Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung rechtlichen Gehörs. Unklarer Hinweisbeschluss
Leitsatz (redaktionell)
1. Macht ein Gericht in einem Hinweisbeschluss nicht deutlich, von welchen Umständen die Beweiserhebung abhängen soll, und ob die Durchführung einer Beweisaufnahme von tatsächlichen Umständen oder von rechtlichen Erwägungen abhängt, verfehlt der Hinweis den Zweck des § 139 Abs. 2 ZPO, den Parteien durch unmissverständliche Hinweise die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen.
2. Der Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO und die damit verbundene Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist entscheidungserheblich, wenn die Partei darlegt, sie hätte bei einem klaren Hinweis das Vorhandensein einer ausreichenden Paraphierung einer Namensliste bestritten, so dass es zu dieser Frage einer Beweisaufnahme bedurft hätte.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 72a Abs. 3 S. 2 Nr. 3, Abs. 7; ZPO § 139 Abs. 2; BGB § 126; BetrVG § 112; KchG § 1 Abs. 5
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 30.03.2007; Aktenzeichen 10 Sa 1910/05) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. März 2007 – 10 Sa 1910/05 – wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung sowie über Annahmeverzugsansprüche des Klägers. Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags sowie eines Teils der erhobenen Vergütungsansprüche durch Teilurteil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Teilurteil abgeändert, die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die nachträgliche Zulassung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet.
1. Der Kläger hat dargelegt, dass das Landesarbeitsgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 3, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG).
a) Das Landesarbeitsgericht hat durch den Vorsitzenden der Berufungskammer im Hinweisbeschluss vom 16. Februar 2007 Folgendes ausgeführt:
“… Sofern es darauf ankäme, ob die Namensliste (über die Paraphierung und die Bezeichnung im Interessenausgleich hinaus) mit dem Interessenausgleich fest verbunden wurde, liegt streitiger Tatsachenvortrag vor, so dass es in diesem Fall ggf. auf eine Beweisaufnahme zur festen Verbindung der Namensliste mit dem Interessenausgleich ankäme. …”
Dieser Hinweis des Landesarbeitsgerichts ist unklar. Die Einschränkung im ersten Satzteil “sofern es darauf ankäme, ob die Namensliste (über die Paraphierung und die Bezeichnung im Interessenausgleich hinaus) mit dem Interessenausgleich fest verbunden wurde”, macht nicht deutlich, von welchen Umständen die Beweiserhebung abhängen soll. Auch den weiteren Ausführungen im Hinweisbeschluss ist nicht zu entnehmen, ob die Durchführung einer Beweisaufnahme insoweit von tatsächlichen Umständen oder – wie im Urteil auf S. 14 unten ausgeführt – von rechtlichen Erwägungen abhängt. Der Hinweis des Landesarbeitsgerichts verfehlt damit den Zweck des § 139 Abs. 2 ZPO, den Parteien durch unmissverständliche Hinweise die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen (vgl. dazu BGH 25. Juni 2002 – X ZR 83/00 – AP ZPO § 139 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 139 Nr. 2, zu II 2a der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hätte deshalb den Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass es eine Beweisaufnahme nicht für erforderlich hält.
b) Der Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO und die damit verbundene Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist entscheidungserheblich. Der Kläger hat auf S. 8 der Beschwerdebegründung dargelegt, er hätte bei einem entsprechenden Hinweis das Vorhandensein einer ausreichenden Paraphierung im Original bestritten, so dass es zu dieser Frage einer Beweisaufnahme bedurft hätte.
2. Der Senat macht von der Möglichkeit einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht nach § 72a Abs. 7 ArbGG keinen Gebrauch, weil das Bundesarbeitsgericht die Frage, ob die Paraphierung der Namensliste und der einzelnen Seiten des Interessenausgleichs dem Schriftformerfordernis des § 126 BGB genügt, noch nicht entschieden hat.
III. Das Beschwerdeverfahren wird nunmehr als Revisionsverfahren fortgesetzt. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt daher die Revisionsbegründungsfrist von zwei Monaten (§ 72a Abs. 6 iVm. § 74 Abs. 1 ArbGG).
Unterschriften
Fischermeier, Linck, Brühler, Schäferkord, H. Markwat
Fundstellen