Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen eines einheitlichen Betriebsteils
Orientierungssatz
Frage, ob zwei Service-Niederlassungen (hier: Hamm und Münster), die von einem Niederlassungsleiter geführt werden, einen einheitlichen Betriebsteil iS des § 4 Satz 1 BetrVG darstellen.
Normenkette
BetrVG §§ 1, 4; ArbGG § 92 Abs. 1; BetrVG § 18 Abs. 2; ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 25.03.1987; Aktenzeichen 3 TaBV 85/86) |
ArbG Münster (Entscheidung vom 19.06.1986; Aktenzeichen 2 BV 4/86) |
Gründe
I. Die antragstellende GmbH, deren Hauptsitz in M liegt, produziert in fünf Werken Omnibusse und Lastkraftwagen, die im Inland über unselbständige werkseigene Verkaufsniederlassungen vertrieben werden. Der Service sowie die Ersatzteilversorgung wird über ein Netz von 140 unselbständigen werkseigenen Service-Niederlassungen sichergestellt. Eine dieser Niederlassungen befindet sich in Mü, in der am 25. März 1987 27 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Eine weitere Service-Niederlassung liegt 40 km entfernt in H, die zum gleichen Zeitpunkt acht Arbeitnehmer beschäftigte. Beide Niederlassungen haben denselben Niederlassungsleiter, der mit dem PKW zwischen Mü und H hin und her pendelt. Ihm obliegt auch die Entscheidung in Personalangelegenheiten. Die Lohnabrechnung wird für beide Niederlassungen in Mü erledigt. Darüber hinaus werden im Bedarfsfall Arbeitnehmer, beispielsweise Monteure, zwischen den Niederlassungen ausgetauscht. Mit Ausnahme des Leiters gibt es in H kein weiteres Führungspersonal. Das Betriebsergebnis wird gesondert für jede Niederlassung ermittelt, wie auch die Ergebnisverantwortung von der jeweiligen Niederlassung zu tragen ist.
Antragsgegner ist der am 21. März 1986 von den Niederlassungen Mü und H gemeinsam gewählte und aus drei Mitgliedern bestehende Betriebsrat, dessen Wahl nicht angefochten worden ist.
Die in beiden Niederlassungen vertretene Gewerkschaft IG Metall ist am Verfahren beteiligt worden.
Mit ihrem Antrag hat die antragstellende GmbH die Feststellung begehrt, die Service-Niederlassung H der GmbH sei ein selbständiger betriebsratsfähiger Nebenbetrieb bzw. Betriebsteil und nicht der Service-Niederlassung Mü als Hauptbetrieb zuzuordnen. Hierzu hat sie vorgetragen, die Niederlassungen in Mü und H seien Nebenbetriebe im Sinne des § 4 BetrVG, für die kein gemeinsamer, sondern nur jeweils ein Betriebsrat gebildet werden könne. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners seien beide Niederlassungen nicht als Betrieb im Sinne des BetrVG anzusehen, auch wenn die Leitung beider Niederlassungen von ein und derselben Person wahrgenommen werde. Vielmehr verfüge jede Niederlassung für sich über alle personellen, organisatorischen und betrieblichen Mittel zum Betrieb einer Nutzfahrzeug-Reparaturwerkstatt. Daran ändere sich auch nichts dadurch, daß sowohl für H als auch andere umliegende Service-Niederlassungen einige kaufmännische Verwaltungstätigkeiten zentral in Mü erledigt würden. Zu Unrecht verweise der Antragsgegner darauf, daß es zwischen den Niederlassungen Mü und H zu einem Austausch von Monteuren komme, um Arbeitsspitzen abzudecken. Denn einen solchen Austausch von Monteuren gebe es auch mit den übrigen benachbarten Werkstätten, wobei die insoweit angefallenen Stunden verrechnet würden. Vielmehr sei jede Niederlassung für ihr Betriebsergebnis sowie hinsichtlich ihrer personellen Ausgestaltung gegenüber dem Hauptbetrieb voll verantwortlich. Der Zweck dieser und aller anderen Niederlassungen sei es, die Instandsetzung sowie Ersatzteilversorgung der von der Antragstellerin hergestellten Nutzfahrzeuge sicherzustellen, was nicht als Hilfeleistung für die Produktion, sondern als Zusatzangebot an die Kunden zu werten sei. Der Qualifikation als Nebenbetrieb stehe nicht entgegen, daß die vorhandene technische Oberleitung in M Service-Informationen gebe und im kaufmännischen Bereich eine Ordnungsfunktion ausübe. Handele es sich aber bei den Niederlassungen in Mü und H um jeweils betriebsverfassungsrechtlich selbständige Nebenbetriebe, müsse, da beide Niederlassungen von der Arbeitnehmerzahl her betriebsratsfähig seien, auch in jeder Niederlassung jeweils ein Betriebsrat gewählt werden. Selbst wenn die beiden Niederlassungen als Betriebsteile anzusehen seien, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen, da diese Betriebsteile aufgrund ihrer weiten Entfernung zum Hauptbetrieb und ihrer Betriebsratsfähigkeit als selbständige Betriebe im Sinne des § 4 BetrVG zu qualifizieren seien, für die kein gemeinsamer Betriebsrat gebildet werden könne.
Die Antragstellerin hat beantragt
festzustellen, daß die Service-Niederlassung
H der Antragstellerin ein selbständiger
betriebsratsfähiger Nebenbetrieb bzw. Betriebs-
teil und nicht der Service-Niederlassung Mü
als Hauptbetrieb zuzuordnen ist.
Der Antragsgegner sowie die beteiligte Gewerkschaft haben beantragt, den Antrag abzuweisen und festzustellen, daß die Service-Niederlassung der Antragstellerin in Mü und H einen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bildet. Zur Begründung ihres Begehrens haben sie vorgetragen, die Niederlassungen in Mü und H seien als ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen. Dem stehe § 4 BetrVG nicht entgegen, sondern nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift bildeten zwei selbständige Betriebe dann einen Betrieb, wenn sie durch einen einheitlichen Leitungsapparat verbunden seien. Da die Leitung beider Niederlassungen in der Hand einer Person liege, gebe es nur einen kompetenten Gesprächspartner für den Betriebsrat. Auf die von der Antragstellerin ins Feld geführte Eigenständigkeit der Niederlassung, die nur nach außen bestehe, komme es nicht an. Entscheidend sei vielmehr die innere Organisation, da es für die Frage, ob im Sinne der §§ 1 und 4 BetrVG von einem Betrieb, zwei Betrieben oder selbständigen Betriebsteilen auszugehen sei, maßgeblich darauf ankomme, wie die Betriebsratstätigkeit am effektivsten gestaltet werden könne. Aufgrund der bestehenden einheitlichen Leitung könne daher nur vom Vorliegen eines Betriebes ausgegangen werden.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der antragstellenden GmbH zurückgewiesen und nach dem vom Betriebsrat und der beteiligten Gewerkschaft gestellten Antrag erkannt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der antragstellenden GmbH hatte keinen Erfolg.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die antragstellende GmbH ihr Verfahrensziel weiter. Der Betriebsrat beantragt Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 92 Abs. 1 ArbGG statthaft.
2. Über die Frage, ob ein Nebenbetrieb oder ein Betriebsteil selbständig oder dem Hauptbetrieb zuzuordnen ist, ist im Beschlußverfahren zu entscheiden (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 18 Abs. 2 BetrVG). Hierzu gehört auch die Feststellung, ob räumlich vom Hauptbetrieb getrennte Niederlassungen einen einheitlichen Betriebsteil, einen einheitlichen Nebenbetrieb oder zwei selbständige Betriebe bilden (BAGE 15, 235 = AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG; BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 25. September 1986 - 6 ABR 68/84 - AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter 1 der Gründe, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).
3. Den Antrag der antragstellenden GmbH hat das Landesarbeitsgericht zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig angesehen. Dabei hat es den Antrag dahin ausgelegt, daß die antragstellende GmbH damit die gerichtliche Entscheidung über eine betriebsverfassungsrechtliche Frage erstrebe, die zwischen den Parteien unstreitig sei. Aus dem gesamten Beteiligungsvorbringen gehe nämlich hervor, daß darüber Einigkeit bestehe, daß die Service-Niederlassung in Mü nicht als Hauptbetrieb anzusehen sei, dem die Service-Niederlassung in H zuzuordnen sei.
An diese mögliche Auslegung des von der antragstellenden GmbH gestellten Antrags ist der Senat gebunden. Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Auslegung nicht allein vom Wortlaut des Antrags ausgegangen, sondern hat auch das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten berücksichtigt (vgl. BAGE 14, 164, 166 = AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG Entlohnung, zu 1 der Gründe; BAGE 15, 235, 236 = AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG, zu 1 der Gründe). Wenn es dabei zu der Feststellung gelangt ist, daß der wirkliche Wille der antragstellenden GmbH auf die gerichtliche Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Frage gerichtet ist, die zwischen den Beteiligten unstreitig ist, so beruht diese Auslegung auf tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat mangels Verfahrensrügen gebunden ist (§ 92 Abs. 2 ArbGG, § 561 Abs. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde hat insoweit auch nicht gerügt, das Beschwerdegericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 83 Abs. 1 ArbGG verletzt.
Von der an sich gegebenen Möglichkeit, in der Rechtsbeschwerdeinstanz neue Tatsachen zum Rechtsschutzinteresse vorzubringen (vgl. BAGE 51, 29, 33 = AP Nr. 31 zu § 5 BetrVG 1972, zu C 4 der Gründe), hat die Rechtsbeschwerdeführerin keinen Gebrauch gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat daher mangels Klärungsbedürftigkeit der von der antragstellenden GmbH in ihrem Antrag bezeichneten betriebsverfassungsrechtlichen Frage zu Recht das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung verneint.
4. Den von dem Betriebsrat und der beteiligten Gewerkschaft gestellten Antrag hat das Landesarbeitsgericht zu Recht für zulässig erachtet.
Das Rechtsschutzinteresse an der vom Betriebsrat und der beteiligten Gewerkschaft begehrten Feststellung, nach der die Service-Niederlassungen in Mü und H einen Betrieb i. S. des Betriebsverfassungsgesetzes bilden, ergibt sich schon daraus, daß die Betriebspartner über diese betriebsverfassungsrechtliche Frage unterschiedlicher Meinung sind. Wegen der möglichen Verkennung des Betriebsbegriffs hätte zwar nach § 19 BetrVG ein Wahlanfechtungsverfahren durchgeführt werden können. Die Nichtdurchführung eines Wahlanfechtungsverfahrens führt aber nicht dazu, daß das Rechtsschutzinteresse für die vom Betriebsrat und der beteiligten Gewerkschaft begehrte Feststellung entfällt (vgl. BAG Beschluß vom 25. November 1980 - 6 ABR 62/79 - AP Nr. 3 zu § 18 BetrVG 1972, unter 2 c der Gründe). Dies ergibt sich bereits daraus, daß sich das Wahlanfechtungsverfahren nur auf die Durchführung einer bestimmten Betriebsratswahl bezieht, während der Antrag des Betriebsrats und der beteiligten Gewerkschaft darauf gerichtet ist, unabhängig von einer bestimmten Betriebsratswahl gerichtlich klären zu lassen, ob die betreffenden Niederlassungen einen Betrieb i. S. des Betriebsverfassungsgesetzes bilden. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist für zahlreiche betriebsverfassungsrechtliche Fragen (z. B. künftige Betriebsratswahlen, Größe des Betriebsrates, Umfang der Beteiligungsrechte des Betriebsrates) von Bedeutung.
III. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis auch insoweit zuzustimmen, als es den vom Betriebsrat und von der beteiligten Gewerkschaft gestellten Antrag für begründet angesehen hat.
Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, daß die in Mü und H gelegenen Service-Niederlassungen der antragstellenden GmbH einen einheitlichen (betriebsratsfähigen) Betriebsteil i. S. des Betriebsverfassungsgesetzes bilden.
1. Bei seiner Würdigung ist das Landesarbeitsgericht zutreffend von den in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Begriffen des Betriebs, Nebenbetriebs und Betriebsteils ausgegangen. Bei einem Betrieb i. S. des Betriebsverfassungsrechts handelt es sich um eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (BAGE 40, 163, 165 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe; BAGE 52, 325, 329 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, zu B II 2 a der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 1 Rz 31; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 1 Rz 52; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 1 Rz 2). In erster Linie kommt es dabei auf die Einheit der Organisation, weniger auf die Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung an (BAGE 40, 163, 166 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, zu III 2 a der Gründe; BAG Beschluß vom 25. September 1986 - 6 ABR 68/84 - AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, zu 3 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). So ist regelmäßig vom Vorliegen eines Betriebs i. S. des Betriebsverfassungsgesetzes auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefaßt, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Nebenbetriebe i. S. des § 4 Satz 2 BetrVG sind solche Betriebe, die organisatorisch selbständig sind, die unter eigener Leitung einen eigenen Betriebszweck verfolgen, jedoch in ihrer Aufgabenstellung auf eine reine Hilfeleistung für den Hauptbetrieb ausgerichtet sind und den dort verfolgten Betriebszweck unterstützen (vgl. BAG Beschluß vom 25. September 1986, aaO, zu 3 der Gründe, m. w. N.). Im Gegensatz zum Nebenbetrieb ist der Betriebsteil in die Organisation des Gesamtbetriebes eingegliedert. Er ist räumlich und organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt.
2. Die Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmungen führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß die beiden Niederlassungen der antragstellenden GmbH in Mü und H einen einheitlichen (betriebsratsfähigen) Betriebsteil des in M gelegenen Hauptbetriebes darstellen und damit nach § 4 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als selbständiger Betrieb gelten.
a) Das Landesarbeitsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Service-Niederlassungen gegenüber dem Hauptbetrieb in M keinen Betriebszweck verfolgen, der lediglich auf eine Hilfeleistung für den vom Hauptbetrieb verfolgten Betriebszweck ausgerichtet ist. Angesichts dieser tatsächlichen Feststellung, an die der Senat mangels Verfahrensrügen gebunden ist (§ 92 Abs. 2 ArbGG, § 561 Abs. 1 ZPO), ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht die beiden Service-Niederlassungen in Mü und H weder für sich allein als Nebenbetrieb noch in ihrer Gesamtheit als einheitlichen Nebenbetrieb i. S. des § 4 Satz 2 BetrVG angesehen hat.
b) In Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß die Service-Niederlassungen in Mü und H weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit einen selbständigen (betriebsratsfähigen) Betrieb i. S. des § 1 BetrVG darstellen.
Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden die beiden Niederlassungen in Mü und H, wie alle Service-Niederlassungen der antragstellenden GmbH, von der Zentrale in M aus über Direktionen geleitet. Sämtliche Niederlassungen seien organisatorisch in den Hauptbetrieb der antragstellenden GmbH in M eingegliedert. Damit fehlt es an dem für das Vorliegen eines selbständigen Betriebes i. S. des § 1 BetrVG notwendigen Merkmal einer selbständigen, d. h. von einer anderen Leitungsmacht unabhängigen Arbeitsorganisation.
c) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zutreffend angenommen, daß die Service-Niederlassungen in Mü und H einen einheitlichen Betriebsteil i. S. des § 4 Satz 1 BetrVG bilden und wegen der räumlich weiten Entfernung vom Hauptbetrieb in M als selbständiger Betrieb gelten.
Hierzu hat es in tatsächlicher Hinsicht folgendes festgestellt: Beide - ca. 40 km voneinander entfernt liegenden - Service-Niederlassungen verfolgten einen identischen arbeitstechnischen Zweck. Für beide Service-Niederlassungen bestehe eine einheitliche Leitung in der Weise, daß ein Niederlassungsleiter die Leitungsfunktionen in beiden Niederlassungen wahrnehme, indem dieser mit dem PKW hin und her fahre. Der gemeinsame Niederlassungsleiter sei für die Personalangelegenheiten (Einstellungen und Entlassungen) in beiden Niederlassungen zuständig. In der Niederlassung in H existiere - abgesehen vom Niederlassungsleiter - kein weiteres Führungspersonal. Über die Niederlassung in Mü werde die gesamte Lohnabrechnung für beide Niederlassungen erledigt. In Bedarfsfällen würden zwischen beiden Niederlassungen Arbeitnehmer (z. B. Monteure) ausgetauscht. Die Ergebnisverantwortung und die Geschäftsabwicklung der beiden Niederlassungen würden allerdings getrennt ermittelt.
Bei Zugrundelegung dieser Tatsachenfeststellungen, an die der Senat mangels Verfahrensrügen gebunden ist (§ 92 Abs. 2 ArbGG, § 561 Abs. 1 ZPO), ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht beide Service-Niederlassungen als einheitlichen Betriebsteil i. S. des § 4 Satz 1 BetrVG angesehen hat.
Ob mehrere räumlich getrennte arbeitstechnische Organisationseinheiten jeweils für sich einen betriebsverfassungsrechtlich selbständigen Betriebsteil oder in ihrer Gesamtheit einen einheitlichen Betriebsteil darstellen, hängt wesentlich von der Organisation der Leitungsstruktur ab. Besitzt jede arbeitstechnische Organisationseinheit für sich eine institutionell verankerte eigenständige Leitungsstruktur, so fehlt es an einem wesentlichen Merkmal für das Vorliegen eines einheitlichen Betriebsteils. Das Vorliegen einer institutionell abgesicherten einheitlichen Leitungsmacht ist in der Regel ein Indiz für das Vorhandensein einer einheitlichen arbeitstechnischen Organisation. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn - wie hier - von mehreren unter einer gemeinsamen Leitung stehenden Niederlassungen ein identischer arbeitstechnischer Zweck verfolgt und der Einsatz des Personals von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird.
Diese Voraussetzungen liegen im gegebenen Fall vor. Die arbeitstechnische Leitungsmacht ist für beide Service-Niederlassungen nicht nur vorübergehend, sondern institutionell in der Form eines gemeinsamen Niederlassungsleiters vereinheitlicht. Die personellen Angelegenheiten (z. B. Einstellungen und Entlassungen) werden zentral für beide Niederlassungen von dem gemeinsamen Niederlassungsleiter entschieden. Die Wahrnehmung dieser Arbeitgeberfunktionen durch ein einheitliches Leitungsorgan ist ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer arbeitstechnischen Organisationseinheit. Für das Vorhandensein einer einheitlichen Arbeitsorganisation spricht im vorliegenden Fall weiterhin, daß beide Niederlassungen einen identischen arbeitstechnischen Zweck verfolgen, zu dessen Verwirklichung von Zeit zu Zeit ein partieller Austausch des in beiden Niederlassungen beschäftigten Personals (z. B. der Monteure) vorgenommen wird. Auch der Umstand, daß in der Service-Niederlassung in Mü die gesamte Lohnabrechnung sowie einige kaufmännische Verwaltungstätigkeiten für beide Niederlassungen erledigt werden, ist ein Indiz für eine einheitliche Organisationsstruktur. Dem steht nicht entgegen, daß beide Niederlassungen räumlich getrennte Organisationseinheiten bilden. Die räumliche Trennung ist im Streitfall bereits deshalb unerheblich, weil beide Niederlassungen in einem verkehrsmäßig gut erschlossenen Gebiet nur ca. 40 km voneinander entfernt liegen. Gegen eine einheitliche Arbeitsorganisation spricht auch nicht der Umstand, daß jede Niederlassung kostenmäßig getrennt geführt wird. Diese - möglicherweise auf betriebswirtschaftlichen Erwägungen beruhende - Verfahrensweise ist für die betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung rechtlich unerheblich. Entscheidend für das Vorliegen eines einheitlichen Betriebsteils spricht, daß die arbeitstechnischen Aufgaben und die Arbeitgeberfunktionen (z. B. im Bereich der personellen Angelegenheiten) von einem einheitlichen Leitungsapparat in Gestalt eines für beide Service-Niederlassungen zuständigen Leiters wahrgenommen werden. Damit hat das Landesarbeitsgericht zu Recht in den Service-Niederlassungen Mü und H einen weit vom Hauptbetrieb in M liegenden einheitlichen Betriebsteil gesehen, der nach § 4 Satz 1 BetrVG als selbständiger (betriebsratsfähiger) Betrieb gilt.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker
Breier Lappe
Fundstellen