Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachtsgeld. Kündigung aus Rationalisierungsgründen

 

Normenkette

Manteltarifvertrag Nr. 4 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Bewachungsgewerbes in Bayern vom 27. November 1986 § 15 Ziff. 3 Buchst. d

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 18.11.1991; Aktenzeichen 7 Sa 704/90)

ArbG Bayreuth (Urteil vom 27.11.1990; Aktenzeichen 1 Ca 805/90)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 18. November 1991 – 7 Sa 704/90 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über ein anteiliges tarifliches Weihnachtsgeld für das Jahr 1990.

Der Kläger war bei der Beklagten, die einen Sicherheitsdienst betreibt, als Wachmann beschäftigt. Er wurde zur Bewachung des Geländes der Firma H. eingesetzt. Nachdem die Firma den Bewachungsauftrag gekündigt hatte, kündigte die Beklagte dem Kläger zum 30. Juni 1990. Der Kläger wurde von dem Bewachungsunternehmen, dem der Bewachungsauftrag übertragen wurde, weiterbeschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag Nr. 4 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Bewachungsgewerbes in Bayern vom 27. November 1986 (MTV) Anwendung. Dieser sieht die Zahlung eines Weihnachtsgeldes vor, dessen Höhe sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet.

In § 6 Ziffer 1 Buchst. a MTV ist bestimmt:

Zeiten der Betriebszugehörigkeit, die bei einem anderen Arbeitgeber erbracht wurden, werden voll angerechnet, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar von einem tarifgebundenen Arbeitgeber in einen anderen Betrieb wechselt, der den tarifvertraglichen Bestimmungen des Bewachungsgewerbes in Bayern unterliegt.

§ 15 Ziffer 3 MTV lautet:

Die während eines Kalenderjahres ausscheidenden Arbeitnehmer erhalten das Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld (Zwölftel) anteilmäßig nur dann, wenn dem Ausscheiden folgende Kriterien zugrunde liegen:

  1. Erreichung der Altersgrenze
  2. bei Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze
  3. bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit
  4. bei Kündigung durch den Arbeitgeber aus Rationalisierungsgründen.

Bei fristloser Auflösung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch auf das Urlaubs- bzw. auf das Weihnachtsgeld.

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld nach § 15 Ziffer 3 Buchst. d MTV zu. Die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei aus Rationalisierungsgründen erfolgt. Dieser Begriff sei weit auszulegen und umfasse deshalb alle Kündigungsgründe, die im Bereich des Arbeitgebers lägen. Dazu zähle auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Wegfalls des Bewachungsauftrags.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 333,63 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 23. August 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dem Kläger stehe ein Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld nicht zu. Eine Kündigung wegen des Wegfalls des Bewachungsauftrags sei keine Kündigung aus Rationalisierungsgründen. Die Tarifvertragsparteien hätten den Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld nicht in allen Fällen betriebsbedingter Kündigungen gewähren wollen. Es sei branchentypisch, daß bei Wegfall eines Bewachungsauftrags das Personal zu dem Unternehmen wechsele, dem der Bewachungsauftrag übertragen werde. Deshalb hätten sie in diesem Falle einen Anspruch auf Weihnachtsgeld nach § 6 Ziffer 1 Buchst. a MTV gegenüber dem neuen Arbeitgeber begründet. Der bisherige Arbeitgeber solle demgegenüber mit dem Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld nicht belastet werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld für das Jahr 1990 nicht zu.

I. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß die tariflichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld nach § 15 Ziffer 3 Buchst. d MTV nicht vorliegen. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ist nicht aus Rationalisierungsgründen erfolgt.

1. Weder der Tarifwortlaut noch der tarifliche Gesamt Zusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen sind (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), lassen den Schluß zu, daß eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Wachmanns, dessen Arbeitsplatz wegen der Kündigung des Bewachungsauftrags durch den Auftraggeber wegfällt, als Kündigung aus Rationalisierungsgründen i.S. von § 15 Ziffer 3 Buchst. d MTV anzusehen ist.

a) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der „Rationalisierungsgründe” nicht besonders erläutert. Der Begriff der „Rationalisierung” hat aber in der Rechtsterminologie einen bestimmten Inhalt. Deshalb ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien ihn auch in diesem Sinne verstanden und angewendet wissen wollen, soweit sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (vgl. BAG Urteil vom 29. September 1976 – 4 AZR 381/75 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Papierindustrie).

Vom Begriff der Rationalisierung werden Maßnahmen erfaßt, die die zweckmäßige Gestaltung der Arbeitsvorgänge zum Ziel haben, um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu steigern (§ 106 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG; Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 106 Rz 17). Diese Maßnahmen können im technischen, betriebsorganisatorischen oder wirtschaftlichen Bereich liegen. Rationalisierungsmaßnahmen gehören nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den innerbetrieblichen Umständen, aus denen sich die betrieblichen Erfordernisse für eine Kündigung ergeben können. Eine Kündigung wegen Auftragsmangels bzw. eine Kündigung wegen des Wegfalls eines Auftrags, durch den die Beschäftigungsmöglichkeit eines Arbeitnehmers entfällt, beruht demgegenüber nach der kündigungsrechtlichen Terminologie auf außerbetrieblichen Umständen (vgl. BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 600/88 – AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Wenn die Tarifvertragsparteien demgemäß in § 15 Ziffer 3 Buchst. d MTV den Anspruch auf ein anteiliges Weihnachtsgeld nicht nur von einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber schlechthin abhängig machen, sondern eine Kündigung aus Rationalisierungsgründen fordern, so folgt daraus, daß nur eine Kündigung wegen einer Unternehmerentscheidung aus innerbetrieblichen Gründen anspruchsbegründend wirken soll. Ein Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund einer Kündigung wegen des Wegfalls eines Kundenauftrags kann deshalb nach dem Wortlaut des § 15 Ziffer 3 Buchst. d MTV nicht zu einem Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld führen.

b) Diese Auslegung wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt.

Der Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld besteht in den Fällen des § 15 Ziffer 3 Buchst. a bis c MTV. Bei Ausscheiden wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ginge dem Arbeitnehmer ohne diese tariflichen Bestimmungen der Anspruch auf das Weihnachtsgeld in vollem Umfange verloren. Das gleiche gilt für den Fall einer Kündigung aus Rationalisierungsgründen, die im Bewachungsgewerbe, z.B. insbesondere bei der Einführung technischer Überwachungssysteme, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen, in Betracht kommt. Demgegenüber erwächst dem Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung wegen des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund der Kündigung des Bewachungsauftrags dann kein Nachteil, wenn er von dem neuen Auftragnehmer weiterbeschäftigt wird. Diese für das Bewachungsgewerbe typische Fallgestaltung ist hinsichtlich des Anspruchs auf das Weihnachtsgeld in der Weise geregelt, daß nach § 6 Ziffer 1 Buchst. a MTV die Betriebszugehörigkeit beim bisherigen Auftragnehmer anzurechnen ist und deshalb zu einem Anspruch auf volles Weihnachtsgeld gegenüber dem neuen Auftragnehmer führt.

Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt damit, daß die Tarifvertragsparteien in § 15 Ziffer 3 Buchst. d MTV nur bei einer Kündigung aus Rationalisierungsgründen im rechtsterminologischen Sinne den Anspruch auf ein anteiliges Weihnachtsgeld begründen, diese aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht in allen Fällen betriebsbedingter Kündigungen gewähren wollen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Dr. Meyer, Großmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1083477

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