichergestellt, daß die vorläufige Maßnahme schon vor der Beendigung des Zustimmungsersetzungsverfahrens ihr Ende finden kann, wenn sie offensichtlich nicht erforderlich war.
II. Findet das Verfahren über den Feststellungsantrag nicht vor der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens über den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers sein Ende, so findet es jedenfalls seine Erledigung mit der rechtskräftigen Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag. Wird dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen, so endet nach § 100 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Berechtigung des Arbeitgebers zur Aufrechterhaltung der vorläufigen Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zur Durchführung der vorläufigen Maßnahme berechtigt war oder nicht. Wird dem Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig stattgegeben, so kann der Arbeitgeber die zunächst vorläufig durchgeführte Maßnahme nunmehr endgültig und auf Dauer durchführen. Auch das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber bis dahin zur Durchführung und Aufrechterhaltung der vorläufigen Maßnahme berechtigt war. Wird darüber hinaus rechtskräftig festgestellt, daß die Zustimmung des Betriebsrats - schon - als erteilt gilt, so steht damit auch gleichzeitig fest, daß der Arbeitgeber zur Durchführung der Maßnahme berechtigt war, auch wenn dringende betriebliche Gründe für eine vorläufige Durchführung der Maßnahme nicht vorgelegen haben sollten.
Aus diesen Gründen hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 19. Juni 1984 (BAGE 46, 107 = AP Nr. 1 zu Art. 72 ZA- Nato-Truppenstatut) ausgesprochen, daß es einer Entscheidung über den Feststellungsantrag des Arbeitgebers nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht mehr bedarf, wenn rechtskräftig über den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers entschieden worden ist. Das folgt nicht nur daraus, daß es an dem Interesse an einer Entscheidung über die Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme fehlt. Aus der Ausgestaltung des Verfahrens in § 100 BetrVG ergibt sich vielmehr, daß der Feststellungsantrag des Arbeitgebers von vornherein nur für die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag zu stellen ist und vom Arbeitgeber nur für diese Zeit gestellt wird. Er ist auf eine vorübergehende Regelung gerichtet und auf die Dauer des Verfahrens über den Zustimmungsersetzungsantrag befristet. Mit dessen rechtskräftiger Beendigung endet daher die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrages. Das Verfahren erledigt sich mit einer rechtskräftigen Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag.
Nach § 81 Abs. 2 Satz 2 und § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist ein Beschlußverfahren einzustellen, wenn entweder der Antragsteller seinen Antrag in zulässiger Weise zurücknimmt oder die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklären. Damit geht die Regelung des Beschlußverfahrens davon aus, daß das Beschlußverfahren nicht schon mit dem Ende der Rechtshängigkeit eines Antrages von selbst sein Ende findet, sondern es dazu noch der Einstellungsentscheidung des Gerichts bedarf. Der Senat hat daher in entsprechender Anwendung der genannten Vorschriften das Verfahren eingestellt, nachdem er in dem Verfahren 1 ABR 33/87 festgestellt hat, daß die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Arbeitnehmers H. als erteilt gilt und diese Entscheidung mit ihrer Verkündung rechtskräftig geworden ist.
Matthes Dr. Weller Dr. Etzel
Mager H. Blanke
Fundstellen
BAGE 60, 66-71 (LT1-2) |
BAGE, 66 |
BB 1989, 700-701 (LT1-2) |
DB 1989, 487-488 (LT1-2) |
NZA 1989, 183-184 (LT1-2) |
RdA 1989, 130 |
SAE 1990, 245-247 (LT1-2) |
AP § 100 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 4 |
EzA § 100 BetrVG 1972, Nr 4 (LT1-2) |