Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für Auflösung des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Betriebsvereinbarung über die Verteilung der Arbeitszeit verstößt gegen § 77 Abs 3 BetrVG, wenn sie zugleich Regelungen über die Dauer der wöchentlichen bzw jährlichen Arbeitszeit enthält, die im Widerspruch zu einem für den Betrieb geltenden Tarifvertrag stehen.
2. Eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats im Sinne von § 23 Abs 1 BetrVG liegt nur vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 21. Februar 1978 - 1 ABR 54/76 - AP Nr 1 zu § 74 BetrVG 1972). Danach kann eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten nur angenommen werden, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint.
Normenkette
ArbGG § 83 Abs. 3; BetrVG § 77 Abs. 3, § 23 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 06.08.1992; Aktenzeichen 7 TaBV 4/92) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 24.03.1992; Aktenzeichen 25 a BV 12/91) |
Gründe
A. Die antragstellende Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (im folgenden: ÖTV) begehrt im vorliegenden Beschlußverfahren die Auflösung des Betriebsrats im Betrieb des Arbeitgebers mit der Begründung, dieser habe durch den Abschluß einer Betriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen.
Die Gewerkschaft ÖTV ist im Betrieb des Arbeitgebers vertreten. Der Arbeitgeber ist eine Hamburger Seehafenfirma, die Mitglied des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg e.V. ist, der zum Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe gehört.
Am 11. März 1988 schlossen der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. und der Hauptvorstand der ÖTV einen Tarifvertrag über die Neuregelung der Arbeitszeit für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe (im folgenden: TNAZ).
In diesem Tarifvertrag ist, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung, folgendes geregelt:
"§ 1
1. Im Geltungsbereich des Rahmentarifvertrages
für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafen-
betriebe wird die Arbeitszeit in der Weise
verkürzt, daß
ab 1.1.1988 12 bezahlte freie Tage,
ab 1.1.1989 15 bezahlte freie Tage,
ab 1.1.1990 18 bezahlte freie Tage
gewährt werden.
...
2. ...
3. Für die freien Tage nach Ziff. 1 wird der
Grundlohn der I. Werktagsschicht der jeweili-
gen Lohngruppe gezahlt.
§ 4
1. Die freien Tage sind auf drei Zeitabschnitte
von je drei Monaten über das Jahr zu vertei-
len.
Die restlichen drei Monate bleiben auf Verlan-
gen des Unternehmens von freien Tagen wie
folgt unbelastet:
a) die Zeit vom 10.12. eines Jahres bis zum
10.1. des folgenden Jahres.
b) zwei Monate, in denen erfahrungsgemäß be-
trieblich überdurchschnittliche Personal-
engpässe auftreten.
2. Sonnabende und Sonntage bleiben von freien
Tagen unbelegt, soweit an diesen Tagen Ar-
beitspflicht besteht.
Dasselbe gilt für Tage, an denen keine Ar-
beitspflicht besteht.
§ 5
1. a) 9 freie Tage sind in die Schichtpläne auf-
zunehmen, soweit solche aufgestellt sind
bzw. aufgestellt werden.
b) In Unternehmen ohne Schichtpläne sind 6
freie Tage durch Betriebsvereinbarung zu
regeln. Weitere 3 freie Tage bleiben zeit-
lich frei verfügbar. Dabei ist auf die be-
trieblichen und persönlichen Belange Rück-
sicht zu nehmen.
2. Die ab 1. Januar 1988 zusätzlich zu gewähren-
den freien Tage bleiben zeitlich frei verfüg-
bar und werden unter Berücksichtigung der be-
trieblichen und persönlichen Belange gewährt.
Streitfälle werden einvernehmlich zwischen Ar-
beitgeber und Betriebsrat geregelt.
3. Soweit die Bestimmungen der Ziff. 1 a) und b)
keine Anwendung finden, bleibt die Regelung
der freien Tage der Einzelvereinbarung vorbe-
halten. Dabei hat der Betriebsrat mitzuwirken.
Auf die betrieblichen und persönlichen Belange
ist Rücksicht zu nehmen.
4. Betrieblich oder persönlich erforderliche Ab-
weichungen von Schichtplänen (Ziff. 1 a) bzw.
von Betriebsvereinbarungen (Ziff. 1 b) sowie
von den Zeitabschnitten gem. § 4 Ziff. 1 be-
dürfen der einvernehmlichen Regelung zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat, wenn damit eine
wesentliche inhaltliche Änderung der Regelung
der freien Tage verbunden ist. Im übrigen
bleibt eine Regelung der Einzelabrede unter
Mitwirkung des Betriebsrates vorbehalten.
§ 6
Der Betriebsrat hat unbeschadet der gesetzlichen
Mitbestimmungsrechte mitzubestimmen, soweit nach
diesem Tarifvertrag betriebliche kollektive Rege-
lungen zu treffen sind oder die örtlichen Tarif-
vertragsparteien betriebliche kollektive Regelun-
gen eröffnen."
Außerdem besteht zwischen dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. und dem Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV ein Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe vom 30. Juni 1984, gültig ab 1. Januar 1985. Darin ist vereinbart:
"§ 1 Geltungsbereich
1. Räumlicher Geltungsbereich.
Der räumliche Geltungsbereich erstreckt sich
auf folgende deutsche Seehäfen:
...
Hamburg,
...
2. Fachlicher und persönlicher Geltungsbereich.
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Unternehmen,
die in den unter Ziff. 1 aufgeführten Seehäfen
einen Seehafenbetrieb unterhalten und dem
Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe
e.V. angeschlossen sind, sowie für die in die-
sen Betrieben beschäftigten Hafenarbeiter, die
Mitglied der Gewerkschaft ÖTV sind.
§ 2 Arbeitszeit
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit be-
trägt 40 Stunden.
Die Aufteilung der Arbeitszeit auf die Werkta-
ge Montag bis Sonnabend und weitere Einzelhei-
ten werden durch die örtlichen Sonderbestim-
mungen geregelt.
..."
In der 4. Protokollnotiz zu diesem Tarifvertrag vom 1. Januar 1985 wird hierzu vermerkt:
1. Die Tarifvertragsparteien haben mit größter
Sorgfalt geprüft, ob es möglich ist, mehr
Freizeit innerhalb der 40-Stunden-Woche in
Verbindung mit dem Sonntag zu gewähren.
Trotz der in den verschiedenen Häfen bestehen-
den Unterschiede in der Organisation der Ar-
beitszeit und deren Verteilung über die Woche
und der unübersehbaren Konsequenzen in den
einzelnen Seehäfen und Betrieben, stimmen die
Tarifvertragsparteien grundsätzlich überein,
in einem Zeitraum von 12 Wochen 8 freie Tage
in Verbindung mit dem Sonntag zu gewähren. Die
Bestimmungen in § 2 Ziff. 1 Abs. 2 RTV gelten
unverändert, insbesondere bei Abweichungen von
der vorstehenden Erklärung der Tarifvertrags-
parteien.
2. Die Tarifvertragsparteien stimmen des weiteren
darin überein, daß bei Durchführung zu Ziff. 1
ein den Bedürfnissen der Abfertigung der See-
schiffs- und Binnenverkehrsträger entsprechen-
der Betrieb aufrechterhalten werden muß.
Sie geben deshalb den örtlich zuständigen Ta-
rifvertragsparteien folgende Erklärungen und
Empfehlungen:
2.1 Grundsätzlich kann in den Seehäfen mit
Rücksicht auf den Seeschiffsbetrieb und
den Betrieb der Binnenverkehrsträger auf
eine 1. Schicht am Sonnabend als regulä-
re Arbeitszeit nicht verzichtet werden.
2.2 In diesem Sinne fixieren die örtlich zu-
ständigen Tarifvertragsparteien die Maß-
nahmen, die im Zusammenhang mit dem Wo-
chenende zu gewährende freie Zeit inner-
halb der 40-Stunden-Woche zu erhöhen.
2.3 Dabei werden sie alle organisatorischen
Möglichkeiten untersuchen und berück-
sichtigen, die geeignet sind, nachhalti-
ge Auswirkungen zu neutralisieren, so
insbesondere durch
- langfristige Schicht- und Freizeitplä-
ne,
- besondere Maßnahmen während der Haupt-
urlaubszeit, die gegebenenfalls von
dem Inhalt der Ziff. 1 zeitweilig ab-
weichen,
- Anpassung der Schichtsysteme.
Der Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. und die Bezirksverwaltung Hamburg der Gewerkschaft ÖTV haben tarifliche Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen (im folgenden: Hamburger Sonderbestimmungen) vereinbart, gültig ab 1. Januar 1985. Diese sehen u.a. vor:
"§ 1 Geltungsbereich
1. ...
2. Der fachliche und persönliche Geltungsbereich
erstreckt sich auf die Hafeneinzelbetriebe,
die dem Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V.
als Mitglied angehören, und die in diesen Be-
trieben beschäftigten Hafenarbeiter, die Mit-
glieder der Gewerkschaft ÖTV sind.
§ 3 Regelmäßige Arbeitszeit
1. Die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 2 Ziff. 1
des Rahmentarifvertrages ist in Schichten ein-
geteilt, deren Verteilung durch Betriebsver-
einbarung geregelt wird.
Die Schichten dauern
a) montags bis freitags
I. Schicht von 6.50 Uhr bis 15.00 Uhr
Mittelschicht von 9.00 Uhr bis 17.10 Uhr
II. Schicht von 15.00 Uhr bis 23.10 Uhr
III. Schicht von 23.10 Uhr bis 6.50 Uhr
...
b) sonnabends
I. Schicht von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr
II. Schicht von 13.00 Uhr bis 19.00 Uhr
III. Schicht von 19.00 Uhr bis 1.00 Uhr
IV. Schicht von 1.00 Uhr bis 7.00 Uhr
...
§ 4 Arbeitspausen
1. In die Mitte jeder Werktagsschicht ist eine
unbezahlte Pause zu legen. Diese beträgt:
a) montags bis freitags 1/2 Stunde ...
b) sonnabends 1/4 Stunde ..."
Am 30. Januar 1991 schloß der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung "gemäß den Bestimmungen des Tarifvertrages über die Neuregelung der Arbeitszeit für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe vom 30. Juni 1984 hinsichtlich der Regelung der Gewährung bezahlter freier Tage gemäß § 5 Ziff. 3 des o.g. Tarifvertrages". In dieser Betriebsvereinbarung ist geregelt:
"§ 1
Alle bezahlten freien Tage werden auf den Samstag
gelegt, so daß die übrigen Werktage grundsätzlich
von bezahlten freien Tagen unbelegt bleiben. Mit
Rücksicht auf persönliche Interessen kann in be-
gründeten Einzelfällen hiervon abgewichen werden.
§ 2
Die Bezahlung der freien Tage erfolgt monatlich,
indem jeder Mitarbeiter 1,5 Löhne der
I. Werktagsschicht bezogen auf die jeweilige
Lohngruppe ausbezahlt bekommt.
§ 3
Die derzeitige Gruppeneinteilung der Mitarbeiter
für die Arbeit an Samstagen bleibt bestehen. Alle
Mitarbeiter sind verpflichtet, bei entsprechendem
Arbeitsanfall an jedem dritten Samstag (bisher
"Pflichtsamstag") zu arbeiten. Wahlweise bekommen
sie dann an diesem Tag die I. Schicht bezahlt wie
die I. Werktagsschicht ihrer Lohngruppe oder
einen freien Tag in der darauffolgenden Woche
nach Abstimmung mit der Betriebsinspektion.
..."
Die Gewerkschaft ÖTV ist der Auffassung, in dem Abschluß der Betriebsvereinbarung 1991 sei ein grober Verstoß des Betriebsrats gegen seine gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu sehen. Die Tarifvertragsparteien hätten den Umfang der Arbeitszeitverkürzung in dem TNAZ in der Weise festgelegt, daß eine bestimmte Zahl von freien Tagen vereinbart worden sei, die nicht auf den Samstag gelegt werden dürfen. An den Werktagen Montag bis Freitag habe zum Zeitpunkt der Vereinbarung des TNAZ die Arbeitszeit 7,7 Stunden betragen, dagegen an Samstagen 5,7 Stunden. Dadurch, daß die Betriebsvereinbarung in bewußtem Gegensatz zu § 4 Nr. 2 TNAZ regele, daß die freien Tage nur an den Samstagen zu nehmen seien, führe die Betriebsvereinbarung zu einer geringeren Arbeitszeitverkürzung: Nach der Betriebsvereinbarung müßten die Arbeiter 36 Stunden länger arbeiten als nach dem Tarifvertrag. § 2 der Betriebsvereinbarung, der regele, daß freie Samstage wegen der damit verbundenen geringeren Arbeitszeitverkürzung mit 1,5 Löhnen zu bezahlen seien, mache deutlich, daß den Betriebsparteien bewußt gewesen sei, daß sie mit ihrer Betriebsvereinbarung gegen Inhalt sowie Sinn und Zweck der tariflichen Arbeitszeitverkürzung verstießen. Der TNAZ enthalte keine tarifliche Öffnungsklausel für den Abschluß von Betriebsvereinbarungen.
Die ÖTV hat beantragt,
den Betriebsrat der Firma W & Co., vertre-
ten durch den Vorsitzenden, Herrn Dietrich S -
, aufzulösen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Zur Begründung hat er vorgetragen, in dem Abschluß der Betriebsvereinbarung 1991 sei kein Verstoß gegen zwingende Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes oder des Betriebsverfassungsgesetzes zu sehen, die seine Auflösung rechtfertigen könnten. Die Verteilung der Arbeitszeit sei im TNAZ nicht abschließend geregelt. Hier läge vielmehr eine Regelungskompetenz des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG vor. Die Zulässigkeit der Betriebsvereinbarung ergebe sich auch aus den Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen. In ihnen sei geregelt, daß die Verteilung der Schichten durch Betriebsvereinbarung geregelt werde. Diese Sonderbestimmungen seien nicht durch den TNAZ abgelöst worden. Selbst wenn aber ein Verstoß gegen den TNAZ angenommen würde, liege keine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats vor. Dieser habe im Interesse der gesamten Belegschaft versucht, ein langes Wochenende für alle Beschäftigten zu erreichen. Er habe in gutem Glauben gehandelt, daß die Betriebsvereinbarung nicht tarifliche Regelungen verletze. Schließlich bestehe insofern eine ungeklärte Rechtslage, als das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden habe, wie weit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehe, wenn die Verteilung der Arbeitszeit Auswirkungen auf deren Dauer habe.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der ÖTV stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Antrags, während die ÖTV bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts, zur Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts und zur Abweisung des Antrags der ÖTV.
I. Der Antrag der ÖTV ist zulässig. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Antragsbefugnis der Gewerkschaft ÖTV ergebe sich aus § 23 Abs. 1 BetrVG. Danach kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Unerheblich ist, ob ein Mitglied des Betriebsrats der Gewerkschaft angehört (Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 23 Rz 57), da das Antragsrecht nach § 23 Abs. 1 BetrVG der Einhaltung bzw. der Wiederherstellung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung dient, unabhängig davon, ob es sich bei den Betriebsratsmitgliedern um Gewerkschaftsangehörige handelt oder nicht.
II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch den Arbeitgeber am Verfahren beteiligt. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind in dem Verfahren der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach materiellem Recht beteiligt sind. Aus dieser Vorschrift entnimmt die herrschende Meinung in der Literatur und die Rechtsprechung, daß der Arbeitgeber in jedem Beschlußverfahren Beteiligter ist (BAGE 27, 33, 38 = AP Nr. 9 zu § 5 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; BVerwGE 67, 135; Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 83 Rz 12). Auch wenn die von einigen Autoren vertretene Auffassung zugrunde gelegt wird, beteiligt sei nur derjenige, der durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wurde (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rz 40; Müller, Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd. 9 1972, S. 23, 37; Dütz/Säcker, DB 1972, Beilage 17 S. 13 und Laux, Die Antrags- und Beteiligtenbefugnis im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, 1985, S. 82 ff.), war der Arbeitgeber zu beteiligen. Denn dieser ist vorliegend unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen, weil er Partei der Betriebsvereinbarung ist.
III. Der Antrag der ÖTV ist nicht begründet.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der TNAZ wirksam. In den letzten Jahren ist eine Diskussion darüber entstanden, ob in Tarifverträgen Höchstarbeitszeiten vereinbart werden können, von denen die Arbeitsvertragsparteien nicht abweichen dürfen. Mit der Begründung, Arbeitszeit-Tarifverträge mit einer Höchstarbeitszeit würden die Tarifmacht der Tarifvertragsparteien überschreiten, verstießen gegen Art. 12 GG, bzw. eine längere Arbeitszeit könne für den Arbeitnehmer günstiger sein, wird in der Literatur die Auffassung vertreten, daß von einer tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeit durch Einzelvertrag abgewichen werden kann (Buchner, DB 1990, 1715 ff.; Heinze, NZA 1991, 329 ff.; Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 ff.; von Hoyningen-Huene, Anm. zu AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972; Joost, ZfA 1984, 173 ff.; Löwisch, SAE 1988, 103 ff.; Richardi, NZA 1984, 387 ff.; Zöllner, ZfA 1988, 265 ff. und DB 1989, 2121 ff.; Hromadka, DB 1992, 1042 ff.; a.A. Däubler, DB 1989, 2534 ff.; Linnenkohl/Rauschenberg/Reh, BB 1990, 628 ff.; Zachert, DB 1990, 986 ff.).
Vorliegend geht es um eine Arbeitszeitverkürzung durch zusätzliche freie Tage und damit um die Dauer der Jahresarbeitszeit. Die Rechtsbeschwerde übersieht aber, daß nicht gestritten wird darüber, ob von dieser tarifvertraglich vereinbarten Dauer der Jahresarbeitszeit durch Einzelvertrag abgewichen werden kann. Selbst wenn hiervon ausgegangen wird mit der Begründung, entweder die Tarifmacht gestatte den Tarifvertragsparteien nur die Vereinbarung einer Regelarbeitszeit, oder die Festlegung von Höchstarbeitszeiten verstoße gegen Art. 12 GG oder eine längere Arbeitszeit könne für den Arbeitnehmer günstiger sein, steht nicht zur Diskussion, daß der Tarifvertrag unwirksam ist. Vielmehr kann nach dieser Auffassung von dem wirksamen Tarifvertrag über die Regelung von Höchstarbeitszeiten durch Einzelarbeitsvertrag abgewichen werden.
Die Argumentation der Rechtsbeschwerde, wenn die Höchstarbeitszeit durch Einzelarbeitsvertrag abbedungen werden könne, müsse dies auch für die Betriebsvereinbarung gelten, ist rechtsfehlerhaft. Hierbei wird übersehen, daß nach § 77 Abs. 3 BetrVG Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Damit soll gerade die aktualisierte Tarifautonomie gegenüber der Betriebsautonomie geschützt werden. Selbst wenn also von den Regelungen im TNAZ durch Einzelarbeitsvertrag abgewichen werden kann, dürfen dies die Betriebsparteien nicht, da es sich bei der Dauer der Arbeitszeit nicht um einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand handelt, für den allein die Schranke von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG gelten würde.
2. Mit dem Abschluß der Betriebsvereinbarung haben Betriebsrat und Arbeitgeber gegen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung verstoßen.
a) Ein Eckpfeiler der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung ist § 77 Abs. 3 BetrVG. Diese Vorschrift regelt das Verhältnis der Tarifvertragsparteien und der Betriebspartner in ihrer Befugnis, Arbeitsbedingungen mit normativer Wirkung zu regeln. Der Gesetzgeber hat dabei im Interesse des Funktionierens der Tarifautonomie der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien den Vorrang eingeräumt. Die Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Regelung von Arbeitsentgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen soll nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß Arbeitgeber und Betriebsrat ergänzende oder abweichende Regelungen vereinbaren (Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAGE 56, 18 = AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972 und BAG Beschluß vom 20. August 1991 - 1 ABR 85/90 - EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 41).
§ 77 Abs. 3 BetrVG stellt damit eine Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung dar. Sie weist dieser ihren Platz innerhalb der arbeitsrechtlichen Rechtsordnung zu und verpflichtet Arbeitgeber wie Betriebsrat, diese Ordnung bei der Regelung von Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung zu beachten. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung stellt für den Betriebsrat eine Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG dar. Dementsprechend wird auch in der Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, der Abschluß einer Betriebsvereinbarung unter Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG könne ein grober Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG sein (so etwa Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 23 Rz 89; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 23 Rz 46; Fitting/Auffarth/Kaiser/ Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 23 Rz 28 und Senatsbeschluß vom 20. August 1991, aaO; einen groben Verstoß gegen die Amtspflichten nehmen Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 23 Rz 38 an, wenn der Betriebsrat mit Beschlüssen beharrlich gegen Tarifverträge verstößt).
b) § 77 Abs. 3 BetrVG gilt nicht für Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Dies hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 3. Dezember 1991 (aaO) im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Ersten Senats noch einmal ausführlich begründet. Die Mitbestimmungsrechte werden nicht dadurch ausgeschlossen, daß die entsprechende Angelegenheit üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt wird oder auch gegenwärtig geregelt ist, diese tarifliche Regelung aber im Betrieb mangels Tarifbindung des Arbeitgebers keine Anwendung findet. Der Senat hat dies mit der Schutzfunktion der in dieser Vorschrift geregelten Mitbestimmungsrechte begründet, die auch dann zum Tragen kommen muß, wenn die entsprechende Angelegenheit entweder nur tarifüblich geregelt wird und deshalb gegenwärtig keine Schutzwirkung entfalten kann, oder aber zwar gegenwärtig tariflich geregelt ist, die tarifliche Regelung aber mangels Tarifbindung des Arbeitgebers sich für die Arbeitnehmer des Betriebs nicht auswirken kann. Ein und dieselbe Arbeitsbedingung - etwa die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage - kann damit auch im räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages sowohl durch Tarifvertrag als auch durch Betriebsvereinbarung in zulässiger Weise geregelt sein. Schließen die Betriebspartner eine solche Betriebsvereinbarung, so handeln sie im Rahmen ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeit. Sie machen von ihrer durch § 77 Abs. 3 BetrVG nicht eingeschränkten Normsetzungsbefugnis Gebrauch (Senatsbeschluß vom 20. August 1991, aaO).
Bei der Wahrnehmung dieser Normsetzungsbefugnis sind die Betriebspartner jedoch nicht frei. Sie haben nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG eine Regelungsbefugnis nur, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung für den Betrieb nicht besteht. Der Verstoß einer Betriebsvereinbarung gegen tarifliche Vorgaben im Sinne von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG macht die entsprechende Regelung in der Betriebsvereinbarung oder diese selbst unwirksam, er stellt aber ebensowenig einen Verstoß gegen die auch durch § 77 Abs. 3 BetrVG normierte betriebsverfassungsrechtliche Ordnung dar wie der Verstoß einer Regelung in der Betriebsvereinbarung gegen eine gesetzliche Vorschrift. Die Betriebspartner handeln bei Abschluß einer Betriebsvereinbarung über eine nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit in Ausübung ihrer Zuständigkeit und damit im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung. Zu einer Verletzung von § 77 Abs. 3 BetrVG kann es nicht kommen, weil für die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG die gegenüber § 77 Abs. 3 BetrVG engere Schranke des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG gilt (Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991, aaO).
c) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, daß die Betriebsvereinbarung 1991 in mehrfacher Hinsicht gegen die Regelungen des TNAZ verstößt und gleichzeitig § 77 Abs. 3 BetrVG verletzt.
aa) Der TNAZ regelt den Inhalt und die Umsetzung der zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Arbeitszeitverkürzung durch freie Tage. Ausdrücklich wird hierzu in § 4 Nr. 2 festgehalten, daß Sonnabende und Sonntage von den zur Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung vereinbarten freien Tage unbelegt bleiben. Entgegen dieser ausdrücklichen Regelung legt die Betriebsvereinbarung 1991 alle bezahlten freien Tage auf den Samstag, so daß die übrigen Werktage grundsätzlich von bezahlten freien Tagen unbelegt bleiben. Damit regelt die Betriebsvereinbarung die Verteilung der freien Tage in diametralem Gegensatz zum Inhalt des TNAZ.
Entgegen dem ersten äußeren Anschein handelt es sich bei der Regelung in der Betriebsvereinbarung, daß alle bezahlten freien Tage auf den Samstag zu legen sind, nicht nur um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wonach der Betriebsrat bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen hat. Wenn dies so wäre, würde nur der Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG gelten und nicht § 77 Abs. 3, so daß grundsätzlich die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung nicht gestört wäre.
Vorliegend ist zu berücksichtigen, daß der Umfang der Arbeitszeitverkürzung durch zwei verschiedene Komponenten bestimmt wird, nämlich die Anzahl der freien Tage und die Lage der freien Tage. In § 1 TNAZ wird festgelegt, wieviel bezahlte freie Tage ab 1. Januar 1990 den Arbeitnehmern gewährt werden. Der Umfang der Arbeitszeitverkürzung ergibt sich aber erst im Zusammenhang mit der Lage der freien Tage. Insoweit ist die Vorschrift von § 4 Nr. 2 TNAZ, daß Sonnabende und Sonntage von freien Tagen unbelegt bleiben, Teil der Bestimmung des Umfangs der Arbeitszeitverkürzung. Das ergibt sich daraus, daß nach § 3 der tariflichen Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen die regelmäßige Arbeitszeit aller Schichten von Montag bis Freitag acht Stunden und zehn Minuten abzüglich einer unbezahlten Pause von einer halben Stunde dauert, dagegen die Arbeitspflicht an Sonnabenden sechs Stunden beträgt abzüglich einer Viertelstunde unbezahlter Pause (§ 3 Nr. 1 b Hamburger Sonderbestimmungen). Die Regelung in der Betriebsvereinbarung, daß alle bezahlten freien Tage auf den Samstag zu legen sind, hat dementsprechend zur Folge, daß die Arbeitnehmer statt der tariflich vereinbarten Arbeitszeitverkürzung um 138 Stunden nur eine solche von 103,5 Stunden erhalten. Diese Abweichung von dem Umfang der Arbeitszeitverkürzung im TNAZ war den Betriebsparteien auch bewußt, da sie zum finanziellen Ausgleich der geringeren Arbeitszeitverkürzung vereinbarten, daß die freien Sonnabende mit 1,5 Löhnen der ersten Werktagsschicht bezahlt würden (§ 2 Betriebsvereinbarung 1991), statt - wie im Tarifvertrag geregelt - mit dem einfachen Lohn der ersten Werktagsschicht.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat aber nicht über die Dauer der wöchentlichen bzw. jährlichen Arbeitszeit mitzubestimmen (ständige Rechtsprechung des BAG: vgl. zuletzt Senatsentscheidungen vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 10/86 - und 28. September 1988 - 1 ABR 41/87 - AP Nr. 24 und 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Mit der Regelung in der Betriebsvereinbarung, die zu einer geringeren Arbeitszeitverkürzung führt als im Tarifvertrag vorgesehen, haben die Betriebsparteien also gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen.
bb) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß weder der TNAZ noch die Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen Öffnungsklauseln enthalten, die den Abschluß von ergänzenden oder abweichenden Betriebsvereinbarungen erlauben, soweit es um den Umfang der Arbeitszeitverkürzung, insbesondere infolge der Lage der bezahlten freien Tage geht.
§ 4 Nr. 1 TNAZ regelt die Art und Weise, wie die freien Tage über das Jahr zu verteilen sind. § 4 Nr. 2 bestimmt, daß Sonnabende und Sonntage von freien Tagen unbelegt bleiben. Dagegen bestimmt § 5, wie auf dieser Grundlage die konkrete Festlegung der freien Tage zu erfolgen hat. Dabei unterscheidet der TNAZ zwischen Unternehmen mit und ohne Schichtpläne. In ersteren sind neun freie Tage in die Schichtpläne aufzunehmen, in den anderen sind sechs freie Tage durch Betriebsvereinbarung zu regeln (§ 5 Nr. 1 a und b TNAZ). Auch die hiernach möglichen Betriebsvereinbarungen haben sich jedoch an die Vorgaben des § 4 Nr. 2 TNAZ zu halten, also an die Voraussetzung, daß Sonnabende und Sonntage von freien Tagen unbelegt bleiben. Dies wird u.a. deutlich durch die Regelung des § 5 Nr. 4 TNAZ. Dort wird ausdrücklich festgehalten, daß Abweichungen von § 4 Nr. 1 TNAZ möglich sind, jedoch einer einvernehmlichen Regelung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bedürfen. Da § 4 Nr. 2 nicht erwähnt ist, muß daraus entnommen werden, daß Abweichungen von § 4 Nr. 2 TNAZ nicht erlaubt sind, insoweit also der TNAZ eine abschließende Regelung enthält.
Auch § 6 TNAZ enthält keine Öffnungsklausel. Diese Vorschrift bestimmt nur, daß der Betriebsrat unbeschadet der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte mitzubestimmen hat, soweit nach diesem Tarifvertrag betriebliche kollektive Regelungen zu treffen sind oder die örtlichen Tarifvertragsparteien betriebliche kollektive Regelungen eröffnen (Öffnungsklausel). Aber weder der Rahmentarifvertrag noch die tariflichen Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen enthalten eine entsprechende Öffnungsklausel. Die Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen regeln Lage und Dauer der Schichten in der Arbeitswoche und bilden damit die Grundlage für den TNAZ, enthalten aber keine Regelung über die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung.
Dem Landesarbeitsgericht ist auch in der Annahme zu folgen, daß selbst dann, wenn man in den Hamburger Sonderbestimmungen eine Regelung der örtlichen Tarifvertragsparteien im Sinne von § 6 TNAZ sehen wollte, diese keine betriebliche Regelungsbefugnis eröffnen, auf die die Betriebsvereinbarung 1991 gestützt werden könnte. Eine solche Regelungsbefugnis ergibt sich insbesondere nicht aus § 3 Nr. 1 der Hamburger Sonderbestimmungen. Nur die Verteilung der Schichten ist den Betriebsparteien zur Regelung überantwortet. Durch die Verwendung des Plurals im Relativsatz ("deren") wird eindeutig Bezug genommen auf die Schichten und nicht auf die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit. Die Betriebsvereinbarung 1991 regelt aber nicht die Verteilung der Schichten, sondern die Lage der freien Tage nach dem TNAZ, mit der unmittelbar bewirkt wird, daß die zu leistende Arbeitszeit länger ist, als nach dem TNAZ vereinbart. Es wird also in die absolute Dauer der Arbeitszeit eingegriffen. Dies wird durch § 3 Nr. 1 der Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen nicht gedeckt.
3.a) Der Antrag der Gewerkschaft ist aber unbegründet, weil vorliegend nicht von einer groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG ausgegangen werden kann.
Bei dem Begriff der "groben Pflichtverletzung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der den Tatsacheninstanzen einen Beurteilungsspielraum läßt (BAG Beschluß vom 21. Februar 1978 - 1 ABR 54/76 - AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972). Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur nachprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Begriff selbst verkannt hat, ob die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen des Übersehens wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist.
Vorliegend ist das Beschwerdegericht zwar zutreffend davon ausgegangen, daß es auf ein Verschulden des Betriebsrats nicht ankommt (Senatsbeschluß vom 8. August 1989 - 1 ABR 65/88 - AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; Beschluß vom 14. November 1989 - 1 ABR 87/88 - AP Nr. 76 zu § 99 BetrVG 1972 und Beschluß vom 27. November 1990 - 1 ABR 77/89 - AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit und insbesondere Beschluß vom 8. August 1989 - 1 ABR 63/88 - AP Nr. 18 zu § 95 BetrVG 1972, zu B III der Gründe); es hat aber dennoch den Begriff der groben Amtspflichtverletzung verkannt, weil es angenommen hat, der Abschluß einer Betriebsvereinbarung, die von einem Tarifvertrag abweiche, sei grundsätzlich ein grober Verstoß des Betriebsrats gegen seine Pflichten. Für diese Auffassung beruft sich das Landesarbeitsgericht auf die Senatsentscheidung vom 20. August 1991 (aaO). Dort hat der Senat aber nur ausgeführt, die Verletzung von § 77 Abs. 3 BetrVG sei ein Verstoß des Betriebsrats gegen seine gesetzlichen Pflichten i.S. von § 23 Abs. 1 BetrVG. Ob der Verstoß grob ist, richtet sich danach, ob die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist (BAGE 2, 175 = AP Nr. 1 zu § 23 BetrVG; Senatsbeschluß vom 21. Februar 1978 - 1 ABR 54/76 - AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972). Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Auflösung des Betriebsrats eine besonders einschneidende Sanktion ist. Dementsprechend ist ein grober Verstoß des Betriebsrats nur anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint (vgl. Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 23 Rz 29 m.w.N.). Diesen Maßstab hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.
b) Der Senat - der in der Sache selbst entscheiden konnte, weil alle wesentlichen Umstände unstreitig bzw. festgestellt sind - ist unter Berücksichtigung dieses Maßstabes zu der Überzeugung gelangt, daß der Antrag der Gewerkschaft unbegründet ist, weil vorliegend von einem groben Verstoß des Betriebsrats nicht ausgegangen werden kann.
Der Verstoß des Betriebsrats gegen seine Amtspflicht ist zwar objektiv erheblich, aber nicht offensichtlich so schwerwiegend, daß zur Sicherung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung der Betriebsrat aufgelöst werden müßte. Die Tarifvertragsparteien haben drei Tarifverträge geschlossen, die hinsichtlich der Regelung von Dauer und Lage der Arbeitszeit ineinandergreifen. Dabei sieht der TNAZ in den §§ 5 und 6 bei Vorliegen der verschiedensten Tatbestände eine Mitwirkung des Betriebsrats vor und enthält auch eine Öffnungsklausel, die sich auf § 4 TNAZ bezieht. Für die Betriebsratsmitglieder als Nichtjuristen war deshalb schwer zu erkennen, ob aufgrund einer der Öffnungsklauseln durch die Betriebsvereinbarung von § 4 Nr. 2 TNAZ abgewichen werden kann oder nicht. Für die Zulässigkeit der Betriebsvereinbarung sprach zusätzlich, daß in der 4. Protokollnotiz zum Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe vom 30. Juni 1984 die Tarifvertragsparteien sich zum Ziel gesetzt hatten, mehr Freizeit im Zusammenhang mit dem Sonntag zu gewähren; zu diesem Zweck sollten die örtlich zuständigen Tarifvertragsparteien die Maßnahmen fixieren, die die im Zusammenhang mit dem Wochenende zu gewährende freie Zeit erhöhen.
War aber infolge des unübersichtlichen Tarifwerkes für Nichtjuristen nur schwer erkennbar, daß die abgeschlossene Betriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstieß und haben die Betriebsparteien mit dem Abschluß der Betriebsvereinbarung ein tarifvertragliches Ziel verwirklicht, nämlich möglichst viel freie Tage zusammenhängend mit dem Wochenende zu legen, wäre die Auflösung des Betriebsrats eine zu harte Sanktion. Seine weitere Amtsausübung erscheint nicht untragbar. Zur Wiederherstellung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung reicht die Feststellung aus, daß die Betriebsparteien mit dem Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 30. Januar 1991 gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen haben, so daß diese Betriebsvereinbarung rechtsunwirksam ist. Daraus folgt zugleich, daß der Betriebsrat verpflichtet ist, in Ausübung seines Mitbestimmungsrechts über die Verteilung der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) auf eine andere Regelung hinzuwirken, die mit dem TNAZ vereinbar ist. Anderenfalls würde er dann grob gegen seine Amtspflichten im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG verstoßen.
Insgesamt war also festzustellen, daß zwar ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG vorliegt, auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats aber der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und der des Arbeitsgerichts abzuändern und der Antrag der Gewerkschaft abzuweisen war, weil unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats nicht hat angenommen werden können.
Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost
Kehrmann Weinmann
Fundstellen
BAGE 73, 291-307 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
BAGE, 291 |
DB 1994, 234-236 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
DStR 1994, 626 (Gründe) |
BetrVG, (4) (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
DRsp, VI(642) 271a-b (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
JR 1994, 176 |
NZA 1994, 184 |
NZA 1994, 184-187 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
SAE 1994, 136-141 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
AP § 23 BetrVG 1972, Nr 22 |
AP, 0 |
AR-Blattei, ES 530.10 Nr 77 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
EzA § 23 BetrVG 1972, Nr 35 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
EzA § 77 BetrVG 1972, Nr 56 (Leitsatz 1-2) |