Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit eines Rechtsmittels nur bei unstreitigem Verlust der Beteiligtenfähigkeit im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Fehlerhafte Besetzung des Gerichts als absoluter Revisionsgrund. Entscheidungsmöglichkeiten über Ablehnungsgesuche wegen Befangenheit. Die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein unstreitiger Verlust der Beteiligtenfähigkeit führt zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Nur soweit die Beteiligtenfähigkeit selbst streitig ist, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Es entspricht einem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass eine Partei, deren Parteifähigkeit oder gar rechtliche Existenz überhaupt im Streit steht, wirksam ein Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen kann, eine Sachentscheidung zu erlangen (BAG 27. Mai 2015 - 7 ABR 20/13 - Rn. 15 mwN).
2. Allerdings kann der absolute Revisionsgrund der fehlerhaften Besetzung des Gerichts ausnahmsweise mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn das Ablehnungsgesuch nicht nur fehlerhaft behandelt worden ist, sondern das Gericht zweiter Instanz bei der Bescheidung des Ablehnungsgesuchs Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Dann stellt die in fehlerhafter Besetzung ergangene, die Instanz abschließende Entscheidung einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters dar. In einem solchen Fall ist auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidung mit dem "Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter behaftet" (BVerfG 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - Rn. 40). Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters wirkt insoweit fort. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters muss das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht in dieser Konstellation die im Ablehnungsverfahren vor dem Gericht zweiter Instanz erfolgten Verfassungsverstöße im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beheben und die in fehlerhafter Besetzung ergangene Entscheidung aufheben (vgl. BVerfG 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 - Rn. 60 ff., BVerfGK 7, 325; 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - Rn. 28, BVerfGK 11, 434; 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - Rn. 11, BVerfGK 13, 72). Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren im Urteilsverfahren (vgl. hierzu BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 7), sondern nach § 92a ArbGG entsprechend auch im Beschlussverfahren.
3. Wird im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Richter als befangen abgelehnt, wird gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, § 45 Abs. 1 ZPO über das Ablehnungsgesuch ohne seine Mitwirkung entschieden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste. Gleichwohl ist anerkannt, dass abweichend von diesem Grundsatz und abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in ursprünglicher Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden darf. Hierzu zählen u.a. die Ablehnung eines ganzen Gerichts als solches sowie das offenbar grundlose, nur der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuch (vgl. BVerfG 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 15; BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 10 mwN).
4. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Nach ständiger Rechtsprechung hat dieses grundrechtsgleiche Recht über die Abwehr einer sachwidrigen Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die Verfahrensordnungen müssen darum Regelungen vorsehen, die es ermöglichen, einen Richter, bei dem diese Gewähr nicht (mehr) gegeben ist, von der Ausübung seines Amtes abzulösen (BVerfG 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 13 f.; BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 9).
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; ZPO § 45 Abs. 1, § 547 Nr. 1; ArbGG §§ 92a, 46 Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Entscheidung vom 24.06.2015; Aktenzeichen 2 TaBV 37/14) |
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 04.11.2014; Aktenzeichen 5 BV 43/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 8. sowie der Beteiligten zu 10. bis 12. werden der Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Juni 2015 - 2 TaBV 37/14 - und die Beschlüsse vom 24. Juni 2015 über die gegen den Vizepräsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts sowie gegen den Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts gerichteten Ablehnungsgesuche aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 14. gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Juni 2015 - 2 TaBV 37/14 - wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 17. und 18. sind Tochterunternehmen der Beteiligten zu 16., die im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs tätig sind. Beteiligter zu 14. ist der ehemalige Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 17., Beteiligter zu 15. ist der ehemalige Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 18. Die am 17./18. März 2014 durchgeführten Wahlen der Betriebsräte wurden aufgrund von Wahlanfechtungen rechtskräftig für unwirksam erklärt. Am 19. März 2014 wurde der zu 13. beteiligte Gemeinschaftsbetriebsrat gewählt, dessen Wahl im vorliegenden Verfahren von den wahlberechtigten Arbeitnehmern zu 1. bis 8., 10. und 11. sowie der zu 12. beteiligten Gewerkschaft angefochten wurde.
Das Arbeitsgericht erklärte die am 19. März 2014 durchgeführte Wahl des "Gemeinschaftsbetriebsrats" für unwirksam. Gegen diese Entscheidung legte der "Gemeinschaftsbetriebsrat" Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 23. März 2015 beraumte das Landesarbeitsgericht einen Termin zur Anhörung der Beteiligten auf den 24. Juni 2015, 10.30 Uhr an. Mit weiterem Beschluss vom 19. Mai 2015 lud der Kammervorsitzende vorsorglich die ehemalige Angestellte des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller K als Zeugin. Mit Telefaxschreiben vom 22. Juni 2015 teilte der Beteiligte zu 15. (Betriebsrat der L GmbH) dem Landesarbeitsgericht mit, er habe beschlossen, in dem Verfahren einen Befangenheitsantrag zu stellen und die Rechtsanwaltskanzlei S (den heutigen Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 15.) mit der Abgabe der entsprechenden Erklärungen zu beauftragen. Der angekündigte Befangenheitsantrag gegen den Vizepräsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden der Zweiten Kammer ging bei dem Landesarbeitsgericht am darauffolgenden Tag, dem 23. Juni 2015, ein. Daraufhin verfügte der abgelehnte Richter am selben Tag, die Akte dem Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts als zuständigem richterlichen Vertreter "unter Hinweis auf die für morgen zur Anhörung anstehende Sache ..." vorzulegen. Zugleich teilte er mit, sich derzeit weiterer Verfügungen zu enthalten. Außerdem gab der abgelehnte Richter eine dienstliche Stellungnahme zu dem Befangenheitsgesuch des Beteiligten zu 15. ab. Der Präsident des Landesarbeitsgerichts verfügte ebenfalls am 23. Juni 2015, dass die dienstliche Stellungnahme den Verfahrensbeteiligten zugeleitet wird. Zugleich gab er dem Beteiligten zu 15. Gelegenheit, zur dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters bis spätestens zum 24. Juni 2015, 8.00 Uhr Stellung zu nehmen.
Mit Telefaxschreiben des Beteiligten zu 15. vom 23. Juni 2015, das bei dem Landesarbeitsgericht um 22.15 Uhr einging, stellte der Beteiligte zu 15. einen weiteren Befangenheitsantrag gegen den die Anweisung vom 23. Juni 2015 zur Stellungnahme bis 24. Juni 2015, 8.00 Uhr gebenden Richter. Zur Begründung dieses weiteren Befangenheitsgesuchs machte der Beteiligte zu 15. ua. geltend, er könne bis zum 24. Juni 2015, 8.00 Uhr nicht zu einer dienstlichen Stellungnahme gehört werden, die ihn am Vortag gegen 15.30 Uhr erreicht habe.
Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 verwarf die Kammer das gegen den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts gerichtete Befangenheitsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Präsidenten als unzulässig, weil es offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Es sei davon auszugehen, dass der Befangenheitsantrag gegen den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts nur deshalb gestellt worden sei, um die Aufhebung des Anhörungstermins zu erreichen. In derselben Kammerbesetzung hat das Landesarbeitsgericht anschließend das gegen den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts gerichtete Befangenheitsgesuch als unbegründet abgewiesen. Unter Mitwirkung des Vizepräsidenten hat das Landesarbeitsgericht in der Hauptsache entschieden. Es hat der Beschwerde stattgegeben, den angefochtenen Beschluss abgeändert und den Wahlanfechtungsantrag als unbegründet abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die ua. auf Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter und damit auf den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der zu 1. - 8. sowie 10. - 11. beteiligten wahlberechtigten Arbeitnehmer, der zu 12. beteiligten Gewerkschaft und des zu 14. beteiligten Betriebsrats.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des zu 14. beteiligten Betriebsrats ist unzulässig. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde der wahlberechtigten Arbeitnehmer und der zu 12. beteiligten Gewerkschaft ist dagegen begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
1. Die Beschwerde des zu 14. beteiligten Betriebsrats ist unzulässig, weil er nicht mehr beteiligtenfähig ist.
a) Ein unstreitiger Verlust der Beteiligtenfähigkeit führt zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Nur soweit die Beteiligtenfähigkeit selbst streitig ist, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Es entspricht einem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass eine Partei, deren Parteifähigkeit oder gar rechtliche Existenz überhaupt im Streit steht, wirksam ein Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen kann, eine Sachentscheidung zu erlangen (BAG 27. Mai 2015 - 7 ABR 20/13 - Rn. 15 mwN).
b) Danach ist die Nichtzulassungsbeschwerde des zu 14. beteiligten Betriebsrats unzulässig. Die Wahl des Beteiligten zu 14. wurde vom Sächsischen Landesarbeitsgericht in dem Verfahren - 2 TaBV 26/14 - rechtskräftig für unwirksam erklärt. Der Senat hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch Beschluss vom 4. November 2015 (- 7 ABN 31/15 -) zurückgewiesen. Seitdem besteht der zu 14. beteiligte Betriebsrat nicht mehr und hat damit auch seine Beteiligtenfähigkeit verloren.
2. Die Beschwerde der wahlberechtigten Arbeitnehmer und der zu 12. beteiligten Gewerkschaft ist zulässig und begründet (§§ 92a, 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wahlanfechtung beruht auf einer von den Beschwerdeführern substantiiert dargelegten Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter und damit auf dem absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO. Die Kammer des Landesarbeitsgerichts war bei Erlass des Beschlusses über die Wahlanfechtung nicht ordnungsgemäß besetzt, weil das gegen den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts gerichtete Ablehnungsgesuch des Beteiligten zu 15. zuvor unter Mitwirkung des abgelehnten Präsidenten und damit unter Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter beschieden worden war. Dieser Verstoß strahlt auf die Entscheidung über die Wahlanfechtung aus.
a) Der verfahrensbeendenden (instanzbeendenden) Entscheidung vorausgegangene unanfechtbare Entscheidungen unterliegen gemäß §§ 92a, 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts. Deshalb ist eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des Beschwerdegerichts über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die unter Mitwirkung des erfolglos abgelehnten Richters getroffene Sachentscheidung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beteiligte, dessen Befangenheitsantrag abgelehnt worden ist, ist vielmehr auf die beim Ausgangsgericht zu erhebende Anhörungsrüge gemäß § 78a ArbGG zu verweisen (BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 6; 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 5, BAGE 128, 13).
b) Allerdings kann der absolute Revisionsgrund der fehlerhaften Besetzung des Gerichts ausnahmsweise mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn das Ablehnungsgesuch nicht nur fehlerhaft behandelt worden ist, sondern das Gericht zweiter Instanz bei der Bescheidung des Ablehnungsgesuchs Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Dann stellt die in fehlerhafter Besetzung ergangene, die Instanz abschließende Entscheidung einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters dar. In einem solchen Fall ist auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidung mit dem "Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter behaftet" (BVerfG 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - Rn. 40). Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters wirkt insoweit fort. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters muss das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht in dieser Konstellation die im Ablehnungsverfahren vor dem Gericht zweiter Instanz erfolgten Verfassungsverstöße im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beheben und die in fehlerhafter Besetzung ergangene Entscheidung aufheben (vgl. BVerfG 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 - Rn. 60 ff., BVerfGK 7, 325; 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - Rn. 28, BVerfGK 11, 434; 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - Rn. 11, BVerfGK 13, 72). Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren im Urteilsverfahren (vgl. hierzu BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 7), sondern nach § 92a ArbGG entsprechend auch im Beschlussverfahren.
c) Die Beschwerde rügt zu Recht, dass dem Landesarbeitsgericht bei der Behandlung der beiden Ablehnungsanträge ein Verstoß unterlaufen ist, der sich auch auf den instanzbeendenden Beschluss über die Wahlanfechtung auswirkte. Die Entscheidung in der Sache unter Mitwirkung des abgelehnten Richters stellte deshalb einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters dar. Das führt zur Aufhebung der Entscheidungen über die Wahlanfechtung sowie über die Befangenheitsanträge und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
aa) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Nach ständiger Rechtsprechung hat dieses grundrechtsgleiche Recht über die Abwehr einer sachwidrigen Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die Verfahrensordnungen müssen darum Regelungen vorsehen, die es ermöglichen, einen Richter, bei dem diese Gewähr nicht (mehr) gegeben ist, von der Ausübung seines Amtes abzulösen (BVerfG 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 13 f.; BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 9).
bb) Wird im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Richter als befangen abgelehnt, wird gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, § 45 Abs. 1 ZPO über das Ablehnungsgesuch ohne seine Mitwirkung entschieden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste. Gleichwohl ist anerkannt, dass abweichend von diesem Grundsatz und abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in ursprünglicher Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden darf. Hierzu zählen ua. die Ablehnung eines ganzen Gerichts als solches sowie das offenbar grundlose, nur der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuch (vgl. BVerfG 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 15; BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 10 mwN).
cc) Diese differenzierende Zuständigkeitsregelung in Fällen der Richterablehnung steht im Einklang mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieser erlaubt es in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dem abgelehnten Richter, an der Behandlung des Ablehnungsgesuchs mitzuwirken und so ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren zu vermeiden. Diese Abweichung von der gesetzlichen Regel ist jedoch nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Voraussetzung ist, dass die Prüfung des Gesuchs keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache darstellt. Erlaubt sind nur echte Formalentscheidungen und Entscheidungen, die einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern sollen. Ein rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch kann deshalb nur angenommen werden, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn das Ablehnungsgesuch Handlungen des Richters beanstandet, die nach der Zivilprozessordnung oder dem Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschrieben sind oder die sich ohne weiteres aus der Stellung des Richters ergeben. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch daher auch im Lichte des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG betrachtet dann, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt. Unzulässig ist das Gesuch auch, wenn sich der Richter an den von der Zivilprozessordnung bzw. dem Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschriebenen Verfahrensgang hält, der Ablehnende aber eine Änderung begehrt. Eine Verwerfung des Ablehnungsgesuchs unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ist daher grundsätzlich nur dann mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu vereinbaren, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein - ohne jede weitere Aktenkenntnis - offenkundig die Ablehnung nicht zu begründen vermag. Ist hingegen ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung des Gesuchs als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten Richters aus. Eine gleichwohl erfolgte Entscheidung durch den abgelehnten Richter selbst ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen. Überschreitet das Gericht bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs die ihm gezogenen Grenzen, kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (BVerfG für den Zivilprozess in st. Rspr. seit 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - Rn. 19 f., BVerfGK 11, 434; vgl. auch 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 16 ff.; BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 11).
dd) Bei Anlegung dieses verfassungsrechtlichen Maßstabs zur Differenzierung zwischen einer mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG noch zu vereinbarenden Selbstentscheidung und einer unter Mitwirkung des abgelehnten Richters erfolgten Entscheidung, die von dieser Verfassungsnorm nicht mehr gedeckt ist, hat das Landesarbeitsgericht mit der Entscheidung über das gegen den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts gerichtete Ablehnungsgesuch unter dessen Beteiligung die ihm von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen überschritten.
Dieses zweite Ablehnungsgesuch wurde von der Kammer als rechtsmissbräuchlich angesehen, weil es offensichtlich einer Verhinderung der Durchführung des Anhörungstermins diene und damit das Institut der Befangenheit rechtsmissbräuchlich genutzt werde. Das Landesarbeitsgericht hat die relativ kurze Frist zur Stellungnahme auf die dienstliche Äußerung des Vizepräsidenten als "durchaus ausreichend" erachtet. Es sei dem Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 15. leicht möglich gewesen, innerhalb dieser Frist substantiiert Stellung zu nehmen. Dies zeige sich bereits daran, dass er innerhalb dieser Frist in der Lage gewesen sei, gegen den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts einen ausführlichen, fast vierseitigen Befangenheitsantrag zu formulieren und der 48-seitige gegen den Vizepräsidenten gerichtete Befangenheitsantrag seine umfassende, bis ins Detail gehende Kenntnis dokumentiere.
Für diese Erwägungen mag in der Sache manches sprechen. Jedoch war dem abgelehnten Präsidenten des Landesarbeitsgerichts eine Mitwirkung an der Entscheidung über seine Befangenheit verwehrt, weil dafür eine Auseinandersetzung mit dem von ihm beeinflussten Prozessverlauf erforderlich war. Die Entscheidung des abgelehnten Präsidenten, dem Beteiligten zu 15. auf die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Vizepräsidenten vom 23. Juni 2015 eine Frist zur Stellungnahme bis zum 24. Juni 2015, 8.00 Uhr einzuräumen, ist eine prozessleitende richterliche Ermessensentscheidung. Die Dauer der Frist zur Stellungnahme ist weder durch die Zivilprozessordnung noch durch das Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschrieben. Die Fristsetzung wird mit dem gegen den Präsidenten gerichteten Ablehnungsgesuch gerade beanstandet. Der Beteiligte zu 15. hat zur Begründung des Ablehnungsgesuchs ausgeführt, in der Kürze der Zeit sei eine Stellungnahme nicht möglich, weil der Betriebsrat nur nach ordnungsgemäßer Einberufung und nur in seiner Gesamtheit eine Stellungnahme abgeben könne; der Vorsitzende des Betriebsrats sei lediglich Erklärungsbote. Dies müsse dem Richter, der die Frist zur Stellungnahme auf die dienstliche Äußerung verfügt habe, klar gewesen sein. Die Ablehnung werde darauf gestützt, dass durch die kurze Fristsetzung ein "massiver Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs" vorliege. Die Kammer des Landesarbeitsgerichts ist dieser Argumentation bei ihrer Entscheidung über das gegen den Präsidenten gerichtete Befangenheitsgesuch ausdrücklich nicht gefolgt. Damit hat der abgelehnte Präsident an einer Entscheidung in eigener Sache mitgewirkt und damit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Diese Verletzung strahlt auf die instanzbeendende Entscheidung aus. Über das gegen den Präsidenten gerichtete Ablehnungsgesuch ist daher ohne seine Beteiligung erneut zu befinden. Danach ist nochmals über das Befangenheitsgesuch gegen den abgelehnten Vizepräsidenten zu entscheiden, bevor die dann feststehenden gesetzlichen Richter eine instanzbeendende Entscheidung über die Wahlanfechtung treffen können.
III. Da bereits die gerügte Verletzung des absoluten Revisionsgrundes des § 547 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung der anzufechtenden Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht führt, bedarf es keiner Entscheidung über die weiteren Rügen der Beschwerdeführer.
IV. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat in analoger Anwendung von §§ 92a, 72a Abs. 7 ArbGG iVm. § 563 Abs. 1 ZPO den instanzbeendenden Beschluss des Landesarbeitsgerichts - einschließlich der inzident überprüfbaren Entscheidungen über die Befangenheitsgesuche - aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (vgl. hierzu BAG 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - Rn. 16 mwN).
Fundstellen
Dokument-Index HI10922996 |