Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung. Bestimmtheit des Änderungsangebots
Leitsatz (redaktionell)
Wird in einem Änderungsangebot der Änderungskündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den in einem Tarifvertrag geregelten Bedingungen angeboten und ist der Tarifvertrag im Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung noch nicht schriftlich zustandegekommen, ist das Änderungsangebot wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam. Dies gilt auch, wenn der Tarifvertrag später zustande kommt und rückwirkend in Kraft tritt.
Normenkette
KSchG § 4 S. 2; BGB §§ 126, 130 Abs. 1 S. 1, § 145; TVG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Oktober 2014 – 19 Sa 1200/14 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Februar 2014 – 37 Ca 10556/13 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 unwirksam ist.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
Die Klägerin war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen seit September 1972 beschäftigt. Seit Februar 2006 war sie als Spezialistin Auftragsmanagement im Betrieb „Telekom Direktvertrieb und Beratung” (nachfolgend DTDB) tätig. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrags vom 3. Januar 2006 fanden auf das Arbeitsverhältnis die für den Betrieb oder Betriebsteil betrieblich bzw. fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.
Unter dem 21. Juni 2011 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di den „Tarifvertrag Bereichsausnahme DTDB”. Er sah für Beschäftigte im Betrieb DTDB vor, dass auf diese – mit Ausnahme von drei hier nicht interessierenden Regelwerken – nicht die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung fänden, sondern diejenigen der Telekom Deutschland GmbH (TDG) in der jeweils aktuellen Fassung. Die Regelungen des TV Ratio sollten dabei mit der Maßgabe Anwendung finden, dass die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit (BQE) im Sinne des TV Ratio diejenige im Sinne des TV Ratio der Beklagten (Vivento) sei.
Ein TV Ratio der TDG war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags Bereichsausnahme DTDB noch nicht geschlossen. Gewerkschaft und Arbeitgeberseite lagen von beiden Seiten in Abwesenheit der jeweils anderen Seite unterzeichnete Vertragsurkunden frühestens am 10. Juli 2013, spätestens am 11. Juli 2013 vor. Die Unterschriftszeile trägt das Datum „01.04.2010”. Nach den Regelungen des TV Ratio TDG sind alle Arbeitnehmer, die vom Wegfall gleicher Arbeitsplätze in ihrer Gesamtheit betroffen werden, in die BQE der TDG zu versetzen. Sie erhalten ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrags. Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags können sie einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Lehne ein Arbeitnehmer diese Angebote ab, erfolge eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen in der BQE. Abweichend von den Bestimmungen des Manteltarifvertrags gelte dafür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Es werde auf die am 1. April 2010 geltenden gesetzlichen, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen abgestellt. Sollten sich diese ändern, so seien die Tarifvertragsparteien verpflichtet, Verhandlungen über eine entsprechende Anpassung des Tarifvertrags zu führen. In § 17 des Tarifvertrags heißt es, er trete am 1. April 2010 in Kraft.
Die Beklagte legte den Betrieb DTDB zum 31. Juli 2013 still. Zuvor hatte sie am 2. Mai 2013 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich geschlossen. Sie bot der Klägerin sowohl einen Änderungsvertrag als auch einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung an. Die Klägerin nahm keines der Angebote an.
Mit E-Mail vom 19. Juni 2013 informierte die Beklagte die Klägerin und weitere Mitarbeiter darüber, dass der TV Ratio TDG „finalisiert” und in einer Lesefassung im Intranet zugänglich sei. Die Klägerin konnte den Text dort einsehen.
Nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. Juli 2013 „unter Beachtung der Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende mit Wirkung zum Ablauf des 31.07.2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin”. Zugleich bot sie der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit Vivento … zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen” an. Die Kündigung ging der Klägerin am 10. Juli 2013 zu. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 11. Juli 2013 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an.
Die Klägerin hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen gewandt. Sie ist der Ansicht gewesen, die Änderungskündigung sei wegen Missachtung des besonderen tarifvertraglichen Kündigungsschutzes, fehlender sozialer Rechtfertigung, nicht hinreichender Bestimmtheit des Änderungsangebots, unzulässig verkürzter Kündigungsfrist, nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung und „Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben zur Massenentlassung” unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Änderungskündigung für wirksam, insbesondere für hinreichend bestimmt gehalten. Der TV Ratio TDG habe rückwirkend seit dem 1. April 2010 Wirkung entfaltet. Die Kündigung sei wegen der Betriebsschließung sozial gerechtfertigt und unter Beachtung der tarifvertraglichen Regelungen sowie nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats und der Bundesagentur für Arbeit wirksam erklärt worden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte der Änderungsschutzklage auf die Berufung der Klägerin hin stattgeben müssen.
I. Die Revision ist entgegen der von der Beklagten geäußerten Zweifel nicht deshalb unbegründet, weil die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig gewesen wäre.
1. Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 – Rn. 18; 11. November 2014 – 3 AZR 404/13 – Rn. 18).
2. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen. Sie zeigt ausreichend deutlich auf, in welchen Punkten die Klägerin das erstinstanzliche Urteil für fehlerhaft hält.
a) Die Klägerin hat gerügt, der TV Ratio TDG sei erst nach Zugang der Kündigung wirksam geworden und entfalte keine Rückwirkung. Vor Eintritt der Wirksamkeit des TV Ratio TDG sei es rechtlich nicht möglich gewesen, ihr ein Angebot gemäß dessen § 5 Abs. 1 zu unterbreiten. Ohne ein solches Angebot wiederum sei die Kündigung unwirksam. Darüber hinaus sei Folge des erst späteren Wirksamwerdens des Tarifvertrags, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert worden sei. Die Kündigung verstoße daher gegen § 102 BetrVG. Mangels eines wirksamen Tarifvertrags sei auch das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt gewesen.
b) Damit hat sich die Klägerin in ausreichendem Maße gegen das arbeitsgerichtliche Urteil gewandt. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen die Kündigung ihrer Ansicht nach unwirksam sei. Zwar beruhten ihre Ausführungen ausschließlich auf der erst mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Tatsache, dass der TV Ratio TDG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht wirksam zustande gekommen sei. Ob dieser Vortrag nach § 67 ArbGG vom Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen war, ist aber keine Frage der Zulässigkeit der Berufung, sondern ihrer Begründetheit (vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 64 Rn. 76). Es kann offenbleiben, ob es für die Zulässigkeit der Berufung zumindest der Darlegung bedurfte, weshalb das neue Vorbringen nach Auffassung der Klägerin gemäß § 67 ArbGG zuzulassen sei. Die Klägerin hat sich für die fragliche Tatsache auf Ausführungen in dem Urteil eines Arbeitsgerichts berufen, welches erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Rechtsstreit verkündet worden war.
II. Die Änderungsschutzklage (§ 4 Satz 2 KSchG) ist begründet. Das mit der Kündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 verbundene Änderungsangebot war nicht hinreichend bestimmt. Die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung ist damit unwirksam. Ob sie dies auch aus anderen Gründen ist, bedarf keiner Entscheidung.
1. Die Änderungskündigung ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein bestimmtes, zumindest bestimmbares und somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen (BAG 20. Februar 2014 – 2 AZR 346/12 – Rn. 38, BAGE 147, 237; 16. Dezember 2010 – 2 AZR 576/09 – Rn. 21). Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Er muss von Gesetzes wegen innerhalb einer recht kurzen Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ob er es ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen (BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 396/12 – Rn. 18; 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 29).
2. Diesen Anforderungen genügte das der Klägerin mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot nicht.
a) Das Änderungsangebot lautete auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit Vivento der Deutschen Telekom AG zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen”. Es nahm damit Bezug auf die sich aus dem näher bezeichneten Tarifvertrag ergebenden Bedingungen.
b) Diese Bedingungen waren zu dem für die Beurteilung der Wirksamkeit der Änderungskündigung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Zugangs nicht hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar. Ein „TV Ratio TDG” existierte noch nicht. Da er bei Kündigungszugang nicht unter Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 1 Abs. 2 TVG zustande gekommen war, lag allenfalls ein abgestimmter Entwurf vor, aber kein Tarifvertrag.
aa) Das Zustandekommen eines Tarifvertrags als eines privatrechtlichen Vertrags richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts (BAG 7. Juli 2010 – 4 AZR 1023/08 – Rn. 14). Es bedarf übereinstimmender Willenserklärungen – Antrag und Annahme –, gerichtet auf Abschluss eines Tarifvertrags. Darüber hinaus stellt § 1 Abs. 2 TVG für Tarifverträge ein Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB auf. Tarifverträge müssen schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten unterzeichnet werden. Die nötige Schriftform dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und damit dem Gebot der Normenklarheit (BAG 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327; 9. Juli 1980 – 4 AZR 564/78 – BAGE 34, 42). Wird der Antrag auf Abschluss eines Tarifvertrags gegenüber einem Abwesenden erklärt, ist dessen Annahmeerklärung erforderlich. Diese ist wie der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Ist für einen Vertrag gesetzlich die Schriftform vorgesehen, wird die Annahmeerklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB), in dem sie dem anderen Teil in der vorgeschriebenen Form zugeht (BAG 7. Juli 2010– 4 AZR 1023/08 – aaO). Es reicht nicht aus, dass der Empfänger des Antrags die Vertragsurkunde unterzeichnet und den anderen Teil hierüber in einer Form, die die Voraussetzungen des § 126 BGB nicht wahrt, in Kenntnis setzt (BAG 7. Juli 2010 – 4 AZR 1023/08 – aaO; BGH 30. Mai 1962 – VIII ZR 173/61 – zu II 2 der Gründe; 30. Juli 1997 – VIII ZR 244/96 – zu II 2 b bb der Gründe mwN; vgl. auch BAG 16. Oktober 1991 – 2 AZR 156/91 – zu II 4 d der Gründe). Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach § 151 Satz 1 BGB eine Annahmeerklärung entbehrlich ist (BAG 7. Juli 2010 – 4 AZR 1023/08 – aaO).
bb) Solange der „TV Ratio TDG” nicht formwirksam zustande gekommen war, stand nicht zweifelsfrei fest, ob und mit welchem Inhalt er wirksam würde. Solange wiederum war das auf ihn verweisende Änderungsangebot zu unbestimmt.
(1) Gegen die Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt seines Zugangs bei der Klägerin am 10. Juli 2013 lässt sich nicht mit Erfolg anführen, in einem Arbeitsvertrag könne ggf. auch auf nichtige oder nicht mehr wirksame Tarifverträge Bezug genommen werden, soweit nicht deren inhaltliche Festlegungen auch als arbeitsvertragliche Regelungen nichtig seien (vgl. dazu BAG 14. Dezember 2011 – 4 AZR 26/10 – Rn. 43). Dies besagt nicht, dass die in Bezug genommenen Regelungen nicht jedenfalls hinreichend bestimmt sein müssten. Das wiederum sind sie nicht, solange ihr Inhalt mangels wirksamen Abschlusses noch geändert werden kann.
(2) Keiner Entscheidung bedarf, ob das Änderungsangebot hinreichend bestimmt gewesen wäre, wenn darin auf eine genau bezeichnete Entwurfsfassung eines noch nicht formwirksam zustande gekommenen Tarifvertrags verwiesen worden wäre. Ein solches Änderungsangebot hat die Beklagte nicht unterbreitet. Es kommt daher auch nicht darauf an, dass eine von der Beklagten so bezeichnete „finalisierte” Fassung des Tarifvertrags für die Klägerin im Intranet einsehbar war. Für die Klägerin war nicht etwa zweifelsfrei erkennbar, dass nach dem Änderungsangebot der Beklagten die Bedingungen entsprechend einer solchen „finalisierten” Fassung hätten gelten sollen.
(3) Es wäre auch nicht ausreichend, wenn der Tarifvertrag zwar nach Zugang der Änderungskündigung, aber noch innerhalb der Frist zur Annahme des Änderungsangebots durch die Klägerin zustande gekommen wäre. Das Änderungsangebot muss bereits im Kündigungszeitpunkt hinreichend bestimmt sein. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird (allgM, vgl. nur APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen D Rn. 10). Nur dann, wenn alle Voraussetzungen für die Ausübung des Gestaltungsrechts im Zeitpunkt ihres Zugangs beim Erklärungsgegner vorliegen, kann die – dann wirksame – Kündigung ihr Gestaltungsziel erreichen (APS/Preis aaO Rn. 11). Der Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist daher der ihres Zugangs, ihre Wirksamkeit bestimmt sich nach den in diesem Zeitpunkt gegebenen objektiven Verhältnissen (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 644/13 – Rn. 21, BAGE 149, 367; 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194; APS/Preis aaORn. 11; für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 KSchG KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 235 mwN).
cc) Der TV Ratio TDG war in dem Zeitpunkt, als die Änderungskündigung der Klägerin zuging, noch nicht formwirksam zustande gekommen.
(1) Gewerkschaft und Arbeitgeberseite lagen von beiden Seiten in Abwesenheit der jeweils anderen Seite unterzeichnete Vertragsurkunden erst „bis zum 10. oder 11. Juli 2013” vor. Damit steht nur fest, dass die schriftliche Annahme bei der anderen Seite nicht nach dem 11. Juli 2013 eingegangen ist. Das schließt ihren Eingang erst nach Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin nicht aus. Diese hat die Änderungskündigung bereits am 10. Juli 2013 erhalten.
(2) Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, ggf. zu einem früheren Zugang vorzutragen, bedurfte es nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagtenvertreter auf Nachfrage erklärt, der Zeitpunkt des Zugangs der zuletzt von der TDG unterzeichneten Vertragsurkunde bei ver.di sei nicht weiter aufklärbar.
c) Der Umstand, dass der TV Ratio TDG nach seinem § 17 bereits zum 1. April 2010 in Kraft treten sollte, ändert nichts an der Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt der Kündigung. Es liegt zwar grundsätzlich – soweit Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht entgegenstehen – in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, eine rückwirkende Begründung oder Einschränkung tariflicher Ansprüche vorzusehen (vgl. BAG 24. Oktober 2007– 10 AZR 878/06 – Rn. 18; 17. Juli 2007 – 9 AZR 1089/06 – Rn. 16; 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 176). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung als Ausübung eines Gestaltungsrechts durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist aber nicht tarifdispositiv.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte zu tragen.
Unterschriften
Kreft, Niemann, Rachor, Gans, Nielebock
Fundstellen