Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der Tarifzuständigkeit (OT-Mitgliedschaft)
Leitsatz (amtlich)
- Die Frage der Tarifgebundenheit eines “Mitglieds ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT)” in einem Arbeitgeberverband an die von diesem geschlossenen Tarifverträge betrifft die Begrenzbarkeit der personellen Tarifzuständigkeit auf einen Teil der Verbandsmitglieder.
- Die Entscheidung eines Rechtsstreits über einen tariflichen Anspruch, den der Arbeitgeber allein mit der Begründung leugnet, er sei als “Mitglied OT” nicht tarifgebunden, hängt somit von der Tarifzuständigkeit des Verbandes für seine OT-Mitglieder ab; das Verfahren ist daher nach § 97 Abs. 5 ArbGG bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen.
- Die Aussetzung hat von Amts wegen zu erfolgen und ist auch noch in der Revisionsinstanz geboten.
Normenkette
ArbGG 1979 § 97 Abs. 5, § 2a Abs. 1 Nr. 4; TVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
- Das Verfahren wird gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt.
- Es ist festzustellen, ob die Tarifzuständigkeit des Verbandes der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. auch für seine OT-Mitglieder (Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung) gegeben ist.
Tatbestand
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restlohn und restlicher Urlaubsabgeltung in Anspruch. Dabei geht der Streit der Parteien allein darum, ob für ihr Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend gelten.
Die Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft Holz und Kunststoff, stand vom 17. Februar 1986 bis zum 30. September 1993 als Furnierkleberin in den Diensten der Beklagten, deren Geschäftsgegenstand die Herstellung von Türen ist und die bei dem Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. – nachfolgend kurz: Verband – eine “Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT)” erworben hat.
In ihrer seit dem 29. Juni 1990 geltenden Fassung sieht die Satzung des Verbandes in § 4 Ziff. 1 drei verschiedene Formen der Mitgliedschaft vor, und zwar die Mitgliedschaft mit Verbandstarifbindung (Mitglied T), die Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) und die Gast/Fördermitgliedschaft (Mitglied GF). In § 4 Ziff. 2 der Satzung ist u. a. bestimmt, daß der Verband ermächtigt ist, für die Mitglieder mit Verbandstarifbindung Verbandstarife abzuschließen, während die Mitglieder ohne Verbandstarifbindung von den Verbandstarifen nicht erfaßt werden. Nach § 5 der Satzung wählen die Mitglieder mit Verbandstarifbindung aus ihren Reihen den Sozialpolitischen Ausschuß; in Mitgliederversammlungen obliegt die Beschlußfassung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen nur ihnen als Betroffenen. Mitglieder ohne Verbandstarifbindung nehmen am Verbandstarifgeschehen nicht teil. Sie haben dafür Anspruch auf Beratung, Mitwirkung und Vertretung durch den Verband beim Abschluß eines Firmentarifvertrages (Haustarifvertrag). Im Sozialpolitischen Ausschuß haben die Mitglieder ohne Verbandstarifbindung nach § 9 der Satzung kein Stimmrecht und nehmen an seinen Sitzungen nur mit beratender Stimme teil.
Für September 1993 ist die Klägerin von der Beklagten unter Zugrundelegung des vereinbarten Stundenlohns von 12,25 DM brutto entlohnt worden. Für noch nicht gewährte 7,5 Urlaubstage hat sie keine Abgeltung erhalten.
Die Klägerin fordert von der Beklagten Lohn nach Ziff. 3a Lohngr. 3 “Hilfsarbeiten” des Rahmentarifvertrages für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz vom 13. Februar 1984, der sich nach der seinerzeit geltenden Lohntabelle vom 15. Februar 1993 für Arbeiter über 20 Jahre in dieser Lohngruppe auf 16,18 DM brutto belief. Diesen Lohn legt sie auch ihrem Anspruch auf Urlaubsabgeltung zugrunde. Mit ihrer am 29. November 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sie die Beklagte auf Nachzahlung der – jeweils der Höhe nach unstreitigen – restlichen Lohndifferenz aus September 1993 in Höhe von 691,68 DM brutto und Urlaubsabgeltung in Höhe von 970,80 DM brutto, also von insgesamt 1.662,48 DM brutto nebst Verzugszinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 4. Dezember 1993 in Anspruch genommen.
Sie hat geltend gemacht, entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung habe das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit den Tarifverträgen für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz mit unmittelbarer und zwingender Wirkung unterstanden. Denn die Vereinbarung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung sei rechtswidrig und rechtsmißbräuchlich, wenn das Mitglied, wie dies hier der Fall sei, sämtliche Vorteile des Berufsverbandes, insbesondere die Rechtsberatung in Anspruch nehmen dürfe, sich aber der Tarifgebundenheit entziehen könne. Nach der Satzung des Verbandes nehme das Mitglied OT lediglich nicht am Verbandsgeschehen teil, habe aber nach § 5 Abs. 1 der Satzung das Recht, alle Einrichtungen des Verbandes zu nutzen und seinen Schutz im Rahmen seiner Zuständigkeit zu verlangen. Da die entsprechende Satzungsbestimmung unwirksam sei, liege seitens der Beklagten mit dem Eintritt in den Verband Tarifgebundenheit vor, so daß sie Anspruch auf den tariflichen Hilfsarbeiterlohn habe.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.662,48 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem hieraus sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, sie sei als OT-Mitglied nicht an die Tarifverträge ihres Verbandes gebunden. Die Vereinbarung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung sei nicht rechtswidrig. Der Verband könne kraft seiner Satzungsautonomie seine Tarifzuständigkeit auf einen Teil seiner Mitglieder beschränken. Wenn das Bundesarbeitsgericht einer Gewerkschaft zubillige, ihre Tarifzuständigkeit durch Satzungsänderung auf weitere Branchen mit der Maßgabe zu erweitern, daß die tarifliche Rechtsetzungsbefugnis nicht für die gesamte Branche, sondern nur für ein spezielles Unternehmen derselben in Anspruch genommen werde, so müsse auch der Arbeitgeberseite eine entsprechend weite Satzungsautonomie für die Festlegung ihres Organisationsbereiches und damit ihrer Tarifzuständigkeit in betrieblicher und persönlicher Hinsicht zugestanden werden. Dem Verband müsse die Bestimmungsbefugnis zustehen, ob eine Tarifregelung schlechthin für alle oder nur für einen Teil seiner Mitglieder vereinbart werden solle. Die Zulässigkeit der Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf einen Teil der Verbandsmitglieder lasse sich auch daraus ableiten, daß die Unterscheidung zwischen Tarifgebundenheit und Tarifzuständigkeit sinnentleert wäre, wenn nicht zwischen Mitgliedergruppen differenziert werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihre Klage mit der Maßgabe weiterverfolgt, ihre Klageforderung sei bereits seit dem 1. Oktober 1993 zu verzinsen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte unter Zurückweisung der Berufung im übrigen verurteilt, an die Klägerin als Urlaubsabgeltung für 7,5 Tage je acht Stunden 735,-- DM (60 Std. a 12,25 DM) brutto nebst Verzugszinsen zu zahlen, und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 927,48 DM brutto nebst Verzugszinsen; dies ist der Betrag, der sich als Nachforderung ergibt, wenn für den Restlohn- und den Urlaubsabgeltungsanspruch der Tariflohn zugrunde gelegt wird. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Der Rechtsstreit ist gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen, denn seine Entscheidung hängt von der auch zwischen den Parteien streitigen Frage ab, ob die personelle Tarifzuständigkeit des Verbandes für seine “Mitglieder OT” und damit auch für die Beklagte gegeben ist.
1. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen (§ 97 Abs. 5 ArbGG). Für die Aussetzung spielt es keine Rolle, in welcher Instanz das Verfahren anhängig ist; das Verfahren muß also auch noch in der Revisionsinstanz ausgesetzt werden (vgl. z. B. BAGE 23, 320 = AP Nr. 2 zu § 97 ArbGG 1953; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 97 Rz 11; GK-ArbGG/Leinemann, Stand September 1996, § 97 Rz 54; Hauck, ArbGG, 1996, § 97 Rz 8).
Die gesetzliche Zuweisung der Entscheidung über die Tariffähigkeit bzw. Tarifzuständigkeit einer Vereinigung in das Beschlußverfahren beruht auf der Erwägung, daß insbesondere wegen des dort herrschenden Untersuchungsgrundsatzes eine größere Richtigkeitsgewähr als im Urteilsverfahren besteht. Wegen der weitreichenden Auswirkungen der Entscheidung auf Dritte, insbesondere die Mitglieder der Tarifvertragsparteien, ist es wichtig, daß die Entscheidung mit größtmöglicher Sicherheit mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt (Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 97 Rz 1). Die Entscheidung über die Frage der Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit kann nicht davon abhängig sein, ob eine Prozeßpartei diese anerkennt oder bestreitet, vor allem, welche Tatsachen sie dafür vorträgt (Dietz/Nikisch, ArbGG, § 97 Rz 1).
Die Vorschrift hat durch das Betriebsverfassungsgesetz, die Arbeitsgerichtsnovelle vom 21. Mai 1979 und das Gesetz vom 20. Dezember 1988 nur wenige Änderungen erfahren, die größtenteils redaktioneller Art waren. Das Verfahren zur Feststellung der Tarifzuständigkeit ist durch die Neufassung von § 97 Abs. 1 und § 2a Abs. 1 Nr. 3 in der Fassung von Art. 1 Nr. 3 und 70 des Gesetzes vom 21. Mai 1979 (BGBl I S. 545, 546, 556) im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 16, 329 = AP Nr. 1 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit) zur Klarstellung in das Arbeitsgerichtsgesetz aufgenommen worden (vgl. außerdem BAGE 22, 289 und 22, 295 = AP Nr. 2 und 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit), nachdem das Bundesarbeitsgericht bereits vorher über die Tarifzuständigkeit im Verfahren nach § 97 ArbGG entschieden hatte (GK-ArbGG/Leinemann, Stand September 1996, § 97 Rz 12).
Die Vorschrift ist zwingend. Die Beteiligten haben es nicht in der Hand, sich auf ein anderes Verfahren zu einigen (z. B. Grunsky, aaO, § 97 Rz 3). Auch als Vorfrage darf in einem solchen nicht über die Tariffähigkeit oder die Tarifzuständigkeit entschieden werden (Rohlfing/Rewolle/Bader, ArbGG, 1987, § 97 Rz 6).
Diesem zwingenden Charakter der Vorschrift entspricht es, daß die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 97 Abs. 5 ArbGG nicht des dahingehenden Antrags einer der Parteien bedarf, sondern von Amts wegen zu erfolgen hat. Dies ist einhellige Meinung in der Literatur, in der teils ausdrücklich ausgeführt wird, die Aussetzung habe von Amts wegen zu erfolgen (Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl., § 97 Rz 1; Dietz/Nikisch, aaO, § 97 Rz 28; Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, § 97 Rz 12; GK-ArbGG/Leinemann, aaO, § 97 Rz 52; Hauck, aaO, § 97 Rz 8; Rohlfing/Rewolle/Bader, aaO, § 97 Rz 6), teils die Aussetzungspflicht des Gerichts hervorgehoben wird (Ascheid, Urteils- und Beschlußverfahren im Arbeitsrecht, 1995, Rz 1674; Grunsky, aaO, § 97 Rz 23; Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren, 6. Aufl., § 117 I 7). Das Bundesarbeitsgericht ist in mehreren Entscheidungen von der Aussetzbarkeit des Verfahrens ohne Antrag der Parteien ausgegangen, ohne auf die Entbehrlichkeit des Antrages ausdrücklich einzugehen (Beschluß vom 23. April 1971 – 1 ABR 26/70 – BAGE 23, 320 = AP Nr. 2 zu § 97 ArbGG 1953; Beschluß vom 16. März 1988 – 4 AZR 645/87 –, n.v.; Urteil vom 22. September 1993 – 10 AZR 535/91 – AP Nr. 168 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Weitgehend Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur auch darüber, daß die Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs. 5 ArbGG nur dann geboten ist, wenn Zweifel über das Vorliegen der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit bestehen und der Ausgang des Rechtsstreits hiervon abhängt. Besteht unter den Parteien oder Beteiligten darüber kein Streit und sind auch von Amts wegen insoweit Bedenken nicht zu erheben, kommt eine Aussetzung nicht in Betracht (vgl. z. B. Dietz/Nikisch, aaO, § 97 Rz 29; Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, § 97 Rz 11; Hauck, aaO, § 97 Rz 8). Nach Leinemann (aaO, § 97 Rz 53) kann die Aussetzung nicht deshalb unterbleiben, weil zwischen den Parteien diese Frage nicht streitig ist; die Beurteilung der Tariffähigkeit und der Tarifzuständigkeit unterliege nicht der Disposition der Parteien.
2. Nach diesen Grundsätzen ist das Verfahren gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen.
2.1 Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Tarifzuständigkeit des Verbandes für die Beklagte, die bei ihm eine OT-Mitgliedschaft erworben hat, trotz der in der Satzung vorgesehenen Beschränkung der Tarifgebundenheit auf T-Mitglieder (Mitglieder mit Verbandstarifbindung) gegeben ist.
2.1.1 Die Beklagte verteidigt sich gegenüber den Klageansprüchen nicht damit, sie sei nach den Regelungen der Verbandstarifverträge betreffend deren persönlichen Geltungsbereich nicht von diesen erfaßt. Auch in der Literatur wird – soweit ersichtlich – von niemandem der Standpunkt eingenommen, die Regelung über den Geltungsbereich eines von einem Verband mit OT-Mitgliedern abgeschlossenen Tarifvertrages sei dahin auszulegen, daß Mitglieder ohne Verbandstarifbindung nicht in diesen einbezogen seien. Dazu bedürfte es nach zutreffender Auffassung vielmehr einer ausdrücklichen Regelung in den Bestimmungen zum tariflichen Geltungsbereich (vgl. beispielsweise Buchner, Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung, NZA 1994, 2, 3; Däubler, Tarifausstieg – Erscheinungsformen und Rechtsfolgen, NZA 1996, 225, 231; Otto, Die rechtliche Zulässigkeit einer tarifbindungsfreien Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden, NZA 1996, 624, 627). Abgesehen davon käme eine solche Deutung der tariflichen Regelungen über ihren Geltungsbereich erst recht nicht für die Tarifverträge eines Verbandes in Betracht, die zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, der vor der Aufnahme des Modells der OT-Mitgliedschaft in dessen Satzung liegt.
2.1.2 Die Beklagte leugnet ihre Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG vielmehr allein damit, der Verband sei für sie als OT-Mitglied nicht tarifzuständig.
Unter Tarifzuständigkeit ist die in der Satzung eines tariffähigen Verbandes geregelte Befugnis, Tarifverträge mit einem bestimmten räumlichen, betrieblich/fachlichen und persönlichen Geltungsbereich abzuschließen, zu verstehen (vgl. BAGE 16, 329 und 22, 295 = AP Nr. 1 und 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; GK-ArbGG/Leinemann, § 97 Rz 13, m.w.N.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., § 199 I 6, m.w.N.).
Dogmatisch wird die Zulässigkeit der Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in Arbeitgeberverbänden damit begründet, der Verband könne seine Tarifzuständigkeit in persönlicher Hinsicht auf einen Teil seiner Mitglieder beschränken. Dies ist der Standpunkt der herrschenden Meinung in der Literatur (Löwisch, Gewollte Tarifunfähigkeit im modernen Kollektivarbeitsrecht, ZfA 1974, 29, 37; Buchner, aaO, NZA 1994, 2, 4 ff.; ders., Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit, NZA 1995, 761, 764; Reuter, Die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ≪OT-Mitgliedschaft≫ im Arbeitgeberverband, RdA 1996, 201, 205; Otto, NZA 1996, 624, 629; Thüsing, Anm. zu dem Urteil der Vorinstanz, LAGE Nr. 10 zu Art. 9 GG; Wiedemann/Thüsing, Die Tariffähigkeit von Spitzenorganisationen und der Verhandlungsanspruch der Tarifvertragsparteien, RdA 1995, 280, 282). Von diesem dogmatischen Ansatz geht auch Däubler (NZA 1996, 225, 231; ders., Tarifflucht- eine aussichtsreiche Strategie zur Reduzierung von Lohnkosten?, ZTR 1994, 448, 452, 453) aus, der die Begrenzung der Tarifzuständigkeit auf eine bestimmte Mitgliedergruppe des Verbandes für unzulässig hält, während Schaub (Aktuelle Streitfragen zur Kostensenkung bei der Arbeitsvergütung, BB 1994, 2005, 2007; ders., Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., § 206 II 8d) aus anderen Gründen Bedenken gegen die OT-Mitgliedschaft vorbringt, ohne auf das Problem der Tarifzuständigkeit einzugehen.
Der Senat folgt der Literatur darin, daß die Frage der Tarifgebundenheit eines “Mitglieds ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT)” in einem Arbeitgeberverband an die von diesem geschlossenen Tarifverträge davon abhängt, ob die Begrenzung der personellen Tarifzuständigkeit auf einen Teil der Verbandsmitglieder zulässig ist. Welche Gesichtspunkte und Umstände für die Entscheidung dieser Frage erheblich sind, muß hier offen bleiben.
2.2 Die Frage der Tarifzuständigkeit des Verbandes für die ihm angehörenden OT-Mitglieder ist auch – darauf kommt es nach der herrschenden Meinung entgegen Leinemann für die Aussetzung nach § 97 Abs. 5 ArbGG an – zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin vertritt in ihrer Revisionsbegründung die Rechtsauffassung, die Tarifzuständigkeit, könne nicht in persönlicher, sondern nur in betrieblich/fachlicher Hinsicht beschränkt werden. Demgegenüber nimmt die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung den Standpunkt ein, die auf einer satzungsmäßigen Beschränkung der Tarifzuständigkeit beruhende OT-Mitgliedschaft sei zulässig, § 3 Abs. 1 TVG stehe ihr nicht entgegen.
2.3 Die der Vorschrift des § 97 ArbGG zugrunde liegenden gesetzgeberischen Erwägungen treffen auch für den Streit über die Zulässigkeit der Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf einen Teil der Verbandsmitglieder zu. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der sog. OT-Mitgliedschaft in diesem Rechtsstreit hat eine weit über den Streitfall hinausgehende tarifrechtliche Bedeutung. Wegen der weitreichenden Auswirkungen der Entscheidung auf die OT-Mitglieder in den Verbänden und die bei diesen beschäftigten Arbeitnehmer ist es wichtig, daß die Entscheidung mit größtmöglicher Sicherheit mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt. Dies gewährleistet die Klärung der Tarifzuständigkeit bei diesem Mitgliedschaftsmodell im Beschlußverfahren eher als im Urteilsverfahren, bei dem die Entscheidung darüber davon abhängt, welche Tatsachen die Parteien dafür vortragen.
2.4 Da die Entscheidung des Rechtsstreits insgesamt allein davon abhängt, ob der Verband für die Beklagte tarifzuständig ist, diese damit von den Verbandstarifverträgen erfaßt wird, kommt eine Abtrennung von von dieser Frage unabhängige Ansprüchen oder Anspruchsteilen nicht in Betracht.
3. Es ist somit im Verfahren nach § 97 ArbGG zu klären, ob der Verband für diejenigen Mitglieder tarifzuständig ist, die bei ihm eine Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) erworben haben.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Bott, Müller-Tessmann, J. Ratayczak
Fundstellen
Haufe-Index 875302 |
JR 1997, 352 |
NZA 1997, 383 |
AP, 0 |