Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflicher Optimierungsausgleich und Nachtarbeitszuschlag
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Parallelsache zu – 10 AZR 317/91 –
Normenkette
Tarifvertrag zur Optimierung der Maschinenlaufzeiten in der Nord-Westdeutschen Textilindustrie vom 8./10. Juni 1988; Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Nord-Westdeutschen Textilindustrie vom 9. Mai 1985
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 06.02.1991; Aktenzeichen 5 Sa 1791/90) |
ArbG Lingen (Urteil vom 04.10.1990; Aktenzeichen 1 Ca 397/90) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. Februar 1991 – 5 Sa 1791/90 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger noch Restlohn für die Monate November und Dezember 1989 sowie Januar 1990 schuldet, weil auch auf die Nachtarbeitszuschläge der Optimierungsausgleich nach § 3 des Tarifvertrags zur Optimierung der Maschinenlaufzeiten in der Nord-Westdeutschen Textilindustrie vom 8./10. Juni 1988 zu zahlen ist.
Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer in einem sogenannten optimierten Schichtsystem beschäftigt. In diesem Schichtsystem wird von Sonntagabend 22.00 Uhr bis Samstagabend 22.00 Uhr in vier Schichten von jeweils acht Stunden rund um die Uhr gearbeitet. An jedem Arbeitstag hat eine Schicht frei. Die Arbeitnehmer arbeiten nach dem Schichtplan drei Wochen (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht) und haben in der vierten Woche arbeitsfrei; dabei ist der Montag der arbeitsfreien Woche ein vereinbarter Urlaubstag. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit innerhalb von vier Wochen beträgt daher 38 Stunden. Demgemäß erhält der einzelne Arbeitnehmer wöchentlich auch 38 Stunden vergütet. Die Maschinenlaufzeit beträgt 144 Stunden in der Woche.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Nord-Westdeutschen Textilindustrie vom 9. Mai 1985 (im folgenden: MTV) Anwendung, der die Zuschläge wie folgt regelt:
„§ 6
Zuschläge
- Mehrarbeitszuschläge
- …
Nachtarbeitszuschlag
Der Nachtarbeitszuschlag beträgt:
a) |
bei Arbeit in ständiger Nachtschicht für die dritte Schicht |
|
|
zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr |
25 % |
|
zwischen 0.00 Uhr und 4.00 Uhr |
30 % |
|
zwischen 4.00 Uhr und 6.00 Uhr |
25 % |
b) |
bei Nachtarbeit in Wechselschicht für die dritte Schicht |
22,5 % |
c) |
bei sonstiger regelmäßiger Nachtarbeit |
12,5 % |
d) |
bei Nachtarbeit, die ausnahmsweise geleistet wird, |
|
|
zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr |
15 % |
|
zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr |
27,5 % |
…
- …
- Die Zahlung von Sonn- bzw. Feiertagszuschlag schließt den Mehrarbeitszuschlag aus.
- Die Zuschläge werden vom persönlichen Durchschnittsverdienst der laufenden Lohnperiode errechnet. Durch Betriebsvereinbarung kann eine andere Regelung getroffen werden.”
Ferner gilt der Tarifvertrag zur Optimierung der Maschinenlaufzeiten in der Nord-Westdeutschen Textilindustrie vom 8./10. Juni 1988 (TV-Opti), der – soweit hier von Bedeutung – folgende Bestimmungen enthält:
„Präambel
Die Ausschöpfung der Maschinenlaufzeiten ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und damit zur Schaffung neuer sowie zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze in der Textilindustrie. Zur Erreichung dieses Zieles und zur Regelung der Arbeitsbedingungen schließen die Tarifvertragsparteien folgenden Tarifvertrag als Grundlage für optimierte Schichtsysteme, die zwischen den Betriebsparteien schriftlich zu vereinbaren sind.
§ 2
Verteilung der Arbeitszeit
Die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit kann anderweitig verteilt werden. Sie muß grundsätzlich innerhalb eines Ausgleichszeitraumes bis 13 Wochen im Durchschnitt erreicht werden; dieser Zeitraum kann überschritten werden, wenn zur Vermeidung von Produktions- oder Arbeitsausfall Jahresurlaub in den Schichtenplan einbezogen wird; die wöchentliche Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers darf jedoch 48 Stunden/Woche nicht überschreiten.
Einzelheiten regelt der Schichtenplan, der mit dem Betriebsrat zu vereinbaren ist. Dabei kann im Rahmen des nachfolgenden Optimierungsausgleichs eine kürzere als die tarifliche Wochenarbeitszeit vereinbart werden.
§ 3
Optimierungsausgleich
Die in einem optimierten Schichtsystem regelmäßig auch samstags arbeitenden Arbeitnehmer erhalten einen Optimierungsausgleich. Dieser ist vorrangig in Form einer Arbeitszeitverkürzung zu gewähren, soweit nicht durchschnittlich 36 Stunden/Woche effektiver Arbeitszeit des Arbeitnehmers unterschritten werden. Mit dem Betriebsrat kann auch vereinbart werden, daß dieser Ausgleich teilweise in Geld gewährt wird. In jedem Fall sind die betrieblichen und personellen Gegebenheiten zu beachten. Sobald diese es ermöglichen, ist dem Optimierungsausgleich in Zeit Vorrang einzuräumen.
…
Der Optimierungsausgleich beträgt bei einer Maschinenlaufzeit/Betriebsnutzungszeit
ab |
121 Std./Woche = 2,6 % |
ab |
132 Std./Woche = 5,2 % |
über |
140 Std./Woche = 7,6 % |
der Arbeitszeit des Arbeitnehmers.
Der höhere Optimierungsausgleich von 7,6 % in der Stufe ‚über 140 Std./Woche’ setzt voraus, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer vom Betrieb geforderten Maschinenlaufzeit bzw. Betriebsnutzungszeit von 144 Std./Woche erteilt.
Der Arbeitnehmer erhält keinen Optimierungsausgleich, wenn die vorstehenden Zeiten bzw. die Samstagsarbeit auf der Einhaltung der AZO-Pausen im Mehrschichtbetrieb, auf Mehrarbeit oder Teilzeitarbeit (durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers unter 20 Stunden) beruhen.”
Die Beklagte zahlte an den Kläger Nachtarbeitszuschläge im November 1989 von 203,23 DM, im Dezember 1989 von 238,25 DM und im Januar 1990 von 268,61 DM. Der von der Beklagten ausgezahlte Optimierungsausgleich betrug im November 1989 212,65 DM, im Dezember 1989 220,50 DM und im Januar 1990 277,91 DM. Bei der Berechnung des Optimierungsausgleiches berücksichtigte die Beklagte die Nachtarbeitszuschläge für die Monate November 1989, Dezember 1989 und Januar 1990 nicht.
Mit dem Schreiben vom 14. Februar 1990 verlangte der Kläger die Zahlung des Optimierungsausgleichs auch auf die Nachtarbeitszuschläge in den Monaten November und Dezember 1989 sowie Januar 1990 und machte die Zahlung des Betrags von 53,96 DM brutto mit der Klage vom 4. Mai 1990 gerichtlich geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, der Optimierungsausgleich von 7,6 % nach dem TV-Opti müsse auch auf die Nachtarbeitszuschläge der Monate November und Dezember 1989 sowie Januar 1990 von insgesamt 710,09 DM gezahlt werden; es ergebe sich daher ein Restlohnanspruch von 53,96 DM brutto (7,6 % aus 710,09 DM) zu seinen Gunsten. Der Optimierungsausgleich knüpfe an die Arbeitszeit an. Trotz der Verkürzung der Wochenarbeitszeit sollen die betroffenen Arbeitnehmer einen annähernd vollen Lohnausgleich erhalten. Daher müßte dem Lohn für die geleistete Arbeitszeit ein fiktiver Ausgleich von 7,6 % hinzugerechnet und aus dem so gewonnenen Arbeitsentgelt die Zuschläge errechnet werden. Der optimiert arbeitende Arbeitnehmer solle beim Arbeitseinkommen nicht schlechter stehen, als der nicht optimiert arbeitende Arbeitnehmer. Die Belastung durch das optimierte Schichtsystem werde durch die Arbeitszeitverkürzung ausgeglichen und gleichzeitig durch eine Erhöhung des Stundenlohnes sichergestellt, daß trotz Verkürzung der Arbeitszeit zumindest eine annähernde Einkommensgleichheit gewahrt bleibe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 53,96 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Februar 1990 aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, der Optimierungsausgleich stelle einen Zuschlag für diejenigen Arbeitnehmer dar, die in einem optimierten Schichtsystem regelmäßig auch samstags arbeiteten. Der TV-Opti diene der Ausschöpfung der Maschinenlaufzeiten als Beitrag zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und damit zur Schaffung neuer sowie zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze; eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich habe damit nicht erreicht werden sollen. Es gelte demnach der Grundsatz, daß bei der Berechnung eines tariflichen Zuschlags andere Zuschläge außer Ansatz blieben, wie er in den Bestätigungsschreiben vom 2. und 13. Januar 1986 festgelegt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, weil dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des Optimierungsausgleichs auf die Nachtarbeitszuschläge für die Monate November und Dezember 1989 sowie Januar 1990 nicht zusteht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Zahlung des Optimierungsausgleichs sei Ausgleich für die Belastung durch Samstagsarbeit; es solle aber nicht die Verkürzung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers im optimierten Schichtsystem ausgeglichen werden. Der Ausgleich solle vorrangig in Zeit erfolgen. Dem Kläger sei der Optimierungsausgleich auch teilweise in Zeit gewährt worden. Soweit der Ausgleich in Geld ausbezahlt werde, seien die Zuschläge für die Nacht-, Feiertags- und Mehrarbeit nicht zu berücksichtigen. Durch den Optimierungsausgleich in Geld werde nicht die Arbeitszeit fiktiv verlängert; es bleibe vielmehr bei der tariflichen bzw. der um den Optimierungsausgleich in Zeit gekürzten Wochenarbeitszeit.
II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist nur im Ergebnis zuzustimmen.
Der Kläger kann die Zahlung eines um 7,6 % erhöhten Nachtarbeitszuschlags nicht verlangen.
1. Nach § 3 TV-Opti beträgt der Optimierungsausgleich bei einer Maschinenlaufzeit von über 140 Stunden/Woche 7,6 % der Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Aus dieser tariflichen Regelung folgt, daß der Optimierungsausgleich in Zeit, also durch Verkürzung der Arbeitszeit, erfolgen soll. Die Auslegung des TV-Opti nach dem Tarifwortlaut, dem Sinn und Zweck, sowie dem tariflichen Gesamtzusammenhang (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) ergibt weiter, daß an die im optimierten Schichtsystem arbeitenden Mitarbeiter trotz der um den Optimierungsausgleich verkürzten Arbeitszeit der Lohn für die volle tarifliche Arbeitszeit bezahlt werden muß. § 3 TV-Opti sieht lediglich vor, daß – entsprechend der wöchentlichen Maschinenlaufzeit – ein Ausgleich in bestimmten Prozentsätzen auf die Arbeitszeit des Arbeitnehmers erfolgen soll. Daraus folgt, daß die im optimierten Schichtsystem eingesetzten Arbeitnehmer um den im TV-Opti festgelegten Prozentsatz weniger Arbeitszeit ableisten müssen, aber den Lohn entsprechend der vollen Arbeitszeit bekommen sollen. In diesem Zusammenhang ist auch die Anmerkung zu § 3 TV-Opti zu sehen, wonach mit diesem Optimierungsausgleich bei einer tariflichen Arbeitszeit von 39 Stunden eine Arbeitszeitverkürzung von rund drei Stunden erreicht wird.
Soweit die Beklagte in der Vergangenheit anders verfahren ist und dem Kläger nur den Lohn für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, allerdings mit einem um 7,6 % erhöhten Stundenlohn bezahlt hat, hat sie die tarifliche Regelung falsch verstanden.
2. Im vorliegenden Fall ist die Arbeitszeit des Klägers nicht um den vollen Optimierungsausgleich von 7,6 %, d.h. um 2,96 Stunden (7,6 % von 39 Stunden), sondern nur um eine Stunde verkürzt worden. Die fehlenden Stunden hätten daher zusätzlich zum Lohn für die tarifliche Arbeitszeit mit dem Durchschnittsstundenlohn vergütet werden müssen. Ob die andere Berechnungsweise der Beklagten letztlich zum gleichen Ergebnis geführt hat, ist vorliegend nicht zu prüfen.
3. Aus der tariflichen Regelung folgt, daß die Gewährung eines Optimierungsausgleichs – gleich ob in Zeit oder Geld – in keinem Fall zu einer Erhöhung des Durchschnittsstundenlohns führt, aus dem nach § 6 Abs. 4 MTV die Zuschläge zu berechnen sind. Der Kläger kann daher auch nicht verlangen, daß die gezahlten Nachtzuschläge um 7,6 % zu erhöhen sind, was das gleiche ist, wie eine Berechnung der Nachtzuschläge aus einem um 7,6 % erhöhten Durchschnittsstundenlohn.
Nach allem erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als richtig, so daß die Revision zurückzuweisen ist.
III. Der Kläger trägt nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision.
Fundstellen