Leitsatz (redaktionell)
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Der Nachweis einer im Ausland aufgetretenen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (§ 5 Abs. 2 EFZG) ist durch eine ärztliche Bescheinigung zu führen, die erkennen läßt, daß der Arzt zwischen Erkrankung und auf ihr beruhender Arbeitsunfähigkeit unterschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 -, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt). |
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Den vorgenannten Anforderungen genügt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Maßgabe des Deutsch-Türkischen Sozialversicherungsabkommens. |
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Der Nachweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann auch durch andere Beweismittel geführt werden; das gilt auch, wenn die Erkrankung im Ausland aufgetreten ist. |
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Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger war seit 8. Juni 1989 bei der Beklagten als Schweißer beschäftigt. Sein monatliches Arbeitsentgelt betrug zuletzt 3.270,00 DM brutto. Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 6. Juni 1994 bis zum 5. August 1994 Erholungsurlaub. Der Kläger verbrachte den Erholungsurlaub in der Türkei, seinem Heimatland. Am 20. Juni 1994 suchte er dort ein Krankenhaus auf und erhielt eine ärztliche Bescheinigung, die in deutscher Übersetzung wie folgt lautet:
"Türkische Republik Gesundheits Ministerium Nizip Staatskrankenhaus
Nummer : 7300 - 703 Betreff : Ö N I Z I P --------20.6.1994
Nach der Untersuchung am 20.6.1994 mit der Protokollnummer 762 wurde bei Herrn Ö akute Amebiyazis festgestellt. Es ist eine 20 (zwanzig) tägige Bettruhe angeordnet."
Mit Datum vom 18. Juli 1994 wurde dem Kläger von derselben Stelle eine weitere Bescheinigung in türkischer Sprache erteilt, deren deutsche Übersetzung lautet:
"Türkische Republik Gesundheitsministerium Nizip Staatskrankenhaus
Nr. 73 - 84 N I Z I P --------18.7.1994
A T T E S T
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Bei der wiederholten Untersuchung des Herrn Ö am 18.7.1994 wurde die akute lomber diskopati immer noch festgestellt und deswegen 20 (zwanzig) Tage Bettruhe angeordnet.
Chirurg Dr. A Staatskrankenhaus Chefarzt"
Der in Bremen wohnende Sohn des Klägers unterrichtete die in B ansässige Beklagte über beide Erkrankungen. Der Kläger ließ der Beklagten beide ärztlichen Bescheinigungen übergeben. Der Kläger selbst unterrichtete weder die für ihn zuständige Innungskrankenkasse noch den für ihn zuständigen örtlichen Sozialversicherungsträger in der Türkei über die Erkrankungen. Die Beklagte reichte die ärztliche Bescheinigung vom 20. Juni 1994 an die zuständige Krankenkasse weiter, die ihrerseits dem Kläger unter dem 22. November 1994 mitteilte, es sei hieraus nicht ersichtlich, daß Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes vorgelegen habe. Zugleich wies sie den Kläger darauf hin, wie er sich im Falle einer erneuten Erkrankung in der Türkei gegenüber dem Sozialversicherungsträger zu verhalten habe.
Der Kläger verlängerte seinen Erholungsurlaub im Einvernehmen mit der Beklagten. Nachdem er seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, erhielt er für die Urlaubszeit zunächst nur Abschlagszahlungen unter Anrechnung auf offene Ansprüche aus Erholungsurlaub bzw. Ansprüche auf Überstundenvergütung. Der Kläger forderte die Beklagte nochmals vergeblich auf, ihm für jeweils drei Wochen ab 20. Juni 1994 bzw. 18. Juli 1994 Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zu leisten.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei arbeitsunfähig krank gewesen. Dies sei den von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ohne weiteres zu entnehmen, insbesondere aus dem Umstand, daß Bettruhe angeordnet worden sei. Ohne Belang sei, daß die Innungskrankenkasse die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht anerkennen wolle. Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall stünden ihm für die Zeit vom 20. Juni 1994 bis zum 9. Juli 1994 und vom 18. Juli 1994 bis zum 6. August 1994 in Höhe von insgesamt 4.527,72 DM brutto zu.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.527,72 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat erwidert, sie dürfe die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für diese Zeiträume verweigern, weil der Kläger keine ausreichende ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt habe. Die vorgelegten Bescheinigungen ließen nicht erkennen, daß der Kläger arbeitsunfähig krank gewesen sei. Aus der Anordnung von Bettruhe lasse sich das nicht schließen.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Kläger weder für die Zeit vom 20. Juni 1994 bis zum 9. Juli 1994 noch für die Zeit vom 18. Juli 1994 bis zum 6. August 1994 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat. Er hat für diese Zeiträume weder förmliche ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt noch auf andere Weise bewiesen, daß er krankheitsbedingt arbeitsunfähig war.
I. Rechtsgrundlage für die Klageforderung ist § 3 Abs. 1 EFZG (Art. 53 PflegeversG vom 26. Mai 1994 - BGBl. I S. 1014, in Kraft getreten am 1. Juni 1994) in der Fassung, die bis zum 30. September 1996 gegolten hat (Art. 13 des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 - BGBl. I S. 1476). Hiernach verlor der Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge von ihm unverschuldeter Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war, dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitsentgelt bis zur Dauer von sechs Wochen.
1. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen (ständige Rechtsprechung, siehe zuletzt BAG Urteil vom 19. Februar 1997 - 5 AZR 83/96 - AP Nr. 4 zu § 3 EntgeltFG, zu II der Gründe). In der Regel führt der Arbeitnehmer diesen Nachweis bei einer im Inland eingetretenen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage einer förmlichen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG (BAG Urteil vom 19. Februar 1997 - 5 AZR 83/96 - aaO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Dies ergibt sich aus der Lebenserfahrung. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis, daß krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine solche Bescheinigung vorlegt (BAG Urteil vom 19. Februar 1997 - 5 AZR 83/96 - aaO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).
2. Beginnt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Ausland, so sind für den Nachweis deren besondere Regelungen zu beachten. Nach § 5 Abs. 2 Satz 3, 4 EFZG hat der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer bzw. Fortdauer der deutschen Krankenkasse anzuzeigen; abweichend hiervon bestimmen Art. 18 der Verordnung Nr. 574/72/EWG und zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen wie das Deutsch-Türkische Abkommen über die soziale Sicherheit nebst Durchführungsverordnung (abgedruckt in: Plöger/Wortmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, XX, Türkei), daß der Arbeitnehmer vom Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf einem Vordruck erhält und er sich an den ausländischen Sozialversicherungsträger zu wenden hat. Auch können deutsche Krankenkassen entsprechendes festlegen (§ 5 Abs. 2 Satz 5 EFZG).
3. Die nach dem Deutsch-Türkischen Abkommen über die soziale Sicherheit in der Türkei auszustellenden zweisprachigen Vordrucke weisen u.a. aus, daß "der Versicherte Geldleistungen beantragt wegen Arbeitsunfähigkeit infolge ... (Krankheitsbezeichnung)". Der Text macht deutlich, daß der türkische Arzt ebenso wie ein Arzt in der Bundesrepublik Deutschland zwischen der Erkrankung und der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung zu unterscheiden hat. Ist das Formular ordnungsgemäß ausgestellt, so ist davon auszugehen, daß der Arzt in der Türkei diese Unterscheidung auch tatsächlich vorgenommen hat (BAG Urteil vom 19. Februar 1997 - 5 AZR 83/96 - aaO, unter II 2 der Gründe, m.w.N., zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
4. Der Kläger hat eine dem Deutsch-Türkischen Sozialversicherungsabkommen entsprechende ärztliche Bescheinigung über seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegt. Vielmehr hat der Arzt im Staatskrankenhaus Nizip ein von ihm selbst formuliertes, nicht vorgedrucktes Attest erstellt. Darin wird keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, sondern nur attestiert, daß eine Erkrankung vorliege und jeweils 20tägige Bettruhe angeordnet sei.
Das Fehlen der förmlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat nicht zur Folge, daß dem Kläger allein deshalb kein Anspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG zusteht. Ebenso wie die nicht rechtzeitige Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des inländischen Arztes nur zu einem Zurückbehaltungsrecht nach § 7 Abs. 1 EFZG führt, nicht aber zu einem endgültigen Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers (BAG Urteil vom 1. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 -, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), führt auch die Nichteinhaltung der Nachweisvorschriften des § 5 Abs. 2 EFZG nur zu einem vorläufigen Zurückbehaltungsrecht, nicht aber zu einem endgültigen Leistungsverweigerungsrecht. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer deswegen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beibringen kann, weil er einen Arzt nicht aufgesucht hat (vgl. im einzelnen: BAG Urteil vom 1. Oktober 1997 - 5 AZR 726/96 -, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Auch in solchen Fällen kann der Arbeitnehmer durch andere Beweismittel die Tatsachen beweisen, die belegen, daß krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorlag.
II. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht bewiesen, daß er arbeitsunfähig krank war. Die vorgelegten beiden Atteste beweisen dies nicht. Aus ihnen wird schon nicht deutlich, daß der behandelnde Arzt zwischen Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit unterschieden hat. Der behandelnde Arzt hat nur attestiert, daß der Kläger krank war und daß zu seiner Heilung jeweils eine 20tägige Bettruhe "angeordnet" wurde. Daß der Kläger wegen dieser Erkrankung tatsächlich arbeitsunfähig war, ist den Attesten nicht zu entnehmen. Ob die Anordnung einer Bettruhe von jeweils nahezu drei Wochen aus ärztlicher Sicht angezeigt war, hat der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls läßt sich dieser Anordnung nicht entnehmen, daß der Kläger tatsächlich gehindert war, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Es ist nicht zu erkennen, daß der behandelnde Arzt die Beschwerden des Klägers unter diesem Gesichtspunkt und unter Einbeziehung der Umstände, unter denen der Kläger zu arbeiten hatte, bewertet hat. Zu Unrecht wendet sich der Kläger in diesem Zusammenhang gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts. Der Kläger zeigt keinen zulässigen und begründeten Verfahrensfehler auf (§ 565 a Satz 1 ZPO). Die mitgeteilten Diagnosen sowie die Anordnung der Bettruhe haben nicht zur Folge, daß auch hieraus zwingend auf krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu schließen ist.
Auch sonst hat der Kläger keinen Beweis für Tatsachen angetreten, die darauf schließen lassen, daß er in den hier in Rede stehenden Zeiträumen infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 440215 |
BB 1998, 484 |
DB 1998, 582 |
NJW 1998, 2764 |
JurBüro 1998, 441 |
NZA 1998, 372 |
RdA 1998, 187 |
ZAP 1998, 304 |
ZTR 1998, 229 |
AP, 0 |
ZMV 1998, 141 |
FuNds 1999, 310 |