Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
Leitsatz (amtlich)
- Eine allgemeine Statusklage nach § 256 ZPO, die ohne Bezug zu einem konkreten Beendigungsgrund darauf gerichtet ist, die Begründung eines Arbeitsverhältnisses feststellen zu lassen, wahrt die Verfallfrist des § 16 Abs 2 Satz 2 BRTV-Bau nicht. Diese tarifliche Regelung ist insoweit so eindeutig, daß sie nicht gerichtlich klärungsbedürftig ist und deshalb nicht als Grund zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ausreicht.
- Macht der Beschwerdeführer eine Divergenz nach § 72 Abs 2 Nr 2, § 72a ArbGG geltend und ergibt sich aus deren Begründung, daß auch eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs 2 Nr 1 in Verb mit § 72a Abs 1 ArbGG) zu erwägen ist, so spricht nach der Auffassung des Senates, der diese Frage vorliegend noch offen lassen kann, viel dafür, daß dies nicht ausdrücklich gerügt werden muß, sondern das Beschwerdevorbringen dann auch unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen ist.
Normenkette
ArbGG 1979 § 72a Grundsatz
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 30.05.1989; Aktenzeichen 12 Sa 360/89) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 01.02.1989; Aktenzeichen 4 Ca 4926/88) |
Tenor
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Mai 1989 – 12 Sa 360/89 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Die Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet.
1. Soweit der Kläger die Beschwerde mit angeblichen Divergenzen des anzufechtenden Urteils von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts gerichts begründet, ist diese unzulässig.
a) Nach § 72a Abs. 1 ArbGG kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbständig durch Beschwerde angefochten werden, wenn entweder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und eine der in § 72a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG angeführten Rechtsstreitigkeiten betrifft oder ein Fall des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vorliegt. Nach dieser Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines der dort sonst genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Der Beschwerdeführer muß die Beschwerde fristgebunden begründen und im Falle des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abstrakte Rechtssätze des Berufungsurteils und einer Entscheidung eines der dort genannten Gerichte so bezeichnen, daß eine Abweichung erkennbar ist (BAGE 32, 203, 213 = AP Nr. 1 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; Beschluß vom 19. November 1979 – 5 AZN 15/79 – AP Nr. 2 zu § 72a ArbGG 1979; Senatsbeschluß vom 10. Juli 1984 – 2 AZN 337/84 – AP Nr. 15 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).
b) Diese Voraussetzungen erfüllt die Begründung der Beschwerde nicht.
aa) Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Landesarbeitsgericht weder den Rechtssatz aufgestellt, bei der Auslegung eines Tarifvertrages sei primär auf die Entstehungsgeschichte abzustellen (so die Beschwerde auf B1. 2, 3. Abs.), noch den Rechtssatz, daß es für die Auslegung eines Tarifvertrages allein auf den Wortlaut ankomme (so die Behauptung der Beschwerde auf Bl. 4, letzter Absatz, hinsichtlich des vom Landesarbeitsgerichts gemäß § 543 ZPO in Bezug genommenen Urteils des Arbeitsgerichts). Durch keinen dieser Rechtssätze kann sich das Landesarbeitsgericht folglich in Widerspruch zu den vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen der Tarifauslegung gesetzt haben (vgl. Urteil vom 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 313 f. = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
bb) Hinsichtlich der Frage, ob die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs auf Verzugslohn durch den Klageabweisungsantrag des Arbeitgebers in einem Feststellungsprozeß in Gang gesetzt wird, hat der Kläger eine Divergenz ebenfalls nicht dargelegt.
Das anzufechtende Urteil ist ohne nähere Begründung von der positiven Beantwortung dieser Frage ausgegangen. Anhaltspunkte dafür, daß es einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz aufstellen wollte, sind nicht ersichtlich. Keinesfalls widerspräche das Landesarbeitsgericht damit aber der angezogenen Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 1984 (– 6 AZR 379/81 – BAGE 46, 259 = AP Nr. 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Denn das Bundesarbeitsgericht hat dort den gleichen Standpunkt vertreten wie das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall.
cc) Zu den übrigen vom Kläger angesprochenen Rechtsfragen (Befugnis der Gerichte für Arbeitssachen zur Schließung von Tariflücken, Gleichstellung einer allgemeinen Feststellungsklage mit einer Kündigungsschutzklage im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 2 BRTV-Bau) hat die Begründung der Beschwerde keine abstrakten Rechtssätze einander gegenübergestellt. Die Behauptung, ein bestimmter Rechtssatz sei “so vom Bundesarbeitsgericht niemals aufgestellt worden”, ist grundsätzlich ungeeignet, die Zulassung der Revision wegen Divergenz zu begründen. Die Divergenzrevision setzt gerade voraus, daß zu der gleichen Rechtsfrage eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichts vorliegt. Im Ergebnis beschränkt sich die Beschwerde somit auf die Rüge angeblich falscher Rechtsanwendung, die die Zulassung der Revision, selbst wenn sie vorläge, nach der abschließenden Regelung des § 72a ArbGG nicht begründen könnte.
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 i.V.m. § 72a Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG zuzulassen.
a) Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Frage abhängt, ob eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 256 ZPO der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 BRTV-Bau gleichsteht.
b) Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang zunächst, ob die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung voraussetzt, daß der Beschwerdeführer sich hierauf ausdrücklich beruft, oder ob es genügt, wenn eine auf Divergenz gestützte Beschwerde das Vorliegen der Voraussetzungen der § 72 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 72a Abs. 1 ArbGG erkennen läßt.
§ 72a Abs. 3 ArbGG spricht diese Frage nicht ausdrücklich an. Der Wortlaut des Satzes 2: “In der Begründung müssen die Voraussetzungen des Abs. 1 und des § 72 Abs. 2 Nr. 1 dargelegt … werden”, spricht jedoch gegen das weitere Erfordernis, die dargelegten Voraussetzungen ausdrücklich als solche bezeichnen zu müssen.
Die Revision dient weder bei grundsätzlicher Bedeutung noch im Falle einer Divergenz ausschließlich den Interessen der jeweiligen Parteien, sondern in gleichem Maße der Rechtsfortbildung bzw. der Wahrung der Rechtseinheit. Daher spricht wenig dafür, die Zulassung von einer Willensbegründung der Partei hinsichtlich dieser beiden Alternativen abhängig zu machen. Es ist kaum denkbar, daß eine Partei die Zulassung der Revision nur wegen Divergenz begehrt, an ihr aber kein Interesse hat, wenn sie sich aus grundsätzlicher Bedeutung ergibt. Grunsky (Kommentar zum ArbGG, 5. Aufl., § 72a Rz 18) vertritt – allerdings beschränkt auf die von vornherein wegen grundsätzlicher Bedeutung erhobene Beschwerde – die Ansicht, das Bundesarbeitsgericht sei bei an sich ordnungsgemäßer Beschwerde an die vorgetragenen Gründe nicht gebunden.
c) Der Senat kann vorliegend allerdings von einer abschließend Beantwortung dieser Frage absehen, denn die Beschwerde ist auch unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung letztlich unbegründet.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt zwar von der Auslegung einer überregional geltenden Tarifnorm ab. Es geht um die Frage, ob eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 256 ZPO der in § 16 Abs. 2 Satz 2 BRTV-Bau erwähnten Kündigungsschutzklage gleichsteht. Die Frage ist aber nach Auffassung des Senats nicht klärungsbedürftig. Ein Klärungsbedarf im Sinne von § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG setzt grundsätzlich nur voraus, daß eine Rechtsfrage bisher nicht höchstrichterlich entschieden ist oder gegen eine höchstrichterliche Entscheidung neue, vom Revisionsgericht bisher nicht berücksichtigte Aspekte vorgetragen werden (BAGE 32, 203, 210 = AP Nr. 1 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; Neumann in Festschrift für Hilger/Stumpf, 1986, S. 513, 525). Keiner höchstrichterlichen Klärung bedarf eine vom Revisionsgericht noch nicht entschiedene Rechtsfrage jedoch dann, wenn die Rechtslage eindeutig ist, weil sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (BAGE 32, 203, 210 = AP, aaO; Beschluß vom 22. April 1987 – 4 AZN 114/87 – AP Nr. 32 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz). Nach dem Zweck des Revisionsverfahrens, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu fördern, liegt dieser Ausnahmefall vor, wenn divergierende Entscheidungen der Instanzgerichte zu der nämlichen Rechtsfrage nicht zu erwarten sind.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Ausnahme vom Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung innerhalb der Zwei-Monats-Frist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 BRTV-Bau gilt von Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Tarifnorm her jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitnehmer unabhängig vom Ausspruch einer Kündigung nur als Vorfrage die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses – wie vorliegend – begehrt, also weder eine Kündigungsschutzklage i.S. von § 4 KSchG noch eine diese ersetzende allgemeine Feststellungsklage erhoben hat. Daher ist eine abweichende Entscheidung eines Landesarbeitsgerichts auch ohne höchstrichterliches Urteil nicht zu erwarten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Hillebrecht, Dr. Ascheid, Bitter, Weyers, Dr. Harder
Fundstellen
Haufe-Index 873897 |
RdA 1990, 126 |