Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 15. Oktober 1997 – 2 Sa 16/97 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Streitwert: unverändert.
Gründe
Der Kläger hat mit der Klage die Feststellung begehrt, daß er bei dem Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Redakteur steht. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und die Revision nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Beklagte die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts wegen Divergenz. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das anzufechtende Urteil habe die Rechtssätze aufgestellt,
“– daß derjenige, der in gleicher Weise wie der Abteilungsleiter zeitlich beansprucht wird bzw. diesen Abteilungsleiter in seiner Abwesenheit in dem entsprechenden Umfang vertreten muß, dergestalt in die Organisation des Arbeitgebers eingebunden ist, daß er als Arbeitnehmer anzusehen ist. Der in der Hierarchie “zweite Mann in dieser Abteilung” steht (stets) in einem Arbeitsverhältnis,
– daß die Tätigkeit des “zweiten Redakteurs” (S. 18 unten UA) bzw. die Tätigkeit des Vertreters des Abteilungsleiters (S. 19 oben UA) zwingend mit dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verbunden ist,
– daß ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses ausreicht,
– daß bei einem auf Dauer angelegten Vertragsverhältnis der Arbeitgeber nachweisen muß, daß kein Arbeitsverhältnis vorliegt, wobei allerdings der Arbeitgeber Tatsachen vortragen könne, aus denen sich der Abschluß befristeter Arbeitsverträge ergeben könnte.”
Damit sei das anzufechtende Urteil von mehreren angezogenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts abgewichen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht insoweit zwischen dem anzufechtenden Urteil und den angezogenen Urteilen schon deshalb keine Divergenz, weil das anzufechtende Urteil keinen der von dem Beschwerdeführer formulierten abstrakten Rechtssätze zweifelsfrei aufgestellt hat. Vielmehr geht das anzufechtende Urteil zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus und führt insoweit in abstrakter Weise aus:
“Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete gegenüber dem zur Dienstleistung Berechtigten befindet, wobei eine bloß wirtschaftliche Abhängigkeit weder erforderlich noch ausreichend ist. Arbeitnehmer ist der Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Vorschrift ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters von dem abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Vorschrift jedoch eine allgemeine gesetzliche Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages von dem Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal sie die einzige Norm ist, die Kriterien dafür enthält. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Bezahlung oder die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung oder etwa die Führung von Personalakten. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich dabei nicht aufstellen, denn manchen Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen, sondern darauf, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Der wirkliche Wille ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Wird der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen, so ist die tatsächliche Durchführung maßgebend (vgl. zuletzt etwa BAG 26.7.1995 AP Nr. 79 zu § 611 BGB Abhängigkeit u. 9.5.1996 AP Nr. 79 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung zu B I 2 c, aa der Gründe = NZA 1996 S. 1145, 1147 f. jew. m.w.N.).
An dieser Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht auch nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13.1.1982 betreffend die freien Mitarbeiter bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten (BVerfGE 59, 231 = AP Nr. 1 zu Art. 5 GG Rundfunkfreiheit) festgehalten (BAG 13.1.1983 AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Bei sogenannten programmgestaltenden Mitarbeitern, die inhaltlich gestaltend an Rundfunk- und Fernsehsendungen mitwirken, hat das Bundesarbeitsgericht dem Einfluß der Rundfunkfreiheit dadurch gerecht zu werden versucht, daß die Möglichkeit der Befristung, und zwar entweder zeitlich oder auf Produktionsdauer, im Lichte des Grundrechts der Rundfunkfreiheit gesehen wird, wobei einzelne gegen eine Befristung sprechende Merkmale bei der Abwägung zurückzutreten haben (BAG 13.1.1983u. 9.6.1993 AP Nr. 42u. 66 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Programmgestaltende Mitarbeiter sind jedoch nicht in aller Regel als Arbeitnehmer anzusehen. Vielmehr kann programmgestaltende Mitarbeit je nach den Umständen des Einzelfalles sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis zu bejahen, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft ist es, wenn der Mitarbeiter in Dienstplänen aufgeführt ist. Ständige Dienstbereitschaft erwartet ein Sender aber auch dann, wenn er auf die Ablehnung der Mitarbeit an einzelnen Sendungen mit dem Abbruch der Vertragsbeziehungen reagieren würde. Ein Indiz für ständige Dienstbereitschaft kann ferner darin liegen, daß ein Mitarbeiter seinen Urlaub nicht nur – wie es einige Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen vorsehen – “anzuzeigen” hat, sondern ihn jeweils genehmigen lassen muß. Programmgestaltende Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter sind dagegen nicht allein deswegen Arbeitnehmer, weil sie von dem Apparat und dem Team des Senders abhängig sind (vgl. BAG 9.6.1993, 20.7.1994u. 30.11.1994 AP Nr. 66, 73u. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG 16.2.1994 AP Nr. 15 zu § 611 BGB.”
Im Anschluß an diese abstrakten Rechtsgrundsätze führt das anzufechtende Urteil aus:
“Bei der Anwendung dieser Grundsätze stellt sich das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht als freies Mitarbeiterverhältnis, sondern als Arbeitsverhältnis dar”.
Sodann legt das anzufechtende Urteil unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts dar, daß der Beschwerdegegner programmgestaltender Mitarbeiter des Beklagten ist. Daran anschließend ab Seite 16 des Berufungsurteils führt das anzufechtende Urteil einzelfallbezogen unter besonderer Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles aus, daß der Beschwerdegegner in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten steht. Ausschließlich aus einzelfallbezogenen Ausführungen des anzufechtenden Urteils leitet der Beschwerdeführer abstrakte Rechtssätze her, die das anzufechtende Urteil aufgestellt haben soll. Hierfür ist jedoch kein Anhaltspunkt ersichtlich. Jedenfalls lassen sich dem anzufechtenden Urteil nicht zweifelsfrei die von dem Beschwerdeführer formulierten abstrakten Rechtssätze entnehmen. Insoweit genügt es nicht, daß der vermeintlich abweichende Rechtssatz aus dem anzufechtenden Urteil nur mittels der Erwägung entnommen wird, das Landesarbeitsgericht müsse folgerichtig von einem in der Entscheidung nicht erörterten Rechtssatz ausgegangen sein. Andernfalls würde in Ergänzung der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die einschlägigen Rechtsnormen ein Rechtssatz abgeleitet, von dem sich nicht feststellen läßt, ob ihn das Berufungsgericht wirklich vertreten wollte oder ob es das Rechtsproblem übersehen hat oder von anderen nicht ausgesprochenen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Auch mit einer Ergänzung des anzufechtenden Urteils durch vom Beschwerdeführer selbst gebildete, von divergenzfähigen Entscheidungen abweichende Grundsätze können die Voraussetzungen einer Divergenz nicht dargelegt werden (BAG Beschluß vom 10. Juli 1984 – 2 AZN 337/84 – AP Nr. 15 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).
Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Piper, Bartz
Fundstellen