Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung. einseitige Änderung der Vergütungsordnung durch den Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Vgl. Beschlüsse vom 27. Juni 2000 – 1 ABR 29/00 – nv., – 1 ABR 35/00 – nv., – 1 ABR 36/00 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 3
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 1. Februar 2000 – 4 TaBV 33/99 – aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 1998 – 15 BV 125/98 – insoweit abgeändert, als er die Arbeitnehmerin Petra W. und den Arbeitnehmer Christoph Z. betrifft.
Der Antrag wird insoweit abgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Der Arbeitgeber begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung von zuletzt noch zwei Beschäftigten (W., Z.).
Der Arbeitgeber ist freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit mit bundesweit über 600 Einrichtungen an 300 Orten. Er beschäftigt ca. 8000 Mitarbeiter. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sind betriebsratsfähige Einrichtungen für einzelne Regionalbereiche geschaffen worden. Der Arbeitgeber hat mit der Gewerkschaft ÖTV ua. einen Manteltarifvertrag (MTV Nr. 2) sowie den Tarifvertrag Nr. 3 über die Tätigkeitsmerkmale zum Manteltarifvertrag abgeschlossen. Beide Tarifverträge kündigte der Arbeitgeber im September 1997 zum 31. Dezember 1997. Die Wirksamkeit der Kündigung bezogen auf den MTV Nr. 2 ist zwischen den Tarifvertragsparteien sowie auch zwischen den Beteiligten streitig, da der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen gegenüber der ÖTV am 14. Dezember 1996 unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Kündigung des Manteltarifvertrags zum 31. Dezember 1997 verzichtet hatte.
Zur Vergütung enthält der MTV Nr. 2 ua. folgende Regelungen:
„§ 20
Eingruppierung, Vergütung (Gehälter und Löhne)
(1) Über die Tätigkeitsmerkmale sowie über die Höhe der Vergütungen werden besondere Tarifverträge abgeschlossen.
…
§ 21
Grundvergütung (Gehalt, Monatslohn)
(1) Im Vergütungstarifvertrag sind die Grundvergütungen nach Lebensaltersstufen zu bemessen.
…”
Im Tarifvertrag Nr. 3 heißt es ua.:
„§ 3
Bewährungsaufstieg
1.a) Angestellte, die nach Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen IX bis Vb eingruppiert sind, erhalten nach 4jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist.
1.b) Erzieher (außer Erzieher nach Aufgabenfeld 8.7 – Vc) und Erzieher in Kindertagesstätten, Kinderpfleger, Sozialberater, Gruppenerzieher, Ausbilder, Werkerzieher erhalten nach 2jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist. Dies gilt auch für AidTe-Angestellte.
…”
Im Vergütungstarifvertrag vom 14. Dezember 1996 waren aufbauend auf den Vergütungsgruppen die Lebensaltersstufen nach den Maßgaben des § 21 MTV Nr. 2 bestimmt. Die tarifschließende Gewerkschaft ÖTV hat den Tarifvertrag mit Schreiben vom 12. November 1997 zum 31. Dezember 1997 gekündigt.
Der Arbeitgeber wendet bei Neueinstellungen ab dem 1. Januar 1998 die bisher geltenden Tarifverträge weiter an mit Ausnahme des Systems der Lebensaltersstufen sowie der im Tarifvertrag Nr. 3 vorgesehenen Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs. Für die neu eingestellten Arbeitnehmer wird unabhängig von ihrem tatsächlichen Lebensalter stets die niedrigste Lebensaltersstufe (21) zugrunde gelegt.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat um die Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung ua. von Petra W. und Christoph Z. gebeten. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu den vorgesehenen Eingruppierungen verweigert und dies damit begründet, daß in jedem Fall die einseitige Anwendung neuer Grundsätze der Entlohnung gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoße.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Ein Verstoß gegen den Tarifvertrag liege nicht vor. Bei der Regelung bezüglich der Lebensaltersstufen in § 21 des MTV Nr. 2 handele es sich nicht um eine Eingruppierungsregelung; die Lebensaltersstufe sei daher kein Gegenstand der Mitbestimmung bei Eingruppierungen. Das gelte auch für die Bestimmungen betreffend den Bewährungsaufstieg. Soweit er die Regelungen bezüglich der Lebensaltersstufe und des Bewährungsaufstiegs nicht mehr anwende, gehe es um die mitbestimmungsfreie Entscheidung über die Vergütungshöhe.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmer/innen
…
- Petra W. in die Vergütungsgruppe V c
- Christoph Z. in die Vergütungsgruppe V c
…
jeweils entsprechend dem gekündigten Tarifvertrag Tätigkeitsmerkmale (TVTM) zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat gemeint, das Anhörungsverfahren sei mangelhaft gewesen, weil ihn der Arbeitgeber über die Eingruppierungsmaßstäbe, die er ab Januar 1998 anwenden wolle, nicht vollständig informiert habe. Im übrigen liege der Eingruppierung nicht die zutreffende Vergütungsordnung zugrunde. Die Kündigung des Manteltarifvertrags sei unwirksam. Daher sei die alte Tarifordnung in vollem Umfang anzuwenden. Außerdem habe der Arbeitgeber einseitig eine neue Vergütungsordnung zum 1. Januar 1998 geschaffen, indem er die im Manteltarifvertrag enthaltenen Bestimmungen über die Lebensaltersstufen und den Bewährungsaufstieg nicht mehr anwende. Dieser neuen Vergütungsordnung habe der Betriebsrat jedoch nicht zugestimmt. Die Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung sei daher berechtigt.
Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung zur Eingruppierung ersetzt; das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag auf Abweisung der Anträge des Arbeitgebers weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde und Beschwerde des Betriebsrats waren die entgegenstehenden Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben bzw. abzuändern und der Antrag des Arbeitgebers abzuweisen. Der Antrag auf Zustimmungsersetzung ist unbegründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters Z. und der Mitarbeiterin W. zu Recht verweigert.
I. Der Antrag des Arbeitgebers ist zwar zulässig.
Der Arbeitgeber möchte Eingruppierungen des betroffenen Arbeitnehmers Z. und der Arbeitnehmerin W. iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG vornehmen und beantragt dazu nach § 99 Abs. 4 BetrVG die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung.
II. Der Antrag auf Zustimmungsersetzung ist aber unbegründet und daher abzuweisen. Der Betriebsrat hat die vom Arbeitgeber erbetenen Zustimmungen zu den Eingruppierungen der zuletzt noch zwei betroffenen Beschäftigten zu Recht verweigert. Es liegt ein Gesetzesverstoß iSv. § 99 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vor, der den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung berechtigte.
1. Der Arbeitgeber beabsichtigt Eingruppierungen im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG, indem er für die Beschäftigten W. und Z. zwar das im Tarifvertrag Nr. 3 enthaltene System der Tätigkeitsmerkmale zugrunde legen möchte, allerdings unabhängig von den Lebensaltersstufen und der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs. Er bedarf daher der Zustimmung nach § 99 BetrVG. Die Tätigkeit der Arbeitnehmer wird von der Vergütungsordnung erfaßt(Senat 20. Dezember 1988 – 1 ABR 68/87 – BAGE 60, 330), wobei nicht entscheidend ist, auf welcher Grundlage deren Anwendung erfolgt(vgl. zuletzt vom gleichen Arbeitgeber Senat 27. Juni 2000 – 1 ABR 29/99 – nv.). Der Betriebsrat hält den Arbeitgeber zur Eingruppierung nach dem vollständigen tariflichen Entgeltschema für verpflichtet. Soweit der Arbeitgeber meint, sich abweichend hiervon auf die Einreihung in die Tätigkeitsmerkmale beschränken zu können – ohne die Lebensaltersstufen und den Bewährungsaufstieg – wendet er damit eine neue Vergütungsordnung an(Senat 1. März 1995 – 1 ABR 43/94 – ZTR 1995, 427; 28. Januar 1986 – 1 ABR 8/84 – BAGE 51, 34). Bereits die Entscheidung des Arbeitgebers, nicht mehr das tarifvertragliche Eingruppierungsschema des MTV Nr. 2 zugrunde zu legen, sondern ein insoweit neues Vergütungssystem unter Ausschluß der Lebensaltersstufen und der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs, ist eine Eingruppierungsentscheidung.
2. Der Arbeitgeber – der bei Eingruppierungen neu eingestellter Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 1998 generell so verfahren möchte – will damit der Eingruppierung ein Vergütungssystem zugrunde legen, bei dem der Betriebsrat nicht beteiligt worden ist, obwohl diesem ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
a) Der Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung scheitert allerdings nicht bereits daran – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat –, daß der Betriebsrat fehlerhaft und nicht ausreichend durch den Arbeitgeber informiert worden wäre. Die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber ist ausreichend (§ 99 BetrVG) und hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Mit den persönlichen Daten der betroffenen Arbeitnehmer, der Gehaltsgruppe und dem Hinweis auf den Tarifvertrag enthalten die Einstellungsbögen die nötigen Informationen. Weitere Informationen sind nicht erforderlich.
b) Die Zustimmung des Betriebsrats gilt auch nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Es liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung vor. Der Betriebsrat hat die form- und fristgerechte Zustimmungsverweigerung hinreichend begründet. Er hat sich darauf gestützt, daß die vorgenommenen Eingruppierungen gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstießen. Damit läßt es die Zustimmungsverweigerung als möglich erscheinen, daß einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht wird(Senat 26. Januar 1988 – 1 AZR 531/86 – BAGE 57, 242). Es entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung, daß der Betriebsrat einer beabsichtigten Eingruppierung auch mit der Begründung widersprechen kann, die vom Arbeitgeber angewandte Vergütungsgruppenordnung sei nicht diejenige, welche im Betrieb zur Anwendung kommen müsse(vgl. zuletzt zu demselben Arbeitgeber Senat 27. Juni 2000 – 1 ABR 36/99 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 3). Zum mitbestimmungspflichtigen Eingruppierungsvorgang gehört danach auch die Antwort auf die Frage, welche die für den Arbeitgeber zutreffende Vergütungsgruppenordnung ist. Wenn der Betriebsrat in seiner Zustimmungsverweigerung § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anführt, ist das hierauf zu beziehen.
c) Der Zustimmungsersetzungsantrag ist unbegründet, weil die vom Arbeitgeber beabsichtigten Eingruppierungen gegen ein Gesetz verstoßen (§ 99 Abs. 2 BetrVG). Dieser Verstoß liegt darin, daß der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin W. und den Arbeitnehmer Z. in eine andere als die zutreffende Vergütungsordnung eingruppieren will, und zwar in eine einseitig – ohne Beteiligung des Betriebsrats – aufgestellte neue Vergütungsordnung. Der Arbeitgeber legt den beabsichtigten Eingruppierungen ein Vergütungsgruppenschema zugrunde, das zwar die Tätigkeitsmerkmale des Manteltarifvertrags Nr. 3 beinhaltet, jedoch nicht die Lebensaltersstufen des § 21 MTV Nr. 2 und die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs vorsieht. Dieses Vergütungsschema unterscheidet sich vom bisherigen. Es ist unwirksam, weil ihm der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht zugestimmt hat. Nach dieser Vorschrift hätte der Betriebsrat jedoch beteiligt werden und zustimmen müssen, da es sich bei der vorgesehenen Regelung um die Festlegung allgemeiner Lohngrundsätze handelt. Die vom Arbeitgeber den vorgesehenen Eingruppierungen zugrundegelegte Vergütungsordnung hat die bisher im Betrieb bestehende Vergütungsordnung nicht abgelöst. Da der Arbeitgeber somit der Eingruppierung eine andere, unwirksame Vergütungsordnung zugrunde legen möchte als die gültige, ist ein Gesetzesverstoß iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegeben, der den Betriebsrat berechtigt, die Zustimmung zu den beabsichtigten Eingruppierungen zu verweigern.
Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob sich das neue Vergütungssystem im konkreten Einzelfall tatsächlich unmittelbar auf die Eingruppierung auswirkt, also sofort eine andere Eingruppierung zur Folge hätte. Maßgebend für die Annahme einer anderen Vergütungsordnung ist, daß sich diese nach anderen Kriterien bestimmt.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Schmidt, Spiegelhalter, Mandrossa
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.04.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
FA 2001, 368 |
SAE 2002, 74 |
ZTR 2002, 94 |